Und als zweite Entscheidung dann hier das AG Wedding, Urt. v. 31.08.2022 – 20 C 350/20. Es geht um den Schadensersatz nach einem „Waschstraßenunfall“. Dazu meint das AG:
„Dem Kläger steht weder aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.856,70 € zu.
Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte eine ihr obliegende Pflicht verletzt hätte und dass diese Pflichtverletzung zu einem Schaden an dem klägerischen Fahrzeug geführt hätte.
Nach den allgemeinen Grundsätzen ist es an dem Geschädigten als Gläubiger darzulegen und zu beweisen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug in der von der Beklagten betriebenen Waschstraße geschädigt worden ist, diese schuldhaft eine ihr obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. In Abweichung von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung ist in den sogenannten Waschstraßenfällen darüber hinaus anerkannt, dass von der Schädigung auf die Pflichtverletzung der Betreiberin geschlossen werden kann, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich der Betreiberin herrührt. Dieser Anscheinsbeweis kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn feststeht, dass der Schaden nur durch den automatisierten Waschvorgang in der Waschstraße selbst verursacht worden sein kann, also keine andere Schadensursache in Betracht kommt (LG Berlin, Urteil vom 23. 12. 2015 – 54 S 32/15; OLG Hamm, Urteil vom 12.4.2002 – 12 U 170/01; LG Essen, Urteil vom 20.11.2008 – 10 S 300/08; LG Bochum, Urteil vom 27.2.2004 – 10 S 48/03). Ist diese Feststellung nicht möglich, liegt das Risiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache beim Fahrzeugeigentümer.
Der Nachweis der objektiven Pflichtverletzung und der Schadensverursachung ist nach den vorgenannten Grundsätzen durch den Geschädigten erst dann erbracht, wenn feststeht, dass ein Fahrzeug beim Durchfahren einer Waschanlage beschädigt worden ist und weder ein Defekt am Fahrzeug noch ein Fehlverhalten des Benutzers vorliegt.
Eine Schadensursächlichkeit allein aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten ist vorliegend jedoch nicht feststellbar. Dem Kläger ist es nicht gelungen den erforderlichen Beweis zu führen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers den hier geltend gemachten Schaden nicht bereits bei der Einfahrt in die Waschanlage aufwies.
Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Eine unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad einer Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob der Richter die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (BGH, Urteil vom 17.2.1970 – III ZR 139/67; BGH, Urteil vom 14.1.1993 – IX ZR 234/09; BGH, Urteil vom 18.1.2000 – VI ZR 375/98). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1. Die Aussagen der Zeugin pp. sowie des Zeugen pp. sind unergiebig. Beide Zeugen können sich weder an den Kläger noch an das streitgegenständliche Fahrzeug erinnern. Insbesondere können sie keine Aussage dazu treffen, ob die Kratzer frisch gewesen seien. Beide Zeugen haben vielmehr das allgemeine Procedere bei einer Schadensaufnahme beschrieben, wobei sie übereinstimmend erklärt haben, dass sie die Schäden ohne jegliche Wertung aufnehmen und an den Chef weiterleiten. Überdies hat der Zeuge Richard erklärt, dass er nur die Daten vom Kunden aufgenommen hätte, die Schadensbeschreibung auf dem Schadensprotokoll, Blatt 13 d.A., sei nicht seine Handschrift.
2. Soweit der Kläger die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens als Beweis angeboten hat, so bezieht sich dieses Beweisangebot allein darauf, dass der Schaden durch die Waschanlage entstanden sein soll. Diesem Beweisangebot wäre erst in einem zweiten Schritt nachzugehen gewesen, wenn es dem Kläger gelungen wäre, nachzuweisen, dass das Fahrzeug die streitgegenständlichen Beschädigungen nicht bereits bei der Einfahrt in die Waschstraße aufgewiesen hätte.
3. Dem Beweisantrag des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2022 auf Parteivernehmung war nicht stattzugeben. Die Voraussetzungen des § 447 ZPO liegen nicht vor, da die Beklagte eine Vernehmung des Klägers ausdrücklich widersprochen hat. Auch eine Vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO kommt nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass alle zuvor angebotenen Beweismittel ausgeschöpft sind und diese keinen vollständigen Beweis erbracht haben (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – III ZR 198/18).
Zwar waren die zuvor angebotenen Beweismittel in Form der Vernehmung der genannten Zeugen ausgeschöpft. Da diese jedoch unergiebig waren, fehlt es an der 2. Voraussetzung des § 448 ZPO. Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Parteivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer non-liquet-Situation im Übrigen voraus. Dieser „Anbeweis“ kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach § 141 ZPO oder aus Ausführungen der Partei nach § 137 IV ZPO ergeben (stRspr, vgl. zB Senat BGHZ 186, 152 [155] = NJW 2010, 3292 Rn. 15; BGH NJW-RR 2003, 1002 [1003]; BGHZ 150, 334 [342] = NJW 2002, 2247; BGH NJW 1999, 363 [364] mwN; Zöller/Greger, § 448 Rn. 4).
An einem solchen „Anbeweis“ fehlt es hier. Entgegen der Auffassung der Kläger war für die Schaffung eines solchen „Anbeweis“ auch nicht eine Parteianhörung gemäß § 141 ZPO durchzuführen. Eine Parteianhörung dient nicht als Beweismittel, sondern hierdurch soll die Klärung, Konkretisierung oder Ergänzung des Sachverhaltes ermöglicht werden (siehe hierzu Lange: „Parteianhörung und Parteivernehmung“ in NJW 2002, 476). Einer solchen Klärung des Sachverhaltes bedurfte es vorliegend nicht. Hierbei ist folgendes zu berücksichtigen: § 148 ZPO will und darf nicht die beweisbelastet Partei von den Folgen der Beweisfälligkeit befreien. Ihr Zweck besteht vielmehr darin, wenn nach dem Ergebnis der Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht und andere Erkenntnisquellen nicht mehr zur Verfügung stehen, dem Gericht ein Mittel zur Gewinnung der letzten Klarheit an die Hand zu geben (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 448 Rn. 2)
Soweit es an einem solchen „Anbeweis“ fehlt, ist nach der Rechtsprechung des BGH zu prüfen ob eine Vernehmung des Klägers gemäß § 448 ZPO nach Maßgabe der Rechtsprechung zu den sogenannten „Vier-Augen-Gesprächen“ (Waffengleichheit) durchzuführen ist (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – III ZR 198/18). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass eine Partei benachteiligt sein kann, wenn ein Gespräch zwischen ihr und dem Zeugen der Gegenpartei stattgefunden hat, sodass aus Gründen der Waffengleichheit eine Parteivernehmung von Amts wegen zu erfolgen hat. Hiermit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Weder unmittelbar vor der Einfahrt in die Waschstraße noch bei der Befahrung der Waschstraße selbst war die Beklagte oder ein Zeuge der Beklagten anwesend. Müsste die Beklagte, die bei dem klägerseits behaupteten Schadensfall weder anwesend war noch diesen wahrgenommen hat, in diesen Fällen stets und immer eine Parteivernehmung der klagenden Seite hinnehmen, so geriete sie ihrerseits regelmäßig in eine zivilprozessual kaum zu rechtfertigenden Beweisnot. Denn Sinn und Zweck des §§ 448 ZPO ist es gerade, die austarierten Regeln über die Darlegungs- und Beweislast über eine gleichsam voraussetzungslose Parteivernehmung von Amts wegen nicht leerlaufen zu lassen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger in Ermangelung eines anderweitig geeigneten Beweismittels von vornherein beweislos gestellt wird, zumal er hier auch bereits Zeugen benannt hatte. Überdies ist es anerkanntes Recht, dass es prozessual grundsätzlich jedermann freisteht, mittels einer Zession sich selbst zum Zeugen in eigener Sache zu machen. Hiervon hat der Kläger aber keinen Gebrauch gemacht.“