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Konkludenter Wiedereinsetzungsantrag, oder: Geht das? – Ja, das geht….

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Die zweite Entscheidung im heutigen „Kessel Buntes“ hat dann auch eine Wiedereinsetzungsproblematik zum Gegenstand. Ergangen ist der BGH, Beschl. v. 12.06.2019 – XII ZB 432/18 – in einem Verfahren, das u.a. eine Teilungsversteigerung zum Gegenstand hat. Die betreibt die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller – ihren geschiedenen Ehemann. Es geht um ein gemeinschaftliches Hofgut. Das AG hat dessen Teilungsversteigerung auf Antrag des Antragstellers für unzulässig erklärt. Gegen den ihr am 25.1.2018 zugestellten Beschluss des AG hat die Antragsgegnerin dann am 21.2.2018 Beschwerde eingelegt. Das OLG hat die Frist zur Begründung der Beschwerde antragsgemäß bis zum 20.4.2018 verlängert. Mit Schriftsatz vom 16.4.2018 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin eine weitere Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Mit Verfügung vom 11.5.2018 hat das OLG die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebegründungsfrist mangels Zustimmung des Antragstellers nicht nochmals verlängert werden könne und deshalb versäumt sei. Mit einem am 29.5.2019 eingegangenen Schriftsatz hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Beschwerde begründet und in diesem Schriftsatz einleitend das Folgende ausgeführt:

„1. Zur ‚Fristversäumnis‘

 Es wird ausdrücklich nochmals mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin an MS leidet. Es bestand der Verdacht auf einen MS Schub, weshalb im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung durch amtsärztliches Attest empfohlen wurde eine Reha Maßnahme, und zwar unverzüglich für vier Wochen, durchzuführen.

Diese Reha Maßnahme endete am 10.05.2018, sodass eine Besprechung mit der Antragsgegnerin aufgrund der Feiertage erst am heutigen Tage möglich war. Die Antragsgegnerin war daher aus gesundheitlichen Gründen gehindert die Frist zu wahren. Auf die bereits vorgelegten Nachweise wird Bezug genommen.“

Nach einem weiteren Hinweis des OLG hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin am 22.6.2018 ausdrücklich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungfrist beantragt und weitere Unterlagen vorgelegt, unter anderem eine eidesstattliche Versicherung der Antragsgegnerin, wonach ihr „von allen Ärzten dringend empfohlen“ worden sei, sich während des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik nicht mit Prozessen oder prozessualen Entscheidungen zu belasten.

Das OLG hat sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Beschwerde der Antragsgegnerin verworfen. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass die Antragsgegnerin die Frist zur Beantragung einer Wiedereinsetzung versäumt habe. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die Erfolg hatte.

Der BGH führt aus:

„Das Beschwerdegericht konnte der Antragsgegnerin die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist nicht mit der Begründung versagen, ihr Wiedereinsetzungsantrag vom 22. Juni 2018 sei verspätet angebracht worden. Denn bereits der Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 29. Mai 2018 enthielt einen konkludent gestellten Wiedereinsetzungsantrag.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Wiedereinsetzungsantrag nicht ausdrücklich gestellt werden, er kann auch stillschweigend in einem Schriftsatz enthalten sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17NJW 2018, 1022 Rn. 17 und vom 5. April 2011 – VIII ZB 81/10NJW 2011, 1601 Rn. 13; vgl. bereits BGHZ 63, 389, 392 f. = NJW 1975, 928). Hierzu reicht aus, dass in diesem Schriftsatz konkludent zum Ausdruck gebracht wird, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmittel- oder Begründungsschrift fortsetzen zu wollen.
b) Diese Voraussetzung erfüllt der am 29. Mai 2018 eingegangene Begründungsschriftsatz. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat darin ausgeführt, ihre Mandantin sei aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen, die Frist zu wahren. Ihr war also erkennbar bewusst, dass die Beschwerdebegründungsfrist bereits abgelaufen war. Gleichwohl erstrebte sie – wie sich aus der nachfolgenden Begründung der Beschwerde erschließt – eine Fortsetzung des Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Auf die am 12. April 2018 angetretene vierwöchige Rehabilitationsmaßnahme als Hinderungsgrund für eine rechtzeitige Fertigstellung der Beschwerdebegründung hat sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin bereits in ihrem Fristverlängerungsantrag vom 16. April 2018 berufen und entsprechende Belege beigefügt. Hierauf nahm sie in der Beschwerdebegründung vom 29. Mai 2018 Bezug und ergänzte, dass die stationäre Maßnahme am 10. Mai 2018 geendet habe. Dies genügt den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich die Gründe für die Fristversäumnis ergeben (vgl. BGH Beschluss vom 5. April 2011 – VIII ZB 81/10NJW 2011, 1601 Rn. 14 mwN).
c) Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO sind alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorzutragen. Jedoch dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (vgl. BGH Beschluss vom 5. April 2011 – VIII ZB 81/10NJW 2011, 1601 Rn. 15 mwN). In ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2018 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin vorgetragen, dass ihre Mandantin ärztlichen Ratschlägen Folge geleistet habe, nichts Unangenehmes an sich heranzulassen und deshalb während des Klinikaufenthalts für die Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten nicht erreichbar gewesen sei. Mit diesen lediglich ergänzenden Angaben ist ein unzulässiges Nachschieben neuer Tatsachen nicht verbunden.“