Ich hatte ja gestern bereits den OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.10.2016 – 1 Ws 555/16 – vorgestellt, und zwar wegen der dort angesprochenen materiellen Frage zur „Halbstrafe“ (vgl. Erfolgswahrscheinlichkeit reicht für Halbstrafe; oder: Nichts Neues, aber schön, es mal wieder zu lesen). Auf den Beschluss komme ich hier jetzt noch einmal zurück. Er enthält nämlich Ausführungen des OLG zu einer Zustellungfrage, die m.E. eines Hinweises wert sind. Sie beweisen nämlich einmal mehr, dass man mit Zustellungsfragen verteidigen kann bzw. die Frage der Wirksamkeit der Zustellung immer im Auge behalten muss. Vor allem, wenn ein Rechtsmittel verfristet ist.
Zum Sachverhalt: Der Ablehnungsbeschluss der StVK ist am 20.06.2016 ergangen. Nach der richterlichen Verfügung vom 20.06.2016 sollte die Zustellung der Entscheidung an den rumänischen Verurteilten mit einer Übersetzung in die rumänische Sprache erfolgen. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist dem Verurteilten der Beschluss am 07.07.2016 ausgehändigt worden, ohne dass sich daraus die Beifügung einer Übersetzung ergibt. Mit am 15.07.2016 bei der StVK eingegangenem Schreiben hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt und angemerkt, den Inhalt der Entscheidung wegen mangelnder Deutschkenntnisse nur mit Hilfe eines anderen Strafgefangenen erfasst haben zu können.
Das OLG gewährt von Amts wegen „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ (§ 44 StPO). Begründung:
„Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, da diesem auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Zwar hat der Verurteilte keine Frist versäumt, da dies begrifflich dann nicht in Betracht kommt, wenn eine nur innerhalb einer bestimmten Frist mit einem Rechtsbehelf anfechtbare Entscheidung dem Betroffenen – wie hier – nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Denn dann fehlt es bereits an dem den Fristenlauf auslösenden Ereignis. Jedoch sind in diesem Falle die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend anzuwenden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 44 Rn. 2; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 44 Rn. 6 und 22).
Vorliegend war die Zustellung nicht wirksam. Nach § 36 StPO ordnet der Vorsitzende die Art und Weise der Zustellung an, die die Geschäftsstelle entsprechend ausführt. Eine in Abweichung hiervon erfolgte Zustellung ist unwirksam. Dies gilt beispielsweise bei einer Zustellung an den Angeklagten statt an den Verteidiger oder bei einer Zustellung mit Empfangsbekenntnis statt mit Zustellungsurkunde (vgl. LR- Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 36 Rn. 37; HK-Pollähne, StPO, 5. Aufl., § 36 Rn. 7; KMR-Ziegler, § 36 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 36 Rn. 8; jeweils m.w.N.).
So liegt der Fall auch hier. Die Richterin hatte die Zustellung an den Verurteilten mit einer vorab einzuholenden Übersetzung in die rumänische Sprache angeordnet. Damit sollte ersichtlich die Rechtsmittelfrist erst in Lauf gesetzt werden, wenn der Verurteilte zuverlässig vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis erlangen konnte. Ausweislich der in der Akte befindlichen Zustellungsurkunde, für die auch insoweit die Vermutung der Vollständigkeit streitet, ist dem Verurteilten am 7. Juli 2016 jedoch allein der angefochtene Beschluss ohne Übersetzung ausgehändigt worden. Dies hat angesichts der abweichend von der maßgeblichen richterlichen Anordnung erfolgten Zustellung deren Unwirksamkeit zur Folge.“
Wie gesagt: Solche Fragen muss man im Auge haben……