Wahrscheinlich fange ich mir jetzt wieder böse Kommentare ein, aber: Wenn man die folgende Passage im Beschl. des BGH v. 22.07.2010 – 3 StR 169/10 – liest, fragt man sich dann doch, was soll das bzw. werden die obergerichtlichen Entscheidungen eigentlich gelesen? Da heißt es:
2. Die Maßregelanordnung nach § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat die Unterbringung als „nicht von vorneherein aus-sichtslos“ bezeichnet und damit einen Maßstab angelegt, der vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 – 2 BvL 3/90 (u. a.), BVerfGE 91, 1 ff.) für verfassungswidrig erklärt worden ist. Seither war § 64 Abs. 2 aF StGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass er die Feststellung einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzt. Hierauf hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen hingewiesen. Durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) ist § 64 StGB entsprechend geändert worden und trägt dem Erfordernis einer konkreten Erfolgsaussicht nun auch im Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich Rechnung (§ 64 Satz 2 StGB).
Also: Nur nochmal zur Klarstellung: Ein Urteil aus 2010, berücksichtigt nicht Rechtsprechung des BVerfG aus 1994 (!!) und übersieht Gesetzesänderungen aus 2007. Kein Kommentar, außer: Selbst wenn man die Rechtsprechung kennt, sollte man auch entsprechend den Vorgaben formulieren. So schwer kann das doch nicht sein.
Nein, diesmal kein böser Kommentar, sondern Zustimmung: Solche Fehler kommen offenbar leider nicht gerade selten vor, vermutlich in der guten Absicht, den Suchtkranken doch noch einmal eine Therapie (ohne dass eine Kasse sich als Kostenträger bereit erklären muss) zu ermöglichen und Haft zu ersparen.
Schon der 2. Senat hatte diesen Punkt zweimal zu entscheiden, wenn auch einmal ohne Hinweis auf die neue Rechtslage und die BVerfG-Entscheidung ( 2 StR 532/09) und einmal mit diesen Hinweisen (2 StR 537/08).
Und bei Fischer, StGB, Rdnr. 18 ff. ist dieser Punkt auch knapp und klar kommentiert, so dass missverständliche Formulierungen in den Urteilsgründen vermeidbar wären.