In Auslieferungsfragen nach dem Europäischen Haftbefehlgesetz ist der EuGH häufig die letzte Instanz, wenn die OLG sich in der Auslegung des nationalen Rechts in diesem Bereich nicht sicher sind. So das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 29.06.2009 – 3 Ausl. 175/08, StRR 2010, 158.
Nach dem Sachverhalt bestand gegen den Verfolgten, einen in Deutschland lebenden italienischen Staatsangehörigen, ein Europäischer Haftbefehl des Tribunale di Catania, in dem ihm vorgeworfen wird, Mitglied einer Vereinigung mit dem Zweck unerlaubten Betäubungsmittelhandels gewesen zu sein. Zuvor war er in Italien bereits wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, 6 Monaten und 20 Tagen verurteilt worden, die er teilweise verbüßt hatte und von der ihm ein Teil aufgrund einer Amnestie erlassen worden war. Für das vorlegende OLG stellte sich die Frage, ob der Verfolgung nicht der Grundsatz „ne bis in idem“ entgegensteht, da die italienischen Strafverfolgungsbehörden bereits zum Zeitpunkt der vorgenannten Verurteilung hinreichende Beweise hatten, um den Verfolgten auch wegen der im Haftbefehl genannten Anschuldigungen, insbesondere wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels, anzuklagen und strafrechtlich zu verfolgen, sie indessen aus ermittlungstaktischen Gründen – um den Rauschgifthandel aufdecken und die weiteren Beteiligten festnehmen zu können – weder die ihnen vorliegenden Informationen und Beweise an die Untersuchungsrichterin weitergeleitet noch seinerzeit um die Verfolgung dieser Taten ersucht haben.
Der EuGH hat jetzt in seinem Urt. v. 16.11.2010 – C-261/09 die Frage beantwortet und ein aus Art 3 Nr. 2 des Europäischen Haftbefehl Rahmenbeschlusses herzuleitendes Auslieferungshindernis (vgl. § 83 Nr. 1 IRG) verneint. Der Begriff „dieselbe Tat“ sei autonom dahingehend auszulegen, dass der Betroffene nur dann als wegen derselben Handlung rechtskräftig verurteilt i.S. des Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses anzusehen sei, wenn die Strafklage aufgrund eines Strafverfahrens endgültig verbraucht sei oder die Justizbehörden eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlassen hätten, mit der er von dem Tatvorwurf rechtskräftig freigesprochen worden sei. Ob ein Urteil rechtskräftig i.S. von Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses sei, bestimme sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem dieses Urteil erlassen worden sei. Daher könne eine Entscheidung, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, der die Strafverfolgung gegen eine Person einleite, die Strafklage auf nationaler Ebene für eine bestimmte Handlung nicht endgültig verbrauche, grundsätzlich nicht als ein Verfahrenshindernis hinsichtlich der etwaigen Einleitung oder Fortführung der Strafverfolgung wegen derselben Handlung gegen den Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat der Union angesehen werden.
Nachzulesen im Volltext – und zwar übersetzt – hier.
Lieber Herr Burhoff, sie schreiben: „Nachzulesen im Volltext – und zwar übersetzt – hier.“
Das ist nicht der Fall. Die Entscheidung liegt im Original auf deutsch vor und mußte deshalb nicht ins Deutsche übersetzt werden (in die anderen Sprachen sehr wohl).
Tut mir leid, daß ich so kleinlich bin, aber mich ärgert das immer wieder anzutreffende Vorverständnis, daß der EuGH in fremden Zungen spricht (aus der Sicht deutschsprachiger Juristen am liebsten auf englisch). Alle Amtssprachen der EU sind gleichrangig und die Verfahrenssprache beim EuGH ist in Vorabentscheidungsverfahren diejenige des vorlegenden Gerichts.
Wieso kleinlich, ist doch ok, wenn Sie auf den Fehler hinweisen. Wusste ich so nicht. Internet bildet eben doch :-))