Um eine verkehrsrechtlich interessante Entscheidung handelt es sich bei dem VGH München, Beschl. v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755, die ich dann auch gleich mal in meinen entsprechenden Sammelordnern abgeheftet habe. Es geht mal wieder um eine „Trunkenheitsfahrt“ mit einem Fahrrad. Dem Kläger ist die Fahrerlaubnis entzogen worden und er streitet mit der Verwaltungsbehörde um deren Neuerteilung, die abgelehnt worden ist. Dabei geht es um eine „Fahrt“ am 10.01.2013. Da ist der Kläger auf einem Fahrrad sitzend und rollend beobachtet worden. Festgestellt wurde eine BAK von 2,42 Promille.
Und nun streitet man sich um die Frage: Hat der Kläger ein Fahrrad geführt? Der VGH München sagt: Ja:
„Entgegen diesem Vorbringen ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Kläger am 10. Januar 2013 ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 2,41 Promille geführt hat. Nach der Aussage des Zeugen, POM L., ist es ausgeschlossen, dass der Kläger das Fahrrad geschoben hat, also neben dem Fahrrad herging, wie der Kläger ursprünglich geltend gemacht hatte. Die Bewegungsmuster einer ein Fahrrad schiebenden Person und einer auf einem rollenden Fahrrad sitzenden Person sind, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, so unterschiedlich, dass das auch bei einer nur kurzen Beobachtung zu unterscheiden ist.
Das Sitzen auf einem rollenden Fahrrad stellt ein Führen dieses Fahrrads dar, weil ein rollendes Fahrrad mit einer darauf sitzenden Person offensichtlich des Führens bedarf. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dies gelte unabhängig davon, ob die Bewegungsenergie aus einem aktuellen Betätigen der Pedale gezogen werde, aus einer vorhergehenden Pedalbewegung herrühre oder etwa nur aus der Schwerkraft beim Befahren einer Gefällstrecke. Kennzeichnend für das Führen eines Fahrzeugs sei, dass die Räder rollten, also ein eigenständiger Bewegungsvorgang des Fahrzeugs ausgelöst worden sei, was bei einem Fahrrad dann anzunehmen sei, wenn sich Fahrer und Fahrrad zusammen bewegten und der Bodenkontakt mit beiden Füßen gelöst sei.
Daran bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die Auffassung entspricht der Rechtsprechung zu § 316 StGB und der Kommentarliteratur zu dieser Vorschrift. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1988 (4 StR 239/88 – BGHSt 35, 390) kann in Abgrenzung zur bloßen Vorbereitung Führer eines Fahrzeuges nur sein, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Es muss also jemand, um Führer eines Fahrzeugs sein zu können, das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzen oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenken (ebenso Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 315 c Rn. 3a). Führer ist auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (BGH, B.v. 18.1.1990 – 4 StR 292/89 – BGHSt 36, 341). Auch zum Begriff des Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf den „Bewegungsvorgang“ (U.v. 9.7.1959 – 2 StR 240/59 – BGHSt 13, 226) oder das „Abrollenlassen“ eines Kraftfahrzeugs (B.v. 29.3.1960 – StR 55/60 -BGHSt 14, 185) ankommt, wobei der Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt. Daher führt auch der, der ein Mofa fortbewegt, indem er sich -auf dem Fahrersattel sitzend – mit den Füßen vom Boden abstößt, ein Fahrzeug (OLG Düsseldorf, U.v. 29.9.1981 – 2 Ss 426/81 – VRS 62, 193).“