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„Die Wahl des Verteidigers als tatbestandsbegründendes Moment“ oder: Die objektivste Behörde der Welt

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Unter der Überschrift „Wieder einmal: Die Wahl des Verteidigers als tatbestandsbegründendes Moment. “ hat der Kollege M.Wandt aus Iserlohn am vergangenen Freitag in der FB-Gruppe „Fachanwälte für Strafverteidiger“ zu einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart in einem Strafbefehlsverfahren gepostet. Dem Mandanten des Kollegen wird ein Verstoß gegen § 21 StVG – Fahren ohne Fahrerlaubnis – vorgeworfen. Der Mandant verfügt über einen polnischen Führerschein, der der StA bisher aber nicht vorliegt. Der Mandant bestreitet, gefahren zu sein. Es geht also auch um die Identifizierung des Mandanten anhand eines (schlechten) Beweisfotos.

So weit, so gut. Bis dahin nichts Besonderes. Aber ein „Geschmäckle“ und „besonders“ wird die Sache dann durch das Anschreiben der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 16.05.2017 zum Strafbefehlsantrag. Die Staatsanwaltschaft hat sich durch einen ihrer Amtsanwälte geäußert. Da heißt es in dem Schreiben

„Da der Angeschuldigte von Rechtsanwalt Wandt vertreten wird, der bekanntlich fast ausschließlich Mandanten vertritt und berät, die über den so genannten Führerscheintourismus Fahrerlaubnisse in Osteuropäischen EU-Staaten erwerben, liegt der Verdacht nahe, dass auch der Angeschuldigte im Besitz eines solchen Führerscheins ist.

Es wird deshalb angeregt im Falle der Vorlage eines EU-Führerscheins im Wege der Rechtshilfe ermitteln zu lassen, ob sich der Angeschuldigte an der aus dem Führerschein hervorgehenden Anschrift mindestens 185 Tage dauerhaft aufgehalten hat. Da der Angeschuldigte selbständig ist, soweit bekannt durchgehend in Deutschland gemeldet war und der polnischen Sprache nicht mächtig ist, erscheint ein solcher dauerhafter Aufenthalt äußerst unwahrscheinlich.“

Ja, das muss man auf sich wirken lassen. Und das muss man auch zweimal lesen, weil man es nach dem ersten Lesen nicht glauben will/kann. Da wird also die Wahl des Verteidigers herangezogen, um einen Verdacht zu begründen/zu untermauern. Ich drücke es mal vorsichtig aus – und gehe nicht auf „unfassbar“: Das ist schon „keck“, wenn die angeblich „objektivste Behörde der Welt“ so argumentiert. Das braucht der Angeschuldigte doch gar nicht erst in die Hauptverhandlung zu kommen und sich einzulassen. Denn, was die „objektivste Behörde der Welt“ von seiner potentiellen (! – man weiß ja noch nicht mal, ob/dass eine ausländische Fahrerlaubnis im Spiel) Einlassung hält, wird gleich vorab auch schon mitgeteilt: Nichts.

Ich kann dazu nur das Wort von Rainer Barzel aus den 70-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgreifen: So (m.E.) nicht. Oder: Ich habe eine andere StPO und auch ein anderes Verständnis vom Strafverfahren.

Und ich packe dann hier gleich mal einige von den schönen Kommentaren auf FB dazu:

Von mir kam:

Man stelle sich die Argumentation bitte in einer Kap.-Sache vor:
„Da der Angeschuldigte von Rechtsanwalt XY vertreten wird, der bekanntlich fast ausschließlich Mandanten vertritt und berät, denen ein Kapitaldelikt vorgeworfen wird, liegt der Verdacht nahe, dass auch der Angeschuldigte ein solches begangen hat.“

Und dann waren da noch:

„Mit der Logik kann man aus jeder Wahl des Verteidigers beim schweigenden Angeklagten ein Geständnis fingieren. Unglaublich.“

oder:

„Noch mal ganz kurz für mich zum Mitdenken: Dieses Schreiben stammt von der selbst ernannten objektivsten Behörde Deutschlands, deren Aufgabe es ist, nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu ermitteln und die von allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland verlangt, die bestehenden Gesetze zu beachten?“

und auch:

Gleich mal beantragen, die Sache zurückzugeben und beim LOStA anzuregen, den Fall auf einen Dezernenten „der neutralsten Behörde der Welt“ zu übertragen, der sich nicht von Befindlichkeiten ggü. bestimmten Verteidigern, sondern sich ausschließlich von aus den Sachakten ergebenden Verdachtsmomenten in seiner Tätigkeit leiten lässt und dem eine entsprechende Rechtstreue zuzutrauen ist.