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Gebrauchtwagenkauf, oder: Wenn der private PKW-Verkäufer dem Händler falsche Zusicherungen macht

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By Greg Gjerdingen from Willmar, USA – 12 Nissan Juke SV AWD, CC BY 2.0,

Und dann heute noch eine Entscheidung aus dem (Pkw)Kaufrecht. Es ist dann auch noch einmal das OLG Hamm, das im OLG Hamm, Urt. v. 16.05.2017 – 28 U 101/16 – zu den Rücktrittsvoraussetzungen beim Verkauf eines verunfallten Fahrzeugs Stellung genommen hat.

Grundlage war folgender Sachverhalt: Die Klägerin betreibt einen Kraftfahrzeughandel. Sie hat von der Beklagten, einer Privatperson, für 10.660 € ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Nissan Juke erworben. In dem schriftlichen Kaufvertrag vereinbarten die Parteien, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und keine Nachlackierung habe. Der Klägerin war bekannt, dass die Beklagte nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war. Zudem hatte die Klägerin vor Vertragsschluss Gelegenheit, das Fahrzeug in ihrer Werkstatt auf Vorschäden und sonstige Mängel zu untersuchen. Nach Abwicklung des Kaufvertrages erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag mit der Begründung, bei dem verkauften Nissan Juke handele sich um einen Unfallwagen, der zudem nachlackiert worden sei. Sie verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr auf die Berufung hin – nach Durchfürhung einer Beweisaufnahme – stattgegeben. Das OLG meint u.a.

c) Das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit und ist deshalb mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa) Welche Beschaffenheit der Kaufsache die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der am 16.02.2015 bei Abholung des Fahrzeugs unterzeichneten Kaufvertragsurkunde. Danach sollte das Fahrzeug unfallfrei sein und keine Nachlackierungen haben; angegeben war eine Beschädigung an der Tür vorn links in Form eines winzigen, kaum bemerkbaren Kratzers.

Entgegen der Einschätzung des Landgerichts ist diese einvernehmliche Fahrzeugbeschreibung zwar nicht als Garantie im Sinne des § 444 BGB auszulegen – diese vom Landgericht in den Vordergrund gestellte Überlegung erscheint fernliegend -, jedoch als „einfache“ Beschaffenheitsvereinbarung i.S. des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.

Enthält ein Kaufvertrag die uneingeschränkte Angabe, das verkaufte Fahrzeug sei unfallfrei, bringen die Parteien damit zum Ausdruck, dass sie einverständlich davon ausgehen, das Fahrzeug habe bis dahin keinen Unfallschaden erlitten, der über eine bloße Bagatellbeschädigung hinausgegangen ist. Mit der Angabe fehlender Nachlackierungen legen sie das Vorhandensein der Originallackierung als geschuldete Fahrzeugbeschaffenheit fest.

Im konkreten Fall ist nichts anderes anzunehmen.

Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass die klagende Käuferin Autohändlerin und die beklagte Verkäuferin Privatperson ist, dass die Beklagte – der Klägerin bekannt – nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war und die Klägerin vor Unterzeichnung des Kaufvertrags vom 16.02.2015 die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug auf (Unfall-)Vorschäden, Nachlackierungen und sonstige Mängel zu untersuchen.

Die Aufnahme der Angaben zur Unfallfreiheit wie zu den fehlenden Nachlackierungen in den Vertrag belegt, dass u.a. diese Punkte für die Kaufentscheidung der Käuferin wichtig waren, sie also ansonsten den Vertrag nicht zu dem Preis bzw. zu diesen Konditionen abgeschlossen hätte. Das Interesse der Käuferin an der Unfall- und sonstigen Schadensfreiheit bestand – für die Gegenseite ersichtlich – im Hinblick auf die gesamte Lebenszeit des Fahrzeugs und nicht nur beschränkt auf die Besitzzeit der Verkäuferin. Und es bestand erkennbar auch unabhängig davon, ob bzw. inwieweit die private Verkäuferin in der Lage war, die Unfall- / Nachlackierungsfreiheit aus eigener Kenntnis zu beurteilen oder z.B. durch Nachfragen beim Vorbesitzer oder eigene Fahrzeuguntersuchungen in Erfahrung zu bringen.

Dass die Klägerin Wert darauf legte, vor Unterzeichnung des schriftlichen Kaufvertrags das Fahrzeug selbst zu untersuchen, bedeutete nicht, dass sie damit das Risiko übernehmen wollte, dass das Fahrzeug nicht den vorbezeichneten Angaben entsprach. Vielmehr ergab sich nicht zuletzt aus der zum Vertragsgegenstand erhobenen Email vom 11.02.2015 deutlich, dass die Klägerin diese Untersuchung nur im eigenen Interesse zur Vermeidung späterer Streitereien vornehmen wollte, aber nicht, um dadurch die Beklagte zu entlasten bzw. aus der Gewähr zu entlassen.

Die Beklagte brachte ihrerseits durch die Vertragsunterzeichnung zum Ausdruck, dass sie mit der Käufererwartung der Unfall-/Nachlackierungsfreiheit konform ging, also die betreffenden Beschaffenheitsmerkmale als maßgeblich für den Vertragsschluss akzeptierte. Eine Einschränkung dahin, dass sie hierfür nicht einstehen wollte, soweit es um Geschehnisse aus der Zeit vor ihrem Fahrzeugbesitz geht, findet sich im Vertrag nicht.

Die Beklagte wendet auch ohne Erfolg ein, dass die Eingabemaske von *Internetadresse* nicht vorsehe, die entsprechenden Angaben als bloße Wissensmitteilungen zu formulieren. Abgesehen davon, dass individuelle Angaben doch möglich waren – wie der Hinweis auf die Beschädigung in Form eines Kratzers belegt, – hätte die Einschränkung jedenfalls im schriftlichen Vertrag erfolgen können, was aber nicht geschehen ist.

bb) Wie die Beweisaufnahme des Senats ergeben hat, war das verkaufte Fahrzeug bei Übergabe nicht unfall- und nachlackierungsfrei…..“

Alles in allem: „Gebrauchtwagenkauf verkehrt“, denn normalerweise geht es beim Gebrauchtwagenkauf ja meist um falsche Zusicherungen des Händlers.

Entwarnung für den Erben – kein Verschuldensübergang…

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Mein samstäglicher „Kessel Buntes“ ist für mich persönlich immer auch eine zivil-/verwaltungsrechtliche Fortbildung, weil ich beim Vorbereiten der Postings und dem dafür erforderlichen Lesen der Entscheidungen nämlich häufig denke: Ach ja, da war doch was, stimmt. Und so ist es mir mal wieder mit dem OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2014 – 5 U 408/14 – ergangen. Es geht in ihm um die Frage, ob der zur Rücknahme eines Fahrzeugs verpflichtete Verkäufer eines geerbten Pkw dem Käufer außerdem Schadensersatz schuldet für die – nicht gegebene – Unfallfreiheit.

Nach dem Sachverhalt der Entscheidung hatte der Kläger vom Beklagten auf eine Internet-Anzeige hin am 07.06.2013 einen gebrauchten Pkw Audi A3 zum Preis von 8.000 € gekauft. Das Fahrzeug stammte aus dem Nachlass des kurz zuvor verstorbenen Vaters des Beklagten und gehörte einer innerfamiliären Erbengemeinschaft. Die Sachmängelhaftung wurde gemäß der schriftlichen Vertragsvereinbarung, die die Parteien trafen, außer für Fälle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit ausgeschlossen. In der Vertragsurkunde „garantierte“ der Beklagte, dass das Auto „in der Zeit, in der es sein Eigentum war, keinen Unfallschaden und keine sonstigen Beschädigungen“ erlitten habe, und „erklärte“, auch „in der übrigen Zeit“ sei das, „soweit ihm bekannt“ so gewesen. In diesem Sinne äußerte er sich seiner Darstellung nach auch mündlich gegenüber dem Kläger. Nach den Erkenntnissen eines vom Kläger herangezogenen Privatgutachters wies der Pkw dann aber rechtsseitig großflächige Kollisionsspuren auf, die unsachgemäß repariert worden seien. Darauf gestützt hat der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags geltend gemacht und Schadensersatz verlangt – und hat beim OLG Koblenz Schiffbruch erlitten:

a) Das Landgericht hat zutreffend herausgestellt, dass die vom Kläger reklamierten Schadensersatzansprüche grundsätzlich ein Verschulden des Beklagten im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache voraussetzen (§ 280 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen hat es mit der Erwägung verneint, der Beklagte habe weder aus Berichten seines Vaters noch aus irgendwelchen Unterlagen Hinweise auf Verkehrsunfallereignisse gehabt. Die dahingehende Würdigung begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Allerdings liegt die Darlegungs- und Beweislast in der Verschuldensfrage beim Beklagten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Aber dabei ist ein Negativum im Streit, nämlich die nicht vorwerfbare Unkenntnis des Beklagten von Umständen, die ihn hätten argwöhnisch machen müssen. Insofern trifft den Kläger, ausgehend von dem Vortrag des Beklagten, keine Anhaltspunkte gehabt zu haben, eine sekundäre Behauptungslast (Substantiierungslast) dahin, dass es bestimmte Verdachtsmomente gab. Dazu ist nichts Konkretes mitgeteilt. Von daher ist die Rechtsverteidigung des Beklagten nicht entkräftet (§ 138 Abs. 3 ZPO, vgl. BGH NJW 1987, 1201).

Welches Wissen der Vaters des Beklagten hatte, ist unerheblich. Dessen Kenntnisse sind dem Beklagten nicht zurechenbar. Die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 1922 BGB betrifft den Übergang von Verbindlichkeiten, leitet aber kein Verschulden über.“