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StPO I: 80 Jahre alter Spanier als Angeklagter, oder: Wegen Corona keine Anreise, sondern Einstellung

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Heute dann noch einmal ein Tag mit StPO-Entscheidungen.

Und den Anfang mache ich mit dem AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 24.03.2020 – 412 Ds 1/16, auf den mich gestern ein Kollege hingewiesen hat. Besten Dank.

Das AG hat ein Verfahren, in dem der 80-jährige Angeklagte, der spanischer Staatsangehöriger ist und ohne soziale Bindung an Deutschland in Spanien lebt und der nach Deutscjlang überstellt werden müsste, (zunächst) mal nach § 205 Abs. 1 StPO für drei Monate vorläufig eingestellt:

„Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht nach § 205 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) das Verfahren durch Beschluss vorläufig einstellen. So liegt der Fall hier.

Ein Angeklagter gilt nach § 276 StPO als abwesend, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder wenn er sich im Ausland aufhält und seine Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder nicht angemessen erscheint. Nach der Sondervorschrift des § 276 letzte Alternative gilt als abwesend auch, wer sich im Ausland aufhält, wenn seine Gestellung nicht angemessen erscheint. Der Gesetzgeber trägt damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung (vergleiche Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Auflage 2012, § 276, Rn. 8).

In Ansehung der allgemein bekannten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (umgangssprachlich auch Coronavirus-Pandemie oder Corona-Krise) ist eine Gestellung des Angeklagten, der spanischer Staatsangehöriger ist und ohne soziale Bindung an Deutschland in Spanien lebt, derzeit und in nächster Zeit wohl bereits nicht ausführbar, jedenfalls aber nicht angemessen; diesbezügliche Informationen zu den Auswirkungen der Krise können insbesondere Wikipedia entnommen werden.

Dem Angeklagten dürfte es nach den durch den spanischen Staat aktuell getroffenen Regelungen und Maßnahmen bereits rechtlich und tatsächlich nicht möglich sein, Spanien zu verlassen, um in Deutschland an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen. In Spanien ist die Zahl der Todesfälle durch das neuartige Coronavirus auf fast 2.700 Personen gestiegen. In den vergangenen 24 Stunden seien 514 weitere Menschen an der durch den Erreger ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben, teilte zuletzt das Gesundheitsministerium in Madrid mit. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen erhöhte sich den Angaben zufolge um fast 20 Prozent auf knapp 40.000.Angesichts der dramatischen Entwicklung will die Regierung die landesweite Ausgangssperre bis zum 11. April verlängern.

Jedenfalls ist es dem 1939 geborenen Angeklagten und mithin über 80 Jahre alten Angeklagten derzeit und in nächster Zeit nicht zumutbar, in Deutschland an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe.Wer zur Risikogruppe gehört, wird im Fall einer Erkrankung mit größerer Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 erkranken, das heißt, mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Lungenentzündung bekommen, ins Krankenhaus müssen oder sogar an der Krankheit sterben.“

Schön ist es in Spanien – aber eben nicht überall

entnommen wikimedia.org Author DNI

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Schön ist es in Spanien, aber eben nicht an allen Stellen (wie in anderen Ländern auch). An manchen Stellen ist/war es in Spanien aber so „unschön“, dass ein dort verbrachter Tag wie zwei „Lebenstage“ zählt. Mit dem Maßstab wird dort erlittene Auslieferungshaft dann auf Freiheitsstrafe angerechnet. Es geht dabei um die Haftanstalt Carabanchel in Madrid. Dort waren die hygienischen Umstände sowie die Umstände der Ernährung und der Unterbringung jedenfalls in den 1980-er Jahre so, dass dort vollzogene Auslieferungshaft zwei Tagen Freiheitsstrafe entspricht. Den Anrechnungsmaßstab wendet auch der OLG Hamm, Beschl. v. 27. 1. 2014 – 1 Ws 600/13 – an.

Übrigens eines ganz interessante Fallgestaltung. Es geht nämlich nicht um die Anrechnung in einem Urteil, sondern um die Anrechnung im Verfahren zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und der Mindestverbüßungsdauer. Das LG sagt dazu: Hat der Tatrichter die gebotene höhere Anrechnung vom im Ausland anlässlich des Verfahrens erlittener Haft unterlassen, so kann diese Anrechnung im Verfahren zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und der Mindestverbüßungsdauer in Altfällen von der Strafvollstreckungskammer nachgeholt werden.