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Urkundenfälschung: TÜV-Plakette als Urkunde

Ich hatte vor einigen Tagen ja schon über OLG Celle, Beschl. v. 25. 7. 11. 31 Ss 30/11 berichtet, und zwar zu den dort vom OLG gemachten Ausführungen zu den Grundlagen für die Bemessung der Tagessatzhöhe (Stichwort: Keine Sippenhaft). Der Beschluss des OLG ist aber auch noch wegen der angesprochenen materiellen Fragen ganz interessant:

Der Angeklagte hatte die bei seinem Lkw bereits im Oktober 2009 nach der StVZO vorge­schriebene Hauptuntersuchung nicht durchführen lassen. Um sein Fahrzeug dennoch im Straßenver­kehr nutzen zu können, brachte er am hinteren Kennzeichen eine HU-Plakette auf, die allerdings nur eine Gültigkeitsdauer bis Oktober 1993 aufwies. Diese hatte aber denselben Farbton, wie die HU-Plaketten, deren Gültigkeit erst 2011 ablief. Um den Anschein zu erwecken, dass die nächste HU erst im Oktober 2011 erforderlich sein würde, überzeichnete der Angeklagte die Zahl „93″ mit der Ziffer „11″.

Das AG hat das als Urkundenfälschung i.S. des § 267 StGB angesehen. Die inhaltlich abgeänderte HU-Plakette habe aufgrund ihrer fes­ten Verbindung zum Kfz-Kennzeichen eine zusammengesetzte Urkunde dargestellt. Dem ist das OLG unter Zugrundelegung der h.M., wonach die Prüfplakette nach § 29 StVZO eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB darstellt, gefolgt (vgl. dazu BGHSt 26, 9 = NJW 75, 176; OLG Karlsruhe DAR 02, 229). Es handelt sich dabei um ein Beweiszeichen, dessen Aussteller sich i.V.m. der entsprechenden Eintragung im Kfz-Schein bzw. der Prüfbescheinigung ergibt. In dem Zusammenhang hat das OLG darauf hingewiesen, dass seine Entscheidung in NZV 91, 318 wegen der dortigen Besonderheiten des Falles nicht entgegensteht. Im dortigen Fall hatte nämlich ein Kfz-Schein überhaupt nicht vorgelegen, weshalb die HU-Plakette nur scheinbar auf die Möglichkeit verwiesen hat, den Aussteller der Erklärung zu ermitteln. Es habe sich daher nur scheinbar um eine Ur­kunde gehandelt, hingegen nicht um eine unechte Urkunde.

Nichts bahnbrechendes Neues, aber immerhin Bestätigung der h.M.

Immer wieder: Nicht ausreichende Begründung der Verfahrensrüge

Ein verfahrensrechtlicher Dauerbrenner sind die mit der ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge zusammenhängenden Fragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dort werden immer wieder Fehler gemacht bzw. dort wird immer wieder vom BGH nicht ausreichender Vortrag moniert.

So auch in BGH, Beschl. v. 13.01.2011 – 3 StR 337/10.  Es war die Aufklärungsrüge erhoben. Der BGH dazu: Eine Aufklärungsrüge gegen die Nichteinführung von im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gewonnener Verkehrsdaten im Wege des Urkundsbeweises ist wegen unzureichender Begründung unzulässig, wenn im Rahmen der Revision nicht der Wortlaut der Urkunde mitgeteilt wird, deren Nichteinführung in den Prozess beanstandet wird. Andernfalls kann durch das Revisionsgericht nicht überprüft werden, ob die Verlesung überhaupt geeignet gewesen wäre, etwas zur Sachaufklärung beizutragen. Die Darstellung des Urkundeninhalts wird auch nicht deswegen entbehrlich, wenn hilfsweise die Vernehmung eines Zeugen zum selben Beweisthema beantragt wird, der allein Angaben zu den in der Urkunde enthaltenen Auskünften des Dienstanbieters machen soll.

