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OWI III: Diverses zu Fahrverbot und Geldbuße, oder: Zeitablauf, Hinweis, Absehen, Ausnahme, Reudzierung

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Und – wie im Verfahren – am Tagesende einige Rechtsfolgeentscheidung, und zwar zum Fahrverbot und eine zur Geldbuße.

Auch hier gibt es nur die Leitsätze, da die Entscheidungen nur die vorhandene Rechtsprechung fortschreiben. Wesentliche Neues enthalten sie nicht. Die Entscheidung zum Absehen bzw. Beschränkung des Fahrverbotes auf eine bestimmte Motorleistung ist m.E. falsch.

Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

Ist im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot nach § 25 StVG nicht angeordnet worden, so darf das Gericht nur dann auf diese Nebenfolge erkennen, wenn es in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO den Betroffenen zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

1. Ob ein Absehen von einem Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer zu erwägen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kommt regelmäßig erst in Betracht, wenn seit der zu ahnenden Ordnungswidrigkeit deutlich mehr als zwei Jahre vergangen sind. Hierbei ist grundsätzlich auf den Zeitraum zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung abzustellen.

2. Bei einer rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kommt in Betracht, dass ein ordnungsgemäß verhängtes Fahrverbot teilweise oder vollständig als vollstreckt gilt. Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Das Gericht muss in einem solchen Fall erkennen lassen, dass es diesen Gesichtspunkt erwogen hat.

Ein Fahrverbot kann derart beschränkt werden, dass es Verbrennermotoren bis 60 kW Motorleistung ausnimmt.

1. Im Rahmen des Regelfahrverbotes nach Nr. 39.1 BKat führen die bloße Unübersichtlichkeit des Tatortes mit vielen Fahrzeugen, vielen Fahrspuren, vielen reflektierenden Lichtern infolge schlechten Wetters im Dunkeln nicht zu einem Wegfall der Indizwirkung des Regelfahrverbotstatbestands. Derartige Umstände entlasten nicht, sondern verschärften noch den der Betroffenen beim Abbiegen mit Unfallverursachung zu machenden Fahrlässigkeitsvorwurf. Schon unter besten Sichtbedingungen ist es falsch und führt zu einem Regelfahrverbot, wenn man in den entgegenkommenden Verkehr beim Abbiegen fährt und hierbei einen Unfall verursacht.

2. Ein eingetretener Eigenschaden, der nach Angaben der Betroffenen durch die Vollkaskoversicherung mit 600,00 € Selbstbeteiligung übernommen wurde, ist nicht geeignet, tatbezogene Besonderheiten im Rahmen der Nr. 39.1 BKat feststellen zu können, die zu einem Absehen vom Regelfahrverbot führen mussten.

3. Fehlende Voreintragungen allein sind kein nicht Grund, von einem Regelfahrverbot abzusehen.

4. Auch eine Gesamtschau aller vorstehend genannten Umstände ist nicht geeignet, die Indizwirkung der Regelfahrverbotsanordnung der Nr. 39.1 BKat zu erschüttern.

Ein Augenblicksversagen fehlt, wenn vor dem Erreichen eines Kreuzungsbereiches eine 30-er Zone endet und beim Linksabbiegen in eine andere Straße ein Zeichen 274 mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h und noch wenige Meter danach eine Lichtzeichenanlage für Fußgängerüberquerungen aufgestellt ist und der Fahrzeugführer das 30-km/h-Schild bei dem Linksabbiegen und Einfahren in die neue Straße übersieht. Eine derartige Beschilderung ist auch nicht verfahrensrelevant widersprüchlich.

Bei drohenden Schwierigkeiten im Hauptberuf durch unbezahlte Freistellung und drohenden erheblichen wirtschaftlichen Einbußen im Nebengewerbe kann bei einem nicht vorbelasteten Täter eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, der den Einspruch auf die Rechtsfolge beschränkt hat, unter angemessener Erhöhung der Regelgeld-buße von einer Fahrverbotsanordnung abgesehen werden.

Von dem im Bußgeldbescheid verhängten Regelsatz kann zugunsten des Betroffenen gemäß § 17 Abs. 3 OWiG abgewichen werden, wenn der geringfügig vorgeahndete Betroffene mit der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Einzelintervention positives Nachtatverhalten gezeigt hat.

 

 

Fahrverbot am Bahnübergang?, oder: Nicht, wenn man hinter dem Zug herfährt….

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By Feuermond16 – Own work

Bei der zweiten Entscheidung des OLG Naumburg, die ich jetzt vorstelle, handelt es sich um den OLG Naumburg, Beschl. v. 21.03.2017 – 2 Ws 6/17. Er behandelt eine etwas exotische Verkehrsordnungswidrigkeit, nämlich einen Verstoß gegen § 19 StVO – Überqueren eines Bahnübergangs. Dazu gibt es seit dem 01.05.2006 ein Regelfahrverbot in der BKaktV. Trotzdem hat der Verstoß/die Regelung m.E. keine große parktische Bedeutung, obwohl sie damals mit viel Tam-Tam eingeführt worden ist.

Hier hatte das AG festgestellt, dass der Betroffene als Führer eines Pkw einen Bahnübergang unter Verstoß gegen die Wartepflicht überqueret, obwohl rotes Blinklicht gegeben wurde. Es handelte sich um einen beschrankten Bahnübergang, der Betroffene hatte zunächst vor der geschlossenen Schranke angehalten. Nach Passieren des Zuges und nachdem die Schranken begonnen hatten, sich zu öffnen, passierte der Betroffene den Bahnübergang, obwohl sich die Schranken noch nicht vollständig geöffnet hatten und das Rotlicht noch leuchtete und blinkte.

Der Betroffene ist also quasi hinter dem Zug hergefahren. Das AG hatte dennoch auch ein Fahrverbot festgesetzt. Das OLG sagt: Passt nicht:

„Die Feststellungen belegen, dass der Betroffenen unter Verstoß gegen seine Wartepflicht den Bahnübergang überquert hat, obgleich noch rotes Blinklicht gegeben wurde (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO). Dass die Schranken sich gleichzeitig weder senkten noch geschlossen waren, sondern bereits öffneten, ändert an diesem Verstoß nichts. Indes rechtfertigen die Feststellungen weder die Verhängung der Geldbuße von 240,00 €, noch die Verhängung eines Fahrverbots.

Zwar sind diese Sanktionen im Regelfall nach § 4 BKatV, Nr. 83b.2 BKatV vorgesehen. Ein Regelfall liegt indes weder hinsichtlich der Bußgeldhöhe noch hinsichtlich des Fahrverbotes vor.

Nach § 1 Abs. 2 BKatV sind die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge Regelsätze, sie gehen von gewöhnlichen Tatumständen aus. Solche liegen nicht vor, vielmehr hat das Verhalten des Betroffenen nicht zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt, wie es in der Regel bei Verstößen gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVO der Fall ist.

Die Schranken am Bahnübergang beginnen sich erst zu öffnen, wenn in absehbarer Zeit kein weiterer Zug durchfährt. Das gilt auch, wenn das rote Blinklicht (planwidrig?) noch nicht erloschen ist. Der Fall liegt insoweit anders als in der Konstellation, dass beim unbeschrankten Bahnübergang das Blinklicht leuchtet und der Verkehrsteilnehmer sich aus seiner Sicht zutreffend davon überzeugt hat, dass sich kein Schienenverkehr nähert. In diesen Fällen ist ein Irrtum seinerseits nie auszuschließen, weshalb ein Verstoß gegen die Haltepflicht unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung stets eine jedenfalls abstrakte Gefahr einer Kollision mit dem Schienenverkehr begründet. Mit Beginn der Schrankenöffnung besteht dagegen auch die abstrakte Gefahr einer Kollision nicht mehr.

Der Senat hat in der Sache durchentschieden. Er erachtet die Verhängung einer Geldbuße von 80,00 €, die im Bußgeldkatalog für den Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 StVO vorgesehen ist, als angemessen.

Ein Fahrverbot kommt hier nicht in Betracht. Nach § 25 Abs. 1 StVG kann ein solches nur verhängt werden, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Beharrlichkeit scheidet hier aus, eine grobe Pflichtwidrigkeit erfordert unter anderem objektiv die besondere Gefährlichkeit des Verstoßes (Erfolgsunwert). Das Überqueren des Bahnübergangs während der Öffnung der Schranken führt nicht zu einer abstrakten, geschweige denn zu einer konkreten Gefahr.“

Die mit § 19 StVO zusammenhängenden Fragen sind natürlich <<Werbemodus an>> auch in unserem OWi-HB „Burhoff (Hrsg.), Handuch für das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren“ behandelt, das Ende Okrober/Anfang November in 5. Auflage erscheint. Zum Bestellformular geht es hier. <<Werbemodus aus >>.

KG: Auch auf Sonderfahrstreifen gelten „allgemeine Lichtzeichen“, aber ggf. geringere Geldbuße

Das KG hat jetzt in seinem Beschl. v. 21.05.2010 – 3 Ws (B) 138/10  –  2 Ss 41/10 – ebenso wie bereits das OLG Frankfurt im Jahr 20o2 entschieden, dass für Fahrzeugführer, die unberechtigt einen Sonderstreifen benutzen, die Lichtzeichen für den allgemeinen Fahrverkehr auf den übrigen Fahrstreifen (weiter) gelten. Bei der Missachtung des dortigen Rotlichtes sei aber trotz der Dauer der Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde eine Gefährdung des Querverkehrs ausgeschlossen, wenn das Lichtzeichen für den unberechtigt benutzten Sonderstreifen die Fahrt frei gibt. Dies rechtfertige ggf. eine Unterschreitung der Regelgeldbuße und das Absehen vom Regelfahrverbot (§ 37 StVO).

Wenigstens etwas.