denkt man sofort, wenn man den ersten Satz aus der Beschlussbegründung des BGH im Beschl. v. 09.12.2010 – 5 StR 485/10 – liest. Dort geht es mal wieder um die verpasste Frist zur Urteilsabsetzung (§ 275 Abs. 5 StPO). Er erstaunt dann schon, wenn der BGH schreibt:
„Die verspätete Absetzung des Urteils beruht maßgeblich auf einem Irrtum über die Dauer der Hauptverhandlung; dies kann eine Überschreitung der Frist nicht rechtfertigen…..“
Daraus kann man m.E. doch nur schließen: Die Kammer hat die Hauptverhandlungstage falsch gezählt. Wie geht das? 🙁
Im Übrigen scheint der BGH das Urteil o.k. gefunden zu haben, wenn es am Ende heißt:
„Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des – sehr sorgfältig begründeten – Urteils.“
Tja. So ist das eben bei absoluten Revisionsgründen.
Wer arbeitet, macht auch Fehler. Nur wer nicht arbeitet, macht keine Fehler.
(Chinesisches Sprichwort)
auch wenn dr. f. gerade den reigen der weisen sprüche eröffnet hat, wäre es dennoch ein bisschen billig, jetzt „iudex non calculat“ in die runde zu werfen, oder? 😉
Der BGH arbeitet aber selbst nicht effizient. Denn wenn man einen absoluten Revisionsgrund gleich auf der ersten Seite des Urteils gefundet hat, muß eigentlich nicht das ganze Urteil durchforsten. Wer mit schlechtem Beispiel vorangeht, muß sich ja nicht wundern, daß viele Richter die Urteilsabsetzungsfrist immer wieder bis ultimo ausnutzen – und sich dabei manchmal verkalkulieren….
Im übrigen: was soll denn diese Bemerkung von dem „sehr sorgfältig“ begründeten Urteil. Mit dessen Aufhebung werden die Karten völlig neu gemischt. Ob das Urteil sehr sorgfältig begründet war, erweist sich erst im zweiten Durchlauf. Auch ein sorgfältig begründetes Urteil kann zudem ein materielles Fehlurteil sein.
Kann nicht eigentlich jeder der (3 ?) Berufsrichter des entscheidenden Gerichts das Urteil abfassen? Müssen die Richter das Urteil mit der Hand schreiben, wozu gibt es Diktiergerät und nette Herren oder Damen im Schreibbüro, die notfalls mal ein Diktat aufnehmen können.
@Schneider :
Wie kommen Sie darauf, dass das Urteil mit der Hand geschrieben wurde? Sie werden staunen, in einem süddeutschen Bundesland sind bereits digitale Diktiergeräte eingeführt und werden auch genutzt.
Und eine Handverletzung kann auch dazu führen, dass man ein Diktiergerät nicht bedienen kann.
Viel problematischer ist hingegen, dass im sogenannten Unterbau recht vehement eingespart wird. An einem süddeutschen Großstadtgericht hatten vor 2 Jahrzehnten z.B. Zivilkammern für jede Sitzung einen Protokollführer, heute diktiert man selbst. Und geschrieben wird häufig von Heimarbeitskräften oder in andern Orten untergebrachten Schreibkanzleien. Immerhin führt die Digitalisierung dazu, dass man nicht mehr Akten und Diktatbänder verschicken muss.
Die Sparwut der Bundesländer an der Gerichtsverwaltung ist tatsächlich skandalös und führt aus meiner Sicht zu einer merklichen Verschlechterung der Qualität. Richter und Staatsanwälte sollen sich auf die juristische Arbeit konzentrieren und für den handwerklichen Kram, um es despektierlich zu formulieren, ihre Lakaien haben. Natürlich gab es „in der guten alten Zeit“ auch den ein oder anderen Richter, der das ausgenutzt und sich hierdurch viel Freizeit verschafft hat, statt die Zeit, die ihm die Mitarbeiter erspart haben, in der Bibliothek zu verbringen. Heute haben die meisten Richter hingegen kaum noch Zeit für eine sorgfältige juristische Arbeit, weil sie ständig mit unsinnigem Verwaltungs- und Handwerkskram befaßt sind. Das entspricht weder der Aufgabe noch der Qualifikation und Würde eines Richters.
In meinen Augen wird das Sparziel der Regierungen auch verfehlt, denn schlechte Entscheidungen führen zwangsläufig zu mehr Rechtsmittelverfahren. Das Problem wird einfach in die oberen Instanzen verlagert, die Teils durch Verschärfung der formellen Anforderungen an ein Rechtsmittel, teils durch Zurückverweisung der Sachen an die unteren Instanzen versuchen, der Sache Herr zu werden. Im Zweifel klappt auch das nicht, weil das BVerfG bemüht ist zu verhüteten, daß das Sparen in der Justiz auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird.
Ein Staatsanwalt klagte mir kürzlich: früher habe der Wachtmeister dreimal am Tag die Akten abtransportiert und neue gebracht; dann nur noch zweimal, dann nur noch einmal. Inzwischen müsse er selbst in die Geschäftsstelle dackeln und sich jede Akte zeitaufwendig aus dem Aktenschrank suchen, weil die Damen und Herren von der „Serviceeinheit“ sich mit Rückendeckung des Personalrats zwischenzeitlich auf einer Stufe mit Richtern und Staatsanwälten sähen und von einem dienenen Element nichts mehr zu spüren sei (von wegen „Service“-Einheit). Statt mit Ermittlungsarbeit und juristischer Tätigkeit sei er die überwiegende Zeit des Tages mit der Arbeit beschäftigt, die früher eigentlich der Geschäfsstelle oblag.
Allerdings muß man sich über mangelnden Respekt nicht wundern, wenn man im Gerichtssaal erlebt, daß 23-jährige Protokollführerinnen 50-jährige Vorsitzende duzen – und umgekehrt.
Das mit dem Handschreiben war eher ironisch gemeint. Das ein Richter ein Diktiergerät nicht zur Not auch mit der anderen Hand benutzen kann, halte ich für schwach. Noch schwächer halte ich, das wenn einer von drei Berufsrichter sich eine Hand verletzt, das Urteil dann nicht geschrieben werden kann. Was wird nicht alles so von Angeklagten verlangt.
Hier scheint sich im Justizapparat ein strukturelles Problem zu outen. Die Teile arbeiten gegeneinander anstatt miteinander. Es werden Maßnahmen von oben durchgesetzt, ohne die Beteiligten erst nach dem Sinn zu befragen. Es wird sich mit nebensächlichen Formalien mehr beschäftigt, anstatt mit den wichtigen materiellen Rechtsfragen.
Die Frage der Effizienz spielt eine untergeordnete Rolle.