Unter der Überschrift „Prellt NRW seine Rechtsreferendare? 700 Euro im Jahr zu wenig“ untersuchen auf LTO Andreas Schmitt und Karl Schmitt die Frage, ob in NRW den Rechtsreferendaren seit Jahren ggf. zu wenig Unterhaltsbeihilfe gezahlt wird. Da heißt es, ich zitiere:
„Mit ihren Sparplänen hat die rot-grüne Landesregierung in NRW schon die Landesbeamten gegen sich aufgebracht. Nun droht zusätzlicher Ärger mit den Rechtsreferendaren: Ihre Unterhaltsbeihilfe wird womöglich seit Jahren falsch berechnet. Um das Geld doch noch zu bekommen, werden die angehenden Volljuristen aber wohl klagen müssen, meinen Andreas und Karl Schmitt.
Als Rechtsreferendar wird man nicht reich. Gerade einmal 1.021,63 Euro brutto erhält man in NRW im Monat. Das reicht gerade so, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. In anderen Bundesländern sieht es nicht besser aus. Nun kommt auch noch der Vorwurf auf, das Land habe die Unterhaltsbeihilfe seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 falsch berechnet. Und zwar um rund 700 Euro im Jahr zu Lasten der Referendare. Bereits bei der Umwandlung des ehemals als Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgestalteten Rechtsverhältnisses der Rechtsreferendare in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis im Jahr 1998 standen die Sparbemühungen des Landes im Vordergrund. Umso größer ist nun der Unmut unter den Rechtsreferendaren in NRW. Im Vergleich zu den Summen bei der Beamtenbesoldung fallen die Kosten für die Rechtsreferