Nach § 257 Abs. 3 und 4 StPO sind die Beteiligten an eine Verständigung gebunden, aber: Nur an die in der Hauptverhandlugn formell zustande gekommene Verständigung, nicht an informelle Absprachen aus dem Ermittlungs/Zwischenverfahren. Darauf hat jetzt der BGH in seinem Beschl. v. 04.08.2010 – 2 StR 205/10 – ausdrücklich hingewiesen. Wenn man die Entscheidung liest, fragt man sich allerdings, wieso Verteidiger und Angeklagter davon ausgegangen sind, dass sich die Kammer an die mit der Vorsitzenden im Zwischenverfahren getroffenen Absprache halten würde. Die Vorsitzende nahm dann an der HV nicht teil, ob der hinzugekommene Beisitzer ein „Scharfmahcer“ war, bleibt offen, jedenfalls hat der neue Vorsitzende zweimal darauf hingewiesen, dass es eine Verständigung nicht geben würde.
Fazit: Gut ausgetrickst, würde ich mal sagen.
Nicht ganz klar ist mir bei dieser Sachlage allerdings, weshalb der BGH in jüngster Zeit Verteidigern – pauschal – vorwirft, nicht mehr seriös zu arbeiten, wenn er gleichzeitig einen so elementaren Verstoß gegen die richterliche Fairness durchgehen läßt.
Mir ist es bei einer Berufungskammer auch einmal passiert, daß ich dem leutseligen Vorsitzenden vertraut habe. Er sicherte eine Bewährungsstrafe zu und verkündete, das müsse man nicht eigens alles protokollieren, auf sein Wort könne man sich verlassen. Im Vertrauen auf diese Zusage habe ich nicht darauf bestanden, den Vorgang zu Protokoll zu nehmen. Ein Fehler. Denn die Kammer setzte die Strafe entgegen der Zusage nicht zur Bewährung aus, mit der Begründung, die „Geschäftsgrundlage“ für den Deal sei entfallen, weil ihr irgendeine Bemerkung meines Mandanten nicht gepaßt hat. Das OLG fand das jedoch gleichmaßen unfair und hob das Urteil auf. In der Neuauflage kam nur eine Geldstrafe heraus.
Ich mache seitdem überhaupt keine „Deals“ mehr und erzähle, wenn mich ein Richter fragt, weshalb nicht, immer diese Geschichte. Und die hier vorgestellte BGH-Entscheidung ist ein weiterer Grund. Wenn man sich auf Richter nicht verlassen kann und dies auch noch höchstrichterlich abgesegnet wird, führt um eine ausführliche Beweisaufnahme eben kein Weg herum. Ohnehin ist der „Deal“ unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mehr als fragwürdig.
eigentlich ist es doch gar nicht so schwer. inzwischen stehen die voraussetzungen des deals in der stpo und man muss nicht einmal mehr die bgh-rechtsprechung im detail kennen. sofern man darauf achtet, dass alles ordentlich protokolliert wurde, bevor man den mandanten aussagen lässt, kann doch nicht allzuviel passieren.
@ Tobias: Sorry, m.E. nicht ausgetrickst. Ok, der Vorsitzende hat am Ende des ersten Verhandlungstages noch mal auf die Bewährungsstrafe hingewiesen, aber er hatte vor Beginn der HV angerufen und ddarauf hingewiesen, dass es mit einer Vertsändigung nichts würde. Ich verstehe nicht, warum der Verteidiger den Angeklagten dann reden lässt. Ich hätte ihm gesagt: Mund halten und der Kammer hätte ich gesagt: OK, dann brauchen wir die Zeugen eben doch alle und wir kommen auch nicht mit zwei Hauptverhandlungstagen aus.
@burhoff
Im Grunde hast Du recht.
Es war sau dämlich darauf zu hoffen, das Gericht würde es sich doch noch anders überlegen.
Und sicherlich war es unklug überhaupt auch am ersten HV-Tag was zu sagen.
Gleichwohl finde ich dennoch, dass das Gericht \clever\ getrickst hat. Es hat nämlich genau das geschafft, was es wollte, ohne groß arbeiten zu müssen. Deswegen clever und nicht unbedingt rechtsstaatswidrig ausgetrickst.
in meinen Augen ein klassischer Verteidigerfehlet. § 257c StPO gibt es doch vor. Da hat der Kollege N.N. Recht. Erst verhandeln 🙂 und protokollieren, dann Geständnis. Do ut des 🙂
Du hast recht -nicht umsonst steht oben ja,RiOLG :-)))))))
endlich sagt es mal einer 🙂 🙂 :-); allerdings „a.D.“. darauf werden wir dann beim „Klassentreffen“ eine trinken…
Was hat das denn mit einem Verteidigerfehler zu tun, wenn das Gericht sich erkennbar unfair verhält? Ein Mindestmaß an Vertrauen muß zwischen den professionellen Verfahrensbeteiligten gegeben sein. Offenbar hat ja auch die Staatsanwaltschaft das Gericht so verstanden wie der Verteidiger.
Einerseits beanstanden Gerichte, einschließlich des BGH, daß Verteidigerverhalten immer förmlicher und mißtrauischer wird, daß unzählige, ausführlich begründete Anträge und Widersprüche vorgebracht werden, rügen dieses Verhalten gar als unethisch, prozeßverschleppend und als Konfliktverteidigung am Rande der Strafvereitelung, stoßen aber wie die Geier in jede Lücke hinein, die ein Verteidiger im Vertrauen auf die Fairness des Gerichts läßt.
Es ist schlichtweg unseriös – und das muß man dem BGH leider zunehmend vorwerfen -, immer neue Hürden für Verteidiger zu errichten und die Verteidigermaßnahmen zur Überwindung dieser Hürden sodann zu schelten. An der Flut von Verteidigeranträgen, an hundertseitigen Urteilsbegründungen und ebenso starken Revisionsbegründungen, ist nur einer Schuld: der BGH selbst. Und darüber beklagt er sich dann auch. Die Geister, die er rief, wird er nun nicht mehr los. Dann sollen sich die Damen und Herren in Karlsruhe die Mütze aber auch selbst aufsetzen und nicht auf Richtern und Verteidigern herumhacken, die nur die Arbeit machen, die der BGH ihnen mit seiner Rechtsprechung aufgibt.
genau dem muss ich entgegensteuern, mit dem vorhandenen Instrumentarium, und das bedeutet bei § 257c StPO, das informell eben nichts läuft. M.E. darf ich als Verteidiger den Mandanten erst reden lassen, wenn ich die Absprache in trockenen Tüchern habe.