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StGB III: Die „schikanöse Schandtat“ des Richters, oder: „der Richter hat sich an meinem Guthaben vergriffen.“

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Und als dritte StGB-Entscheidung dann noch der BayObLG, Beschl. v. 04.07.2022 – 202 StRR 61/22 – zur Strafbarkeit wegen Beleidigung eines Richters im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Untreue.

Folgender Sachverhalt bzw. folgende Feststellungen des LG liegen der Entscheidung zugrunde:

„… Der Angeklagte führte vor dem Amtsgericht einen Zivilrechtsstreit, in dem er als Kläger die Räumung seiner Eigentumswohnung durch den damaligen Mieter geltend machte. Mit Anerkenntnisurteil vom 22.07.2019 verpflichtete das Amtsgericht den Beklagten, die Wohnung des Angeklagten zu räumen und an den Angeklagten herauszugeben, wobei die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt wurden. Nach Abschluss des Streitverfahrens wurde ein Teilbetrag in Höhe von 203 Euro aus dem vom Angeklagten einbezahlten Gerichtskostenvorschuss auf die Gerichtskosten verrechnet und der Restbetrag an ihn ausbezahlt. Obwohl der Angeklagte in der Folgezeit insgesamt dreimal, unter anderem durch den erkennenden Richter im Rahmen eines Verfahrens über die vom Angeklagten betriebene Kostenerinnerung sowie seitens des Direktors des Amtsgerichts schriftlich darauf hingewiesen worden war, dass er den verrechneten Betrag nicht zurückerhalten könne, sondern sich wegen Erstattung an den unterlegenen Beklagten im Rahmen eines von ihm anzustrengenden Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß den §§ 103 ff. ZPO halten müsse, erhob der Angeklagte mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 06.10.2020, dem Anlagen beigefügt wurden, gegen den mit der vom Angeklagten angestrengten Kostenerinnerung befasst gewesenen Richter Dienstaufsichtsbeschwerde zum Präsidenten des Landgerichts „wegen Entnahme von Geld aus einem Guthaben von mir (monatelang (!) ohne mich zu benachrichtigen!!?), um – ohne Not – die Schuld eines Dritten (!!?) zu begleichen!!? § 266 StGB (Untreue).“ In dem Schreiben führte der Angeklagte weiterhin aus: „Der Beklagte musste aber aufgrund der extrem parteiischen Schandtat (Geldtransaktion) des Amtsrichters [namentliche Nennung des Richters, Anm. d. Senats] die 1. Gerichtskostenzahlung überhaupt nicht zahlen (!!?), wohl aber den ganzen Rest (2/3) […]. Ferner wurde wiederum die angebliche „Entnahme aus dem Guthaben“ durch den zuständigen Richter, der namentlich genannt wurde, unter Hinweis auf § 266 StGB wiederholt. Die Dienstaufsichtsbeschwerde endete mit der Frage: „WIE bekomme ich jetzt meine 203,- € zurück? Billigt Präsident […] auch diese Schandtat des Herrn“ [namentliche Nennung des Richters, Anm. d. Senats]“.

In einer beigefügten Anlage zu der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichnete der Angeklagte den Richter am Amtsgericht mit dessen namentlicher Nennung als „ekelig parteiischen Amtsrichter“, wiederholte den Vorwurf, der Richter habe sich „an einem Guthaben von mir vergriffen (§ 266 StGB/Untreue)“ und wertete dessen Verhalten als „schikanöse Schandtat“.“

Das Amtsgericht hat den Angeklagten, einen promovierten Mediziner im Ruhestand, wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das LG als unbegründet verworfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, hat das LG das AG-Urteil dahingehend abgeändert, dass es die Höhe des Tagessatzes auf 50 EUR festgesetzt hat; die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Die Revision führte zu einer Änderung des Schuldspruchs, nämlich zur Verurteilung wegen Beleidigung.

Hier dann (nur) die Leitsätze zu der Entscheidung:

    1. Bezichtigt ein Angeklagter einen Richter, der mit einem Kostenerinnerungsverfahren befasst war, der strafbaren Untreue, weil er nach Auffassung des Angeklagten eine fehlerhafte Entscheidung zu dessen Lasten getroffen habe, stellt dies auch dann keine Behauptung falscher Tatsachen im Sinne des § 186 StGB dar, wenn zusätzlich vorgetragen wird, es gehe um die „Entnahme von Geld aus seinem Guthaben“.
    1. Eine Schmähkritik ist bei einer Beanstandung eines konkreten dienstlichen Verhaltens im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde auch dann noch nicht anzunehmen, wenn die Entscheidung des Richters als „schikanöse Schandtat“ eines „ekelig parteiischen Amtsrichters“ bezeichnet wird.
    1. In die im Rahmen des § 193 StGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 GG gebotene Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit und des Rechts der persönlichen Ehre sind die konkreten Umstände des Einzelfalls einzustellen. Dabei ist einerseits vor allem der Gesichtspunkt der „Machtkritik“ als besonderer Ausfluss der Meinungsäußerungsfreiheit von Bedeutung. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass kein nachvollziehbarer Anlass für die außerordentlich ehrverletzenden Äußerungen bestanden hat, es sich nicht um spontane Entgleisungen im Meinungskampf, sondern um eine schriftlich fixierte und deshalb mit größerem Bedacht erstellte Eingabe handelte und der Angeklagte sich nach seinem Bildungsstand auch ohne weiteres anders hätte verhalten können, um sein Anliegen zu verfolgen.