Schon etwas älter ist das LG Hamburg, Urt. v. 10.08.2018 – 323 O 79/18, über das der Kollege Gratz ja auch schon berichtet hat. Es geht um einen „Fahrradunfall“. Der Beklagte hatte mit seinem Fahrrad die Fahrbahn einer Straße, obwohl in dem befahrenen Bereich die Benutzung des Radwegs durch Zeichen 237 angeordnet war. Am Straßenrand waren parallel zur Fahrbahn Fahrzeuge abgestellt. Der Beklagte stürzte während der Fahrt von seinem Fahrrad. Dieses stiße gegen den geparkten Pkw des Klägers und beschädigte diesen. Der Beklagte hatte als für seinen Sturz angeführt, dass ihn ein Lkw beim Überholen abgedrängt habe, so dass er ohne Verschulden die Kontrolle über sein Rad verloren habe. Das LG hat das nicht gelten lassen:
„1.) Der Beklagte ist dem Kläger nach § 823 I BGB i.V.m. § 249 II 1 BGB zum Schadenersatz verpflichtet.
Dabei bedarf es keiner Aufklärung der näheren Umstände des in Rede stehenden Verkehrsunfalls, denn die vom Beklagten behauptete Hergangsschilderung entlastet ihn nicht.
Indem der Beklagte mit seinem Fahrrad die Fahrbahn der B. Straße benutzt hat, obwohl durch das Verkehrszeichen 237 (Anlage 2 zu § 35 a StVO) eine Radwegbenutzungspflicht angeordnet war, hat er gegen die Vorschrift des § 2 IV 2 StVO verstoßen. Der Verweis auf einen schlechten Zustand des Radweges im fraglichen Bereich bleibt ohne Erfolg. Das im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingesehene und erörterte Foto auf Bl. 12 oben der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg bildet den Radweg im Bereich der Unfallstelle sowie davor und dahinter ab (der silberne Pkw des Klägers ist links neben dem Baum zu erkennen) und zeigt letzteren in einem tadellosen und frei befahren Zustand. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten sind weder Zweige noch Geäst, sondern allenfalls vereinzelte Laubblätter zu erkennen.
Dieser schuldhafte Verkehrsverstoß des Beklagten hat sich vorliegend ausgewirkt, denn wenn er nicht auf der Fahrbahn, sondern auf dem davon räumlich deutlich getrennten Radweg gefahren wäre, wäre er nicht – wie von ihm behauptet – von dem Lkw touchiert und abgedrängt worden.
Die Rechtsansicht des Beklagten, der Schutzbereich der Norm des § 2 IV 2 StVO sei vorliegend nicht tangiert, überzeugt nicht. Die betreffende Vorschrift dient allgemein der Entmischung des Rad- und des Kraftfahrzeugverkehrs (OLG Hamm, NZV 1995, 26, 27), um Unfälle zu vermeiden. Dabei ergibt sich bei einer gemeinsamen Nutzung der Fahrbahn einer Straße durch Rad- und Kraftfahrer vor allem bei Überholmanövern ein besonderes Gefahrenpotential, das durch die räumliche Trennung beider Verkehrsarten beseitigt bzw. zumindest deutlich reduziert werden soll. Das ist zweifelsohne auch der Hintergrund der vorliegenden Anordnung der Radwegbenutzungspflicht, weil Pkw- und Lkw-Fahrer angesichts der konkreten Ausgestaltung der B. Straße im fraglichen Bereich (vgl. dazu die Fotos auf Bl. 7 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg) nur wenig Platz auf dem eigenen Fahrstreifen haben, um Radfahrer zu passieren, die ebenfalls die Fahrbahn benutzen. Bei dadurch bedingten Kollisionen wird zum einen der Gegenverkehr gefährdet, zum anderen aber insbesondere auch der ruhende Verkehr in Gestalt der in erlaubter Weise am Fahrbahnrand geparkten Fahrzeuge. Diese Verkehrsteilnehmer sind damit ebenfalls in den Schutzbereich der Vorschrift des § 2 IV 2 StVO einbezogen.
Bei dieser Sachlage ist der Beklagte dem Grunde nach vollen Umfangs für die dem Kläger unfallbedingt entstandenen Schäden einstandspflichtig. Eine Betriebsgefahr ist von dem Fahrzeug des Klägers im Zeitpunkte des Unfalls nicht ausgegangen, da dieses ordnungsgemäß im dafür vorgesehenen Parkstreifen abgestellt war, ohne den Verkehrsraum einzuengen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen.“