Im Übrigen: Es war die Rüge der StA 😉

Live aus dem Gerichtssaal: StPO-Reform in D’dorf

unter dem Thema berichtete heute mittag ein Kollege im Forum bei Heymanns Strafrecht über seine Erfahrungen – oder besser Erlebnisse – beim LG Düsseldorf. Das Posting will ich unseren Blogleser nicht vorenthalten.

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sitze gerade in einem Umfangsverfahren und möchte nicht versäumen mitzuteilen, was ich hier gerade erlebe: § 249 scheint einen neuen Abs. 3 zu haben, den ich noch nicht gefunden habe. Hier hängen zwei riesige Beamer an der Decke, mit der auf zwei Leinwände (3 x 3 m) die Protokolle der Beschuldigtenvernehmungen im EV projeziert werden, sodass alle (auch die Zuschauer) schön mitlesen können. Die Vorsitzende liest das Protokoll (wörtlich) vor und der jeweilige Angeklagte nickt fleißig. Wir nennen es amüsiert das neue „Mitleseverfahren“ ;-)“.

Wirklich interessant. Und es stellt sich die Frage: Zulässig oder nicht? Und: Was soll es sein? Urkundenbeweis nach § 249 StPO? Wohl kaum? Protokollverlesung? Warum und nach welcher Vorschrift? Also vielleicht wirklich eine gesetzliche Neuregelung, die wir alle noch nicht entdeckt hatten?

Na, der hat uns geärgert, dem zeigen wir es…

haben sich offenbar zwei Rechtsanwälte(?)/als Arbeitgeber gedacht und einem Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Lohnsteuerkarten für zwei zurückliegende Jahre sowie diverse Unterlagen, welche die Mandanten zur Wahrnehmung von deren Interessen zur Verfügung gestellt hatten, diesen nicht wieder zurückgegeben.

Anlass für das Zurückhalten der Lohnsteuerkarten bzw. der Unterlagen war jeweils eine Verärgerung über das Verhalten des Angestellten bzw. der Mandanten. Die beiden war dafür vom LG wegen Unterschlagung verurteilt worden. Der BGH hat das im Beschl. v. 15.07.2010 – 4 StR 164/10 beanstandet und ausgeführt, dass das Zurückhalten von Mandantenunterlagen wegen einer Verärgerung über das Verhalten der Mandanten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unterschlagung erfüllt. Allein dem Unterlassen der Rückgabe lasse sich eine Zueignung nicht entnehmen, insbesondere wenn dies geschehe, um den Eigentümer beziehungsweise Gewahrsamsinhaber zu ärgern. In diesem Fall komme jedoch eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung in Betracht. Die hierfür erforderliche Nachteilszufügungsabsicht werde zwar nicht durch die Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs begründet, da insoweit „kein anderer“ benachteiligt werde, eine Strafbarkeit könne aber darin begründet liegen, dass dem Mandanten im Ermittlungsverfahren ein Nachteil zugefügt werden sollte.

Sachverhalt der Entscheidung ist leider etwas knapp, so dass man zu den Auswirkungen der Entscheidung nicht so richtig etwas sagen kann.

BGB-AT meets Strafverfahren, oder: Die vom Verteidiger selbst unterzeichnete Vollmacht, zulässig oder nicht

Der Kollege Feltus hat gestern berichtet, dass er sich in einem Verwaltungsverfahren selbst eine schriftliche Vollmacht ausgestellt hat, nachdem die Verwaltungsbehörde die Vorlage einer solchen angefordert hatte (vgl. hier den Beitrag und auch hier den des Kollegen Melchior). Im Anschluss an seinen Beitrag ist in den Kommentaren eine heiße Diskussion entbrannt, ob das zulässig ist.

M.E. ja, die Regelungen des BGB-AT stehen m.E. nicht entgegen und m.E. gilt auch für den dort einschlägigen § 14 Abs. 1. Satz 2 VerwfG nicht anderes als im Strafverfahren. Ich mache es mir einfach und zitiere zum Strafverfahren aus dem eindeutigen Beschluss des BayObLG (länger ist es also schon her) v. 07.11.2001 – 5 St RR 285/01 – (BayObLGSt 2001, 153 = VRS 101, 436 = wistra 2002, 160 =  NZV 2002, 199 = NStZ 2002, 277). Das LG hatte die Berufung der nicht erschienenen Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Nach Auffassung des LG lagen die Voraussetzungen, unter denen sich die Angeklagte durch einen Vertreter vertreten lassen konnte, nicht vor, weil der Verteidiger nur eine unterzeichnete Vollmachtsurkunde vorlegte, die er aufgrund mündlich erteilter Vollmacht der Angeklagten für diese mit seinem Namen unterzeichnet hatte. Das BayObLG führt aus:

Ist das Verfahren, wie hier, durch einen Strafbefehl eingeleitet worden, so kann sich der Angeklagte nach § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO auch in der Berufungsverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Ein solcher Vertretungsfall lag hier vor.

Daß die dem Gericht vorgelegte Vollmacht aufgrund mündlich erteilten Auftrags der Vollmachtgeberin vom Bevollmächtigten für die Angeklagte mit seinem Namen unterzeichnet worden war, ist unschädlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Vollmachtsurkunde nach mündlicher Ermächtigung durch den Angeklagten auch von einem Dritten unterzeichnet werden kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 234 Rn. 5). Dabei macht es keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied zur vorliegenden Fallgestaltung, daß bei der in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20.11.1962 (Bay 62, 282) eine Büroangestellte, mithin eine Dritte, vorliegend aber der zur Vertretung Bevollmächtigte selbst die schriftliche Vollmacht unterzeichnet hat. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, daß der Vollmachtgeber einen anderen ermächtigen kann, für ihn, den Vollmachtgeber, die Vollmachtsurkunde zu unterzeichnen, und daß eine derartige Ermächtigung, die grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf (§ 167 BGB), auch mündlich erteilt werden kann.

Es schadet auch nicht, daß Assessor Jürgen Z. die Vollmachtsurkunde nicht mit dem Namen der Angeklagten, sondern mit seinem Namen für die Angeklagte unterzeichnet hat; denn die von ihm gewählte Unterzeichnung „Für Tania Z.: Jürgen Z.“ läßt zweifelsfrei erkennen, daß der Unterzeichner aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung der Angeklagten für diese nicht als bloßes Werkzeug, sondern als Vertreter im Willen handelte.

Bedenken dahingehend, daß bei einer Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde durch die mit der Verteidigung zu beauftragende Person diese sich im Wege eines Insichgeschäfts die Verteidigervollmacht selbst erteilt, greifen nicht durch. Zutreffend weist die Revision insoweit darauf hin, daß zwischen der Erteilung der Vollmacht und der hierüber zu erstellenden Vollmachtsurkunde zu unterscheiden ist. Der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, die das Gesetz in den §§ 234, 411 Abs. 2 Satz 1 StPO verlangt, kommt nur eine Nachweisfunktion gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, zu. Dieser Nachweis ist im Fall des § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 StPO gegenüber dem für die Entscheidung zuständigen Berufungsgericht zu erbringen. Dagegen ist die Erteilung der Vollmacht selbst, wie allgemein nach § 167 BGB, formfrei. Dies gilt grundsätzlich auch für die Beauftragung des Wahlverteidigers (Kleinknecht/Meyer-Goßner Vor § 137 Rn. 9), wobei im vorliegenden Fall noch hinzukommt, daß Assessor Z bereits durch Beschluß des Amtsgerichts Landsberg a. Lech vom 1.10.1999 gemäß § 138 Abs. 2 StPO mit Genehmigung des Gerichts, die sich auf das ganze Verfahren erstreckt (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 Rn. 14), zum Verteidiger der Angeklagten bestellt worden war.

Wie die Verteidigerbestellung selbst, ist auch die davon zu trennende Ermächtigung zur Ausstellung der schriftlichen Vollmacht des § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO für den urkundlichen Nachweis der Vertretungsvollmacht formfrei. Sie konnte daher, wie geschehen, Assessor Z. auch mündlich erteilt werden.“

M.E kann man es deutlicher (und schöner) nicht schreiben: Das Unterzeichnen der schriftlichen Vollmacht durch den bereits Bevollmächtigten ist zulässig.