Schlagwort-Archive: Verwaltungsprozess

Kostenerstattung aus einer Vergütungsvereinbarung?, oder: Erstattung nur der gesetzlichen VwGO-Gebühren

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann der OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.10.2023 – 4 OA 39/23 – zur Erstattungsfähigkeit von aufgrund einer Vergütungsvereinbarung mit dem Rechtsanwalt anfallenden Kosten.

Der Kläger wollle im Kostenfestsetzungsverfahren erstreiten, dass ihm vom Beklagten über die für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen hinaus weitere Kosten erstattet werden, die auf einer Vergütungsvereinbarung beruhen. Damit hatte er beim OVG keinen Erfolg:

„Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. März 2023 die Festsetzung von weiteren dem Kläger vom Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht abgelehnt. Mit dem vorangegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2022 sind zugunsten des Klägers bereits (neben Aufwendungen für die Vorlage eines Privatgutachtens) für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsprozess die in Höhe der gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen entstandenen Kosten festgesetzt worden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass darüber hinaus weitere, auf einer Vergütungsvereinbarung beruhende Kosten als erstattungsfähig festgesetzt werden. Denn auf der Grundlage von § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind stets nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die dort zitierte Rechtsprechung und Kommentarliteratur (vgl. nur: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.1.2023 – OVG 6 K 81/22 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Das Beschwerdevorbringen des Klägers führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage.

Ohne Erfolg macht der Kläger mit der Beschwerde geltend, dass nach dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO anders als nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die erstattungsfähigen Kosten nicht ausdrücklich auf die „gesetzlichen“ Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts beschränkt sind. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die fehlende Verwendung des Wortes „gesetzlich” vor den Worten „Gebühren und Auslagen” in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO davon motiviert war, für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine von der gesetzlichen Vergütung abweichende höhere Honorarvereinbarung erstattungsfähig zu machen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die sprachliche Fassung des jetzigen § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgt ist, weil die Hinzufügung des Wortes „gesetzlich” vor den Worten „Gebühren und Auslagen” entbehrlich und überflüssig erschien, da unter Gebühren und Auslagen ohnehin die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts zu verstehen ist. Diese Auslegung erscheint auch deshalb richtig, weil eine gegenteilige Gesetzesinterpretation zu einer Änderung des gesamten Gefüges der Kostenfestsetzung für den Rechtsanwalt führen würde, womit die Prüfung der Angemessenheit einer abweichenden höheren Honorarvereinbarung in das Kostenfestsetzungsverfahren verlagert würde. Hätte der Gesetzgeber eine so weitgehende Verschiedenheit der Kostenerstattung für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsprozess von derjenigen im Zivilprozess beabsichtigt, so hätte dies in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO klarer zum Ausdruck kommen müssen (vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschl. v. 25.10.1968 – IV B 566/68 -, NJW 1969, 709 = BeckRS 1968, 105533). Für das gegenteilige Verständnis des Klägers finden sich zudem auch in der Entstehungsgeschichte des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine Anhaltspunkte (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung zu § 159 Abs. 2 Satz 1 VwGO-E, BT-Drs. III/55, S. 48).

Auch die Ausführungen des Klägers zur Erstattungsfähigkeit der notwendigen außergerichtlichen Kosten im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO und insbesondere zu den Grundsätzen, die sich für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachten herausgebildet haben (vgl. dazu den Senatsbeschl. v. 19.1.2021 – 4 OA 203/20 -, juris), vermögen ein anderes Entscheidungsergebnis nicht begründen.

Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten neben den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtverteidigung notwendigen Aufwendungen. Der damit vorgegebene Maßstab der Notwendigkeit für die Erstattung von außergerichtlichen Kosten wird durch die Vorschrift des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Vertretung durch einen Rechtsanwalt allerdings konkretisiert. Es ist daher grundsätzlich entbehrlich, die Notwendigkeit der Zuziehung des Rechtsanwalts im Einzelfall zu prüfen; gleiches gilt auch für die Höhe der hierfür entstandenen Aufwendungen, soweit im Rahmen der Kostenerstattung die gesetzliche Rechtsanwaltsvergütung abgerechnet wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.3.2019 – 5 OA 23/19 -, juris Rn. 20 m.w.N.). Das spricht dafür, dass § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO als lex specialis einen Rückgriff auf § 162 Abs. 1 VwGO hinsichtlich von über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinausgehenden Aufwendungen, die auf einer Vergütungsvereinbarung mit dem Rechtsanwalt beruhen, ausschließt (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 19.7.2013 – 3 ZB 08.2979 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Im Übrigen ergäbe sich aber auch bei einer ergänzenden Anwendung von § 162 Abs. 1 VwGO kein anderes Entscheidungsergebnis. Denn die dem Kläger über die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen hinaus entstandenen Kosten für die anwaltliche Vertretung wären dann jedenfalls nicht als notwendig für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung anzusehen.

Ob Kosten notwendig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO sind, beurteilt sich danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2021 – 4 OA 203/20 -, juris Rn. 3). Die Beteiligten im Verwaltungsprozess unterliegen somit einer Kostenminimierungspflicht (vgl.BVerwG, Beschl. v. 4.7.2017 – 9 KSt 4.17 -, juris Rn. 2; Nds. OVG, Beschl. v. 6.3.2019 – 5 OA 23/19 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Wählt ein Beteiligter diesen Weg nicht, so wirkt er bei der Entstehung der darüber hinaus entstehenden Kosten mit und muss sie selbst tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.11.1984 – 2 BvL 16/83 -, juris Rn. 39). Aufgrund dessen können über die gesetzlichen Gebühren und Auslagen hinaus weitere Aufwendungen für die Beauftragung eines Rechtsanwalts allenfalls dann als notwendig angesehen werden, wenn in Fällen, die besonders umfangreich oder schwierig sind oder spezielle Rechtskenntnisse verlangen, insbesondere bei einem geringen Streitwert die Gefahr bestünde, dass der Beteiligte ohne Abschluss einer Honorarvereinbarung keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt fände (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl. v. 19.7.2013 – 3 ZB 08.2979 -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Für einen solchen Ausnahmefall ist hier aber nichts ersichtlich. Dem Vorbringen des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass es ihm aufgrund der Komplexität der naturschutzrechtlichen Angelegenheit trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden, der bereit gewesen wäre, auf der Grundlage der gesetzlich vorgesehenen Vergütung das Mandat zu übernehmen.“