Was hat das Kachelmann-Verfahren mit dem Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg zu tun?

Ich komme erst jetzt dazu, mich mit dem Freispruch im Verfahren Kachelmann zu befassen. Natürlich habe ich vom Freispruch heute schon tagsüber gelesen, es war ja auch nicht zu überlesen dieses Thema, das heute erwartungsgemäß die Blogs beherrscht hat (vgl. u.a. hier, hier und hier). Sehr schön dazu der Beitrag von Prof. Müller im Beck-Blog zu den Lehren, die man aus dem Prozess ziehen kann/muss.

Erstaunt hat mich dann die Pressemitteilung des LG Mannheim, die in der Tat eine Medienschelte enthält, die m.E. schon ungewöhnlich ist. Aber: Ist sie das wirklich? Haben wir nicht Ähnliches erst vor kurzer Zeit auch im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg erlebt. Da hat sich das Gericht auch über das große Medieninteresse und die Begleitung in den Blogs beklagt (vgl. hier zur Urteilsbegründung in Sachen RA Lucas).

Tja, das hat Kachelmann also mit RA Lucas zu tun. Und es ist m.E. gut so, dass solche Verfahren auch so großes Interesse wecken und die Medienöffentlichkeit sie begleitet. Ich weiß aus eigener Erfahrung aus meiner StK-Zeit, dass man das nicht gern hat. Aber damit muss man leben (können). Und man sollte dann nicht hinterher die Medien, die Blogs usw. wegen ihrer Rolle schelten. Man sollte vielleicht lieber auch ein Wort zur Rolle der Staatsanwaltschaft verlieren. Das habe ich heute vermisst.

9 Gedanken zu „Was hat das Kachelmann-Verfahren mit dem Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg zu tun?

  1. Burschi

    Dann finden Sie also offenbar gut (oder jedenfalls nicht weiter kritikwürdig), dass

    – z.B. die „Bunte“ drei Zeuginnen für ihre anklagenden Auftritte im Blatt bis zu 50.000 Euro zahlte.
    – z.B. die „Süddeutsche Zeitung“ am 22. April 2010 unter der Überschrift „Messer mit Fingerabdrücken“ exklusiv berichtete, Ermittler hätten „nach eigener Aussage Teile von Fingerabdrücken und DNS von Kachelmann“ auf einem Messer gefunden
    – z.B. in der „Zeit“ Sabine Rückert massiv Partei für Kachelmann ergriffen hat – in der Regel ohne die Leser wenigstens darüber darüber zu informieren, dass Rückert mit dem Anwalt Kachelmanns zusammengearbeitet hat und ihn sogar der Verteidigung empfohlen hat.
    – z.B. der „Focus“ im Dezember eine „neue Zeugin gegen Kachelmann“ präsentierte, deren Aussage ihn angeblich „schwer belastet“, und bereits vor Eröffnung der Hauptverhandlung „Indizien auch im Bad“ gefunden, „Tausende Ermittlungsseiten“ der „Akte Kachelmann“ protokolliert und das Tagebuch des mutmaßlichen Opfers abgedruckt hatte,
    – z.B. die „Bild“-Zeitung mit ihrer Kommentatorin Alice Schwarzer munter mangelnde Fachkenntnis durch Parteilichkeit ausgeglichen hat.
    (Quelle: BILDblog).

    Erstaunlich.

  2. RA Werner Siebers

    Natürlich ist es gut, wenn die „Öffentlichkeit“ so weit gefächert wie möglich ist, dass dabei dann schwachsinnige Ausreißer als Trittbrettfahrer und Wichtigtuer dabei sind, liegt in der Natur der Sache und muss hingenommen werden, ohne dass man deren Schwachsinn „gut findet“.

  3. Matthias

    @ Burschi
    Wenn ein Gericht wie das Landgericht Mannheim und die Staatsanwaltschaft den Rechtsstaat so schwer beschädigen, wie sie es getan haben, dann sollten Sie doch lieber mal den Nuhr geben.
    Das Gleiche gilt natürlich auch für das Gejammere des Vorsitzenden, Herr Schwenn hätte Anstand und Respekt vermissen lassen.
    Natürlich, was denn sonst bei so einem Gericht.

  4. Marko Gregor

    @ Burschi

    Wieder mal nicht genau gelesen oder verstanden. Wo steht bitte, dass Herr Burhoff die einzelnen Kommentare, Berichte etc. gut oder nicht kritikwürdig findet. Richtig: Nirgends.

    Es geht darum, dass das mediale Interesse in diesem Fall sicher extrem war, aber dass das Gericht dies eben hinnehmen muss. Jammern hilft da nicht. Es ist nicht Aufgabe dieses Gerichts, Medienschelte zu betreiben.

    Völlig unabhängig davon gebe ich Ihnen aber Recht, dass große Teile der Berichterstattung und des medialen Echos – wie Sie schreiben – kritikwürdig ist. Nur ist diese Diskussion nicht Sache des Gerichts.

    So ist das eben mit der (medialen) Öffentlichkeit: Einerseits ist sie wirksame Kontrolle allen staatlichen Handelns. Andererseits kann jeder seine Meinung heutzutage eben auch z.T. publikumswirksam äußern – unabhängig davon, ob er Ahnung von der Materie hat. Entsprechend haben diese Äußerungen nicht nur inhaltlich sondern auch qualitativ ein breites Spektrum. Auch das kann man gut finden oder nicht. Nur man muss damit leben oder eben Fernsehen, Radio Zeitung und Internet meiden.

  5. Franka Schwinge

    Und schon werden wieder Rufe nach einer Beschränkung der Berichterstattung laut: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,766053,00.html. Die Fragwürdigkeit dieses Ansinnens / Gedankens mal außen vor gelassen, wäre es doch mal interessant zu erfahren, wem Siegfried Kauder mit der Aussage „Was hilft es dem Opfer einer Vergewaltigung, dass es sich hinter verschlossenen Türen dem Gericht anvertrauen kann, wenn sämtliche Aussagedetails später doch in der Zeitung stehen?“ eigentlich meint: Die Medien, die bei der Aussage doch gar nicht dabei waren, die Prozessbeteiligten (Angeklagter/Verteidiger, StA, Gericht) oder gar das vermeintliche Opfer selbst (inwieweit ist es dann schutzwürdig)?

  6. meine5cent

    @Markus Gregor:

    Mediales Interesse ist legitim und wurde vom Gericht auch nicht kritisiert. Kampagnen/Schmierenjournalismus ist etwas anderes und hat mit Information der Öffentlichkeit zum Zweck der Kontrolle staatlichen Handelns nichts zu tun. Da bin ich ausnahmsweise sogar mit Herrn Schwenn einer Meinung, der dies zwar nur in Richtung Burda/Bild austeilt, selbst aber auch nicht davor zurückgescheut hat, im Cicero sein Mandat quasi anzubahnen und offenbar auch mit Frau Rückert von der Zeit gut kann.

    Und wenn dieser Kampagnenjourmalismus dazu führt, dass ganz gezielt Einfluss auf Zeugen genommen wird (die Exklusivverträge, die schweizerische Überraschungszeugin) oder gezielt Aktenteile gestreut werden (der Spiegel hatte wohl angefangen mit den „entlastenden“ Passagen aus dem Glaubwürdigkeitsgutachten der Sachverständigen Greuel, Focus hat nachgelegt), dann darf mE das Gericht das kritisieren, weil hierdurch auch ganz gezielt auf den Verfahrensgang eingewirkt wurde/werden sollte, was bei einer „normalen“ Berichterstattung, sofern es so etwas gibt, eben nicht der Fall ist.

  7. Marko Gregor

    @meine5cent

    Kann man so sehen. Nur: Letztlich ist für das Urteil doch egal, was geschrieben und gesendet wird und was Volkes Meinung ist (hinsichtlich der Unsäglichkeit von medialen „Abstimmungen“ zu schuldig oder nicht gebe ich dem LG (in der PM) sogar Recht). Aber das Gericht kann und darf nur aufgrund dessen entscheiden, was Gegenstand der Hauptverhandlung war. Insoweit darf es sich vom Kampagnenjournalismus nicht beeinflussen lassen. Und deshalb ist es auch nicht seine Aufgabe, hierauf in der Urteilsbegründung einzugehen. Das wirkt auch unsouverän. Das mediale Drumherum muss es eben aushalten.

    Letztlich können die Medien auch nur die Informationen weitergeben, die sie erhalten – von wem auch immer.

    Im Übrigen ist es m.E. Spekulation, inwieweit bezahlte Interviews und herausgegebene Aktenbestandteile oder was sonst so passierte den Prozess i.E. tatsächlich beeinflusst haben. „Einfluß auf die Zeugen genommen“ würde ja zudem bedeuten, dass deren Aussage ohne das Interview anders gewesen wäre.

    Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will dies weder gutheißen noch bagatellisieren.

  8. meine5cent

    @Marko Gregor:
    Letzteres (Einfluss auf Zeugenvernehmung) behauptete Herr Schwenn gestern bei Lanz. So soll eine Zeugin in einer polizeilichen Vernehmung einverständlichen Sex geschildert haben, in dem Interview (glaube mit der Bunten) dann behauptet haben, sie habe „Nein“ gesagt. In der HV dann habe sie ihre Aussage wie im Interview gemacht und behauptet, die Polizeibeamtin habe ihre Aussage falsch aufgenommen/wiedergegeben. Herr Schwenn nahm das zum Anlass, die StA zu kritisieren, weil sie verpflichtet gewesen sei, Ermittlungen gegen die Zeugin aufzunehmen.

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