Eine Schnittstelle Strafrecht/Zivilrecht sind sicherlich die Fälle der Unfallmanipulation. Da müssen sich vor allem auch Zivilrichter mit Indizeien für einen manipulierten Unfall befassen. So das KG in seinem Beschl. v. 07.09.2010 – 12 U 210/09, in dem es um den Nachweis einer Unfallmanipulation anhand einer Indizienkette ohne weitere Beweisaufnahme ging.
Das KG ist zu folgenden Leitsätzen gekommen:
1. Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen. Es ist auch ohne Bedeutung, wenn sich für einzelne Indizien – isoliert betrachtet – eine plausible Erklärung finden lässt oder die Umstände jeweils für sich allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis nahe legen.
2. Als Indizien für die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Geschehens sind insbesondere Art und Zustand der beteiligten Fahrzeuge (hier: „Opferfahrzeug“, vorgeschädigter BMW X 5 mit einer Laufleistung von 82.501 km), Hergang des „Unfalls“ sowie das nachträgliche Verhalten der Beteiligten von Bedeutung (BMW wurde kurz nach dem Geschehen unrepariert verkauft; Verhinderung einer Unfallrekonstruktion; Verschweigen der aus dem Geschehen verfolgten Ansprüche in Höhe von ca. 28.000 EUR sowie des erhaltenen Kaufpreises von 13.000 EUR im Vermögensverzeichnis einer etwa 4 Wochen nach dem Vorfall abgegebenen eidesstattlichen Versicherung).
Zu den Indizien gibt es eine schöne Checkliste von Nugel in VRR 2010, 367 (vgl. hier).
Die Zivilrichter machen es sich dabei aber häufig zu einfach. Die Klage eines Mandanten wurde kürzlich in zwei Instanzen abgewiesen, da Land- und Oberlandesgericht aufgrund eben jener Indizien der Meinung waren, es spreche alles für einen manipulierten Unfall. Folge war eine Anklage wegen Betruges gegen die beiden Unfallbeteiligten. Die Hauptverhandlung endete mit einem Freispruch erster Klasse. Mit dem Mitteln der StPO konnte ohne weiteres nachgewiesen werden, daß sich die Beteiligten nicht kannten und Unfallhergang und -ergebnis nicht für eine Manipulation sprechen. Auf dem Ergebnis und den Kosten des Zivilverfahrens bleiben die Unfallbeteiligten gleichwohl sitzen.
Nun ja, im Zivilverfahren gilt eben kein Amtsermittlungsgrundsatz. Von daher sind unstreitige Indizien eben unstreitig bzw, wird bei fehlendem Beweisantritt nicht aufgeklärt.
Außerdem wird von Versicherungsseite gerne prozesstaktisch dafür gesorgt, dass der beklagte Fahrer möglichst überhaupt nicht bei der Verhandlung anwesend ist oder wirksam Klägervortrag zugestehen kann. Das geschieht in der Weise (in der Regel bei den Landgerichten wegen des Vertretungszwangs ), dass (bei Klage gegen Halter/Fahrer/Versicherung) die mitverklagte Versicherung als Nebenintervenient dem Rechtsstreit auf Seiten des beklagten Fahrers/Halters beitritt, er somit nicht säumig ist, die Versicherung ihm aber auch keinen Anwalt stellt und der Fahrer/Halter somit auch nicht wirksam zugestehen kann, was der Kläger vorträgt.
Ich habe eher das Gefühl, die Zivilrichter tun sich manchmal extrem schwer damit, einen Vorsatz anzunehmen. Jedenfalls hatte ich kürzlich mal ein Verfahren in dem es um Ansprüche aus § 826 BGB ging und obwohl die unstreitigen Tatsachen problemlos einen Rückschluss auf den Vorsatz (billigend in Kauf nehmen) zuließen, haben die Richter in beiden Instanzen versucht mit dem Hinweis auf die Nachweisbarkeit des Vorsatzes einen Vergleich herauszuquetschen… Kein Strafrichter bei dem ich je die Anklage vertreten habe, hätte sich beim Vorsatz derart angestellt.
Absolut zutreffend. Und deshalb halte ich es auch nicht für richtig, daß die Versicherung ihren Versicherungsnehmer gleich mitvertreten darf. Denn die Interessen gehen, wie gezeigt, nicht immer in dieselbe Richtung. Die beklagte Fahrerin wollte im Zivilprozeß ja gerne etwas sagen, um nicht in den Verdacht einer Unfallmanipulation zu geraten, bekam von der Versicherung einen „Maulkorb“ verpaßt und fand sich kurze Zeit später auf der Anklagebank wieder. Wenn die Nebenintervention und die Geschäftsbedingungen der Versicherung dazu führen, daß der Versicherte nichts sagen darf und dadurch in den Verdacht einer Straftat gerät, sollte man die Rechtsprechung hierzu überdenken. Zumal ja auch der Prozeßbevollmächtigte der Versicherung, der den Versicherten gleich mitvertritt, in einen Interessenkonflikt gerät.
Die Schwierigkeiten die Zivilrichter beim Dezernatswechsel haben, ist es das sie Staatsanwalt und Angeklagte als Parteien betrachten, bei Anklagen und Strafbefehlen Schlüssigkeitsprüfungen machen und Tatsachenvortrag anstatt Unterstellungen wollen.
Ein Zivilrichter betrachtet den Vortrag von Angeklagten und Staatsanwalt als gleichwertig, wie Kläger und Beklagter, ein Strafrichter denkt eher in Kategorien von Schutzbehauptungen. daher gibt es mehr Freisprüche bei Zivilrichtern.
Im übrigen müssen die Parteien nach der ZPO zur Hauptverhandlung erscheinen, wenn dies zur Aufklärung beiträgt. Sie sind verpflichtet sich zur Sache zur äußern. Der Richter muss bei lückenhaften Vortrag Hinweise geben und auf Beweisangebote hinweisen.
Kein vernünftiger Zivilrichter wird auf die unfallbeteiligten Fahrer im Termin verzichten wollen und lassen sich den Unfallhergang von den Fahrern schildern. gut, wenn sie partout nicht wollen und nicht kommen, wird das gewürdigt.
Ob Indizien den Beweis ergeben, hierfür gilt nach 286 ZPO (kann sich geändert haben)
die freie Beweiswürdigung, die natürlich nach Rechtsfehlern überprüfbar ist.
Es gibt aber das gleich wie im Strafrecht. Die Indizien sind im Zusammenhang zu bewerten.
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Ich glaube kaum, dass die Versicherung der Partei verbieten kann, zum Termin zu erscheinen.
Gegebenenfalls hat die vormalige Prozesspartei nun einen Anspruch gegen ihre Versicherung.