Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder zwei Entscheidungen zu „manipulierten“ Unfällen/Beschädigungen – „get……“ darf ich ja nicht mehr schreiben 🙂 . In beiden Entscheidungen geht es letztlich darum, wie und das nachgewiesen werden kann, dass es sich nicht um tatsächliche Schadensgeschehen handelt.
Ich beginne mit dem OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.12.2020 – 5 U 8/20. Der Kläger – „ein frühpensionierter Polizeibeamter“ nimmt die beklagte Versicherungauf Entschädigung wegen Vandalismus aus einer Fahrzeugversicherung in Anspruch. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Geltend gemacht werden rund 10.000 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen. Ihr fehle es schon am ausreichenden Nachweis eines Versicherungsfalles; denn es lasse sich insoweit schon nicht feststellen, dass die streitgegenständlichen Schäden von ihrer Art und ihrem Erscheinungsbild als bedingungsgemäßer Vandalismusschaden zu werten seien, weil sie augenscheinlich darauf angelegt seien, mit einem relativ geringen Beschädigungsaufwand einen kalkulatorisch hohen Reparaturaufwand zu verursachen. Der Versicherer brauche auch dann nicht zu zahlen, wenn es ihm gelinge, konkrete Tatsachen nachzuweisen, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen; auch diesbezüglich stünden mehrere Tatsachen fest, nachdem der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach vergleichbare Schäden geltend gemacht und abgerechnet habe.
Dagegen dann die Berufung des Klägers zum OLG, das die Berufung zurückgewiesen hat. Das OLG wertet folgende Indizien gegen den vom Kläger behaupteten Vandalismusschaden:
„3. Hiervon ausgehend, kann vorliegend offen bleiben, ob die vom Kläger behaupteten Beschädigungen an seinem Fahrzeug, die diesem zwischen dem 15. Dezember 2017 und dem 3. Januar 2018 in Gestalt von zahlreichen tiefen Kratzern in unterschiedlicher Form, Aussehen und Richtung mit einem offensichtlich spitzen bzw. scharfkantigen Gegenstand zugefügt worden sein sollen, überhaupt einen „Unfall“ oder eine „mutwillige Beschädigung“ des „versicherten Fahrzeuges“ und damit ein über den vorliegenden Vertrag versichertes entschädigungspflichtiges Ereignis darstellen. Der Senat folgt dem Landgericht nämlich in seiner weiteren Einschätzung, dass dieser zur Begründung eines Versicherungsfalles angeführte Zustand des versicherten Fahrzeugs durch den Kläger oder eine von diesem beauftragte Person bewusst und gewollt herbeigeführt wurde, weil zahlreiche konkrete – unstreitige oder bewiesene – (Indiz-)Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit diesen Schluss mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit rechtfertigen. Über die in dem angefochtenen Urteil bereits erwähnten Umstände hinaus (LGU, Seite 7) liegen auch noch zahlreiche weitere Auffälligkeiten vor, die sich schon aus den Akten ergeben, auf die auch die Beklagte zuletzt ausdrücklich verwiesen hat, und die bei der gebotenen Gesamtschau die Überzeugungsbildung rechtfertigen, dass eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger oder von ihm beauftragter Personen mit hinreichender Sicherheit feststeht:
a) Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht ausführt, ist insoweit schon auffällig, dass der Kläger in der Vergangenheit bereits wiederholt vergleichbare angebliche „Vandalismusschäden“ an verschiedenen Fahrzeugen bei unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften geltend gemacht und abgerechnet hat. ……
b) Hinzu kommen in allen hier bekannten Schadensfällen weitere Auffälligkeiten hinsichtlich der Fahrzeuge und ihrer Beschädigungen. Sämtliche (angeblichen) Versicherungsfälle betreffen ältere deutsche Markenfabrikate mit dementsprechend hohen Wiederbeschaffungswerten, die selbst kostenträchtige Reparaturen immer noch wirtschaftlich erscheinen lassen. Die geltend gemachten Schäden sind nach Darstellung des Klägers jeweils ausnahmslos großflächig und, wie die beanspruchten Beträge zeigen, sämtlich geeignet, im Falle ihrer fachgerechten Reparatur – die hier jeweils nicht durchgeführt wurde – sehr hohe Kosten für den Schadensversicherer zu generieren. …..
c) Darüber hinaus weisen alle hier bekannt gewordenen Schadensfälle in geradezu ungewöhnlicher Weise auffällige Gemeinsamkeiten auf, die das Geschehen sprichwörtlich „verdächtig“ machen. So ist jedes Mal unklar geblieben, wann und wo genau die Beschädigungen an dem jeweiligen Fahrzeug durch Dritte verursacht worden sein sollen. ….
d) Darauf deuten auch die wechselnden und widersprüchlichen Angaben des Klägers zum (mutmaßlichen) Verursacher des Schadens hin. ….
e) Beachtlich sind des Weiteren die bis zuletzt verbleibenden Zweifel an der Herkunft und dem Zustand des versicherten Fahrzeuges, die die Beklagte auch schon dazu veranlasst haben, die Identität des von ihrem Gutachter in Augenschein genommenen beschädigten Fahrzeugs in Frage zu stellen.
f) Letztlich geben auch die aus den Prozessakten ersichtlichen Erkenntnisse zu früheren (Ermittlungs-)verfahren betreffend den Kläger und seine Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen dem Senat Anlass, der Einschätzung des Landgerichts zu folgen und sich mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon zu überzeugen, dass insbesondere der hier geltend gemachte Versicherungsfall von ihm selbst bzw. in seinem Auftrag herbeigeführt worden ist…..
g) Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Umstände und Auffälligkeiten des vorliegenden Falles, die zwar jeweils für sich möglicherweise noch zu erklären wären, in der Gesamtschau aber ein eindeutiges, in der Sache überaus fragwürdiges Bild ergeben, sieht es der Senat als erwiesen (§ 286 ZPO) an, dass der geltend gemachte Versicherungsfall, mag man ihn als „Unfall“ oder als „mutwillige Beschädigung“ ansehen, vom Kläger selbst herbeigeführt wurde; jedenfalls aus diesem Grunde ist die Beklagte nicht zur Leistung verpflichtet (§ 81 Abs. 1 VVG; C.1.10 AKB), wie schon das Landgericht in dem angefochtenen Urteil mit knapper, der Sache nach aber vollkommen zutreffender Begründung angenommen hat. …..“