Spiegel-online (vgl. aber auch hier) meldet, dass die Strafkammer in Mannheim die Befangenheitsanträge gegen zwei Richter der Strafkammer im Verfahren gegen Jörg Kachelmann zurückgewiesen hat. In der Meldung heißt es zur Begründung: „Der vernünftige Angeklagte muss nämlich davon ausgehen“, begründen die Richter, die mit dem Antrag befasst waren, ihre Entscheidung, „dass der Richter aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung grundsätzlich die Fähigkeit hat, sich von Befangenheit und dem in jedem öffentlichkeitswirksamen Verfahren entstehenden Druck frei zu halten, und zwar auch dann, wenn Berührungspunkte mit einem Verfahrensbeteiligten bestehen, die aus den Zufälligkeiten des menschlichen Zusammenlebens, nicht aber aus einem besonderen Näheverhältnis resultieren.“
Den ein oder anderen mag das überraschen, mich jedenfalls nicht. Ich hatte mit einer ablehnenden Entscheidung genau mit der Begründung gerechnet, alles andere hätte mich überrascht. M.E. wird sich die Kammer bzw. werden sich die Kammermitgliederauch schon vor Prozessbeginn zu den Fragen das ein oder andere überlegt haben (müssen); denn das ein Befangenheitsantrag mit der Begründung kommen würde, war m.E. klar. Von daher werden die Kammermitglieder sich Gedanken um den § 30 StPO gemacht haben (hoffentlich!).
In der nächsten Woche geht es dann also weiter. Hauptsache Oliver Pocher meint nicht wieder, besonders witzig sein zu müssen.
Schön, dass sich nicht nur seltsame Rechtsanwäldinnen in unleserlichen Blogbeiträgen mit dem Thema Kachelmann befassen, sondern man dazu auch Brauchbares lesen kann. 🙂
obwohl ich mich an sich aus der Diskussion heraushalten wollte, hat mich die Meldung dann heute doch zu einem Beitrag verleitet 🙂
Ich muss sagen, ich bin immer noch der Meinung, dass Pochers Auftritt geradezu Schlingensief-esque war.
„Der vernünftige Angeklagte muss nämlich davon ausgehen … dass der Richter aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung grundsätzlich die Fähigkeit hat, sich von Befangenheit und dem in jedem öffentlichkeitswirksamen Verfahren entstehenden Druck frei zu halten“ – und daher schon per se gar nicht befangen sein kann, oder wie? Sehr schöne Leerformel!
Es war wohl kaum zu erwarten, dass die restlichen Richter der Kammer hier wirklich die Anträge durchgehen hätte lassen. Aber immerhin hat man im Zweifel einen Punkt mehr, den man dann später ggf. in der Revision rügen könnte 😉
@ 3: ich halte den Auftritt für unangemessen, aber,w as weiß Herr Pocher schon, was angemessen ist.
@ 4 + 5: die Begründung passt auf jeden anderen Fall auch. deshalb überrascht sie ja auch nicht. ich denke, auch nicht die Verteidigung.
Es wäre sicher \hilfreich\ gewesen, um im Kanzlerin-Jargon zu bleiben, wenn Sie sich ein bißchen mehr aus dem Fenster gelehnt hätten, Herr Kollege.
Wir wissen alle, dass das Gericht und auch die STA hier auf eine erbärmliche Art und Weise einen Angeklagten vorführt aus Beweggründen, die auf der Hand liegen.
Die Unabhängigkeit des Gerichts muss dort aufhören wo der Rechtsstaat beginnt.
Das bequemliche Schweigen vieler hier erschüttert mich.
sorry, aber: ich kenne zu wenig Details aus dem Verfahren; zudem haben hier so viele so viel gebloggt, dass ich mich nicht unnötig auch noch in dieses Diskussion einschalten wollte.
Ich denke, der hintere Teil der Begründung (zufällige Ortsnähe der Betroffenen vs. begründete nähere Bekanntschaft) wird der Teil sein, der (basierend auf dem wenigen, was man über die eingereichte Schrift weiß) konkret auf mögliche Gründe abzielt. Und hier wird man sich sicherlich auch innerhalb des Richterkreises abgesichert haben, daß es auch wirklich so ist. Wenn einem das hinterher auf dem Fuß fallen würde bei so einer Medienaufmerksamkeit, daß wäre auch für einen (fast) unabhängigen Richter unangenehm.
Der erste Teil (Berufserfahrung, Ausbildung und so weiter) hingegen ist eine Standardfloskel, die natürlich keinerlei inhaltlichen Wert hat, aber eben den Hinweis auf die Vorgaben der bisherigen Rechtssprechung umschreibt. Die Aussage ist ungefähr so stichhaltig wie die immer wieder mal gerne zitierte ‚Lebenserfahrung‘ oder ’szenetypische Handlung/Vokabular/Gestik/Kleidung‘ der ermittelnden Behörden. Oder das in letzter Zeit wieder in Mode kommende ‚das kann nicht sein, weil es verboten ist‘. Sprich, eine unreflektierte Aussage über etwas, daß jeder in dem Berufsfeld sofort mit unzähligen Beispielen wiederlegen kann. Die aber trotzdem nur Einzelfälle sind, wie üblich erinnert man sich gerne an ungewöhnliche Fälle, und weniger an den Alltag, der ohne Abweichungen abläuft.
Natürlich wird auch ein Richter so gut wie nur irgend möglich seinen Beruf ausüben, und versuchen, dem Gesetz genüge zu tun. Das muß man nicht als Begründung für eine Ablehnung anführen (außer eben als Hinweis auf die Rechtsgrundlagen), denn es ist etwas selbstverständliches. Aber, und das ist ja nichts schlimmes, sondern nur etwas menschliches, der Richter unterliegt wie jeder andere Mensch auch einem Bias. Wie er (oder sie) damit umgeht, das ist der entscheidende Punkt. Das wiederum kann man von außen nicht wirklich beurteilen. Was von einem als Mißtrauen oder Vorurteil wahrgenommen wird, ist für einen anderen gesunde Distanz, und für den Dritten vielleicht der Versuch, die Verantwortung abzuwälzen. Man wird, wenn überhaupt, erst innerhalb des Prozesses vielleicht (!) eine Aussage treffen können, ob der Antrag vom Beginn der Verhandlung Substanz hatte. Und bis dahin ist es ein weiter Weg.
Die Begründung der Ablehnung selbst empfinde ich am ehesten als ‚vorsichtig‘. Übliche Formulierungen, nichts konkretes, nichts angreifbares, eigentlich auch schön neutral gehalten, gute Voraussetzungen, um den Prozeß nicht unnötig anzuheizen. Denn hier kann man (auf allen drei Seiten) nur gewinnen, wenn man dem Medienrummel ein klein wenig die Spitzen nimmt.
Bedauerlich ist, dass der wohl 63 Seiten starke Befangenheisantrag ebenso nicht zur Verfügung steht, wie die vollständige richterliche Begründung.
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