Ich habe ja schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die technische Entwicklung immer wieder auch zu neuen Rechtsproblemen führt, und zwar auch im Straf(verfahrens)recht. Ein schönes Beispiel dafür ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.05.2015 – III-2 RVs 36/15, in dem es um den Besitz von Kinderpornografie geht. Das AG hatte den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt, das LG hat die Berufung zurückgewiesen, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:
„Nach den getroffenen Feststellungen wurden am 1. Dezember 2011 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten dessen PC der Marke „bluechip IP-Star“ und vier externe Festplatten (Trekstore Datastation) sichergestellt.
Auf diesen Datenträgern befanden sich als Vorschaubilder (sog. Thumbnails) insgesamt 954 kinderpornographische Bilddateien, wobei dieselbe Reihe von 234 Vorschaubildern jeweils auf dem PC und drei externen Festplatten gespeichert war. Zu diesen 936 Vorschaubildern kamen in gesonderten Dateiordnern acht und zehn Vorschaubilder hinzu. Ferner waren auf einer externen Festplatte zwei Videodateien gespeichert, zu denen das Landgericht festgestellt hat, dass sie „die Durchführung von Oralverkehr zwischen zwei Jungen zeigen.“
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Angeklagte den Besitz an sämtlichen vorgenannten Bilddateien zuvor verschafft und ihn danach bewusst und gewollt beibehalten habe. Das OLG hebt auf. Ihm reichen die Feststelleungen zur subjektiven Tatseite nicht:
„2. Durch die Beweiswürdigung wird indes nicht belegt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst war, dass die Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf seinem PC und den externen Festplatten gespeichert waren.
Durch Internetrecherche ist leicht feststellbar und damit allgemeinkundig (vgl. KG Kommunikation & Recht 2009, 807, 808), dass die Vorschaubilder von dem hier verwendeten Betriebssystem Windows XP in der Standardeinstellung automatisch erzeugt werden, wenn gespeicherte Bilddateien erstmals in der Miniaturansicht aufgerufen werden. In den betreffenden Ordnern wird dazu jeweils die Datei thumbs.db generiert. Hierbei handelt es sich um versteckte Systemdateien, die in der Standardeinstellung nicht im Windows-Explorer angezeigt werden. Werden die originären Bilddateien (jpeg-Format) gelöscht, bleibt die Datei thumbs.db, in der die Vorschaubilder gespeichert sind, in dem jeweiligen Ordner gleichwohl erhalten.
Die Kenntnis dieser computertechnischen Abläufe setzt ein weit überdurchschnittliches Computerwissen voraus. Das angefochtene Urteil enthält keine Darlegungen, die eine entsprechende Kenntnis des Angeklagten und damit den erforderlichen Besitzwillen belegen. Bei der Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, dass die automatisch erzeugten Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf den sichergestellten Datenträgern gespeichert waren.“
Allerdings: Ganz „aus dem Schneider“ ist der Angeklagte damit nicht:
„Allerdings legt das Vorhandensein der Vorschaubilder, die eine Miniaturansicht der kinderpornografischen Darstellungen enthalten, die Schlussfolgerung nahe, dass sich der Angeklagte zuvor die zugehörigen Bilddateien (jpeg-Format) durch Herunterladen und Abspeichern in den betreffenden Ordnern verschafft hatte. Denn dort können die Dateien mit der Bezeichnung thumbs.db nur durch einen Zugriff auf die originären (später gelöschten) Bilddateien generiert worden sein (vgl. OLG Köln NStZ 2011, 476).
Der Strafbefehlsantrag, durch den vorliegend die öffentliche Klage erhoben worden ist (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), umfasst auch den Vorwurf, dass sich der Angeklagte „sämtliche Bilddateien“ – dies bezieht die ursprünglichen Bilddateien (jpeg-Format) ein – zuvor über das Internet verschafft hatte.
Unter diesem Gesichtspunkt kann das angefochtene Urteil jedoch nicht aufrechterhalten bleiben, weil das Landgericht nicht festgestellt hat, zu welchem Zeitpunkt die sog. Thumbnails erzeugt worden sind. Der Eintritt von Verfolgungsverjährung kann daher nicht ausgeschlossen werden.“