Strafzumessung – „qualifizierte Verteidigung“ – der Brief an die (Schwieger)Eltern der Getöteten

Bei einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts berücksichtigt das LG zu Gunsten des „Angeklagten , dass dieser sich im Zeitpunkt der Tat in einer schweren Lebenskrise befand und dass die Erkenntnis, dass seine Frau ihn verlassen will, bei ihm nicht ausschließbar zu großer Verzweiflung geführt hat. Ferner hat es strafmildernd berücksichtigt, dass die Tat als Spontantat gewertet werden müsse. Im erheblichen Maße zu Lasten des Angeklagten hat es (allein) dessen Nachtatverhalten gewertet, indem dieser „gegipfelt“ in einem am 16. November 2010 aus der Untersuchungshaft verfassten Brief an die Eltern der Geschädigten diese geradezu verhöhnt habe..“.

Das passt nicht sagt der BGH, Beschl. v.14.11.2011 – 2 StR 277/11:

Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Verhalten gegenüber Zeugen nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreitet und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten zu-lässt (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4, 5, 8, 13).

Dies ist hier nicht der Fall: Da der Angeklagte seine Täterschaft stets in Abrede gestellt hat, konnte es ihm als Ehemann der Getöteten nicht verwehrt sein, im Wege „qualifizierter Verteidigung“ gegenüber den Verwandten des Opfers Trauer zu bekunden. Soweit die Schwurgerichtskammer darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte in dem Brief sogar Vorwürfe gegen die Geschädigte formuliert habe, stellen diese – „egal, was mir I. angetan, gedacht und geplant“ hat (UA S. 18) – keine Umstände dar, die das Verhalten des Angeklagten als eine besonders herabwürdigende Verleumdung des Tatopfers erscheinen lassen und deshalb strafschärfend berücksichtigt werden könnten (vgl. BGH NStZ 1995, 78; StV 1995, 633). Dies gilt zumal angesichts dessen, dass der Angeklagte in unmittelbaren Anschluss daran erklärt, dass er I. noch liebe (UA S. 18) und dass er bei Abfassung des Schreibens naheliegender Weise davon ausgehen musste, dass den Adressaten des Briefes die Trennungsabsichten des Tatopfers bekannt waren. Der Strafausspruch wird daher aufzuheben sein.“

Wird aufzuheben sein, macht stutzig. Erklärt sich aber dadurch, dass der BGH die Stellungnahme der GBA eingerückt hat.

 

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