Im straßenverkehrsrechtlichen Owi-Bereich ist im Moment Flaute – es gibt kaum Entscheidungen, über die sich ein Bericht lohnt. Woran es liegt? Ich weiß es nicht. :-). Deshalb bin ich dann immer hocherfreut, wenn ich auf Entscheidung stoße, die einen Hinweis wert ist. Und das ist der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.07.2014 – 1 (3) SsRs 569/11-AK 145/11, der sich mit dem Geschwindigkeitsmessverfahren Poliscan-Speed befasst. Es geht/ging um die Frage, ob eben bei der Anwendung des PoliScan-Speed-Messverfahrens eine verlässliche Geschwindigkeitsmessung auch allein auf den sog. Smearr-Effekt gestützt werden kann.
Was das ist? Das OLG erklärt es im Beschluss:
„1. Als Smear-Effekt werden bei digitalen Kameras Lichtspuren (helle Streifen) im Bild bezeichnet, die bei besonders hellen Lichtquellen im Bildbereich auftreten. Die Ursache für diesen optischen Effekt ist die Art der Bildauswertung bei sog. CCD-Sensoren (Charge Coupled Device Sensor). Hierbei handelt es sich um lichtempfindliche elektronische Bauelemente, wobei der Smear-Effekt dadurch auftritt, dass der CCD-Sensor nach der Belichtung die in den Speichern vorhandenen Ladungen schrittweise in vertikaler Richtung verschiebt, bis sie als Ladungspakete einer nach dem anderen den Ausleseverstärker erreichen. Hat die Lichtquelle keine Eigengeschwindigkeit, sind diese Streifen senkrecht, anders jedoch, wenn die Lichtquelle eine ausreichende Geschwindigkeit besitzt. In diesem Falle verlaufen diese Streifen in einem entsprechenden Winkel zur Senkrechten, wobei dann anhand des dabei entstehenden sog. Smear-Winkels Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit möglich sind.“
Das OLG verweist darauf, dass die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei der Anwendung des PoliScan-Speed-Messverfahrens eine verlässliche Geschwindigkeitsmessung allein auf diesen Smear-Effekt gestützt werden kann, bislang nicht obergerichtlich entschieden ist. Lediglich das OLG Frankfurt habe ausgesprochen, dass beim PoliScan-Speed-Messverfahren aufgrund der sog. Smear-Linien bei eingeschalteten Scheinwerfern ansatzweise eine nachträgliche Überprüfung der konkreten Messung möglich sei. Das OLG hat nun ein SV-Gutachten eingeholt und kommt auf dessen Grundlage zu dem Ergebnis:
„Unter Zugrundelegung dieser sachverständigen Expertise – an der Fachkunde des Gutachters, der wissenschaftlicher Qualität seines Gutachtens und der Nachvollziehbarkeit seiner Expertise bestehen vorliegend keine Zweifel – neigt der Senat zur Ansicht, dass bei der Anwendung des PoliScan-Speed-Messverfahrens eine verlässliche Geschwindigkeitsmessung auch allein auf den sog. Smear-Effekt gestützt werden kann. Voraussetzung einer solchen verlässlichen und verwertbaren Berechnung der Geschwindigkeit, auch im Hinblick auf die konkret zugrunde liegenden Toleranzen, ist jedoch eine in jedem Einzelfall durchzuführende sachverständige Überprüfung des Messvorgangs, in welcher, wie oben dargelegt, unter anderem die konkrete Zeilenauslesezeit, die Aufstellhöhe der Kamera und der Aufstellwinkel der Kamera sowohl bezogen auf die Fahrbahnoberfläche als auch auf das fotografierte Objekt konkret ermittelt und einbezogen werden müssen.“
Entscheiden musste es die Frage nicht, da im Verfahren konkrete Aussagen zur Verwertbarkeit der Messung und den zugrunde zu legenden Toleranzen nicht mehr getroffen werden konnten, weil die Datei, auf welcher die Messung des Fahrzeugs des Betroffenen dokumentiert war, zwischenzeitlich vernichtet worden ist.