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Rechtsmittelbegründung über beA ohne elektronische Signatur, oder: Zulässig?

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Jena. Der OLG Jena, Beschl. v. 23.09.2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 – ist im Bußgeldverfahren ergangen. Er behandelt u.a. eine Zulässigkeitsfrage in Zusammenhang mit der Rechtsbeschwerde

Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Dagegen der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Zulassungsantrag und auch dessen Begründung werden vom Verteidiger über beA ohne qualifizierte elektronische Signatur an das AG geschickt, auf den Schriftsätzen war aber „der erkennbar eingescannte und elektronisch reproduzierte Namenszug des Verteidigers aufgebracht“. Dem OLG hat das für die Zulässigkeit gereicht:

„1. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1, 345 Abs. 2 StPO eingelegt und begründet.

a) Gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gelten für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der StPO und des GVG über die Revision entsprechend. Gemäß § 341 Abs. 1 StPO muss die Rechtsbeschwerde bzw. der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 80 Abs. 3 OWiG) demnach bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt und gemäß § 345 Abs. 2 StPO bei diesem Gericht durch eine von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet werden.

Dem werden die am 11.07. und 13.08.2019 beim Amtsgericht Erfurt eingegangenen Schriftsätze des Verteidigers gerecht.

Für eine Fallgestaltung wie die vorliegende hat der Senat im Beschluss vom 05.03.2020, Az. 1 OLG 171 SsBs 95/19, ausgeführt:

„a) Ungeachtet der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr (dazu sogleich) genügen die Schriftsätze bereits den allgemeinen Anforderungen an die Schriftform (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 26.03.1981 – 1 StR 206/80 -, juris, Rn. 5 ff.; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl. 2019, StPO § 341 Rn. 11; BeckOK StPO/Wiedner, 35. Ed. 1.10.2019, StPO § 341 Rn. 19; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, 1. Aufl. 2019, StPO § 341 Rn. 24) und die erforderliche Verteidigerunterschrift (vgl. dazu etwa KK-StPO/Gericke, a.a.O., § 345 Rn. 12, 17), da die jeweils als Ausdruck zur Akte genommenen Schriftsätze verkörperte Schriftstücke sind und von dem Verteidiger des Rechtsmittelführers herrühren, dessen Urheberschaft zweifelsfrei aus dem verwendeten Briefkopf und der aufgebrachten Unterschrift hervorgeht.

Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Unterschrift des Verteidigers erkennbar um die elektronische Reproduktion einer eingescannten Unterschrift handelt. Aufgrund der aktuellen Praxis der Thüringer Justizverwaltung, im elektronischen Rechtsverkehr eingehende elektronische Dokumente während der Übergangszeit bis zur Einführung der elektronischen Akte auszudrucken und in Papierform verkörpert zur Akte zu nehmen, ist die hier erfolgte Übermittlung nicht anders zu bewerten, als bei der Nutzung eines von der Rechtsprechung als formwahrend anerkannten – ebenfalls nur mittels einer eingescannten Unterschrift versehenen – Computerfaxes (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98 -, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 04.07.2002 – 2 BvR 2168/00 -, juris; weitergehend OLG München, Beschluss vom 11.0o9.2003 – 2 Ws 880/03 – juris, Rn. 6), da durch den Ausdruck neben dem elektronischen Dokument, das (nur) aus einer in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge besteht, ein sich davon unterscheidendes körperliches Dokument hergestellt wird (vgl. zu dieser Unterscheidung: BGH, Beschluss vom 14.10.2014 – XI ZB 13/13 -, juris), dessen Form und Herkunft ohne weiteres visuell prüfbar ist. Wenn Ausdrucke der elektronischen Post zu den Akten gelangen, sind (auch) diese unabhängig davon, auf welchem Wege sie Eingang in die die Gerichtsakte gefunden haben, Gegenstand der Prüfung, ob sie ein form- und fristgerecht angebrachtes Rechtsmittel beinhalten (OLG Rostock, Beschluss vom 06.01.2017 – 20 Ws 311/16 -; juris, Rn. 15; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26.03.1981 – 1 StR 206/80 -, juris, Rn. 15).

b) Die im elektronischen Rechtsverkehr bei Gericht eingegangenen Verteidigerschriftsätze vom 29.05. und 25.06.2019, mit denen die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet worden ist, genügen auch den Voraussetzungen des § 32a StPO.

Nach § 32a Abs. 3 StPO muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein (Alternative 1) oder – wenn eine solche wie hier fehlt – von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (Alternative 2). Während sich die qualifizierte elektronische Signatur unmittelbar auf das mit ihr versehene Dokument bezieht und dadurch das Dokument als solches gesichert ist, ist bei der alternativen Verwendung eines zugelassenen sicheren Übermittlungsweg die Übermittlung des Dokumentes durch die besonderen Eigenschaften des Übermittlungsweges als gleichwertig anzusehen (KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 32a Rn. 10; Valerius, in: BeckOK StPO, § 32a, Rn. 14).

Ein sicherer Übermittlungsweg ist gemäß § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle der Behörde oder des Gerichts. Sendet der Rechtsanwalt als Postfachinhaber seinen Schriftsatz selbst über das ihm zugeordnete besondere elektronische Anwaltspostfach, wird ein sogenannter vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) generiert, mit dem der Nachweis über den Versand einer Nachricht aus einem bestimmten Postfach erbracht wird und bei dessen Vorliegen im Eingangsblatt der Hinweis auf den sicheren Übermittlungsweg (zum Beispiel: „beA“) angegeben wird.

Dem bei Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges (einfachen) Signaturerfordernis des § 32a Abs. 3 Alternative 2 StPO wird durch die bloße Angabe des Urhebers oder Absenders Rechnung getragen. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist hierfür nicht vorgeschrieben.

Einfache Signatur kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter einem Schriftsatz sein oder eine eingescannte Unterschrift (Mueller, E-Justice-Praxishandbuch, 4. Aufl. 2019, Seite 133; vgl. auch zu § 130a ZPO: Bacher, NJW 2015, 2753; OLG Braunschweig, Beschluss vom 08.04.2019 – 11 U 146/18 -, juris, Rn. 38).

Gemessen daran sind die Verteidigerschriftsätze vom 29.05. und 25.06.2019 formgerecht bei Gericht eingegangen. Beide Schriftsätze wurden ausweislich des jeweils vorgehefteten Eingangsblattes auf dem Übermittlungsweg „beA“ übermittelt, mithin einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 32a Abs. 2 Nr. 2 StPO, und stammen von dem Verteidiger als absendender Person. Des Weiteren wurden beide Schriftsätze durch den absendenden Verteidiger mittels Wiedergabe seines maschinenschriftlichen Namenszuges und seiner eingescannten Unterschrift ordnungsgemäß im Sinne des § 32a Abs. 3 StPO signiert. Insoweit steht auch nicht zu besorgen, dass Dritte nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente unter Nutzung des Postfachs des Verteidigers versandt haben – was der Stellungnahme der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft vom 02.09.2019 andeutungsweise zu entnehmen ist -, da sich Rechtsanwälte als Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur mit dem ihnen zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN anmelden können (§ 24 RAVPV) und das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signiert Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, durch den Rechtsanwalt nicht auf andere Personen übertragen werden kann (§ 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV).“

Daran ist festzuhalten.

b) Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil weder Im Schriftsatz vom 10.07.2019 noch im Schriftsatz vom 12.08.2019 Rechtsbeschwerdeanträge gestellt worden sind. Das Fehlen eines Rechtsbeschwerdeantrages ist unschädlich, wenn sich aus dem Inhalt der Begründungsschrift das Ziel des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ergibt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 344 Rn. 2 m. w. N.). Dies ist hier der Fall, denn es wird dargelegt, dass der Betroffene hätte freigesprochen werden müssen.“

Wegen der Ausführungen des OLG zur Begründetheit komme ich noch mal auf den Beschluss zurück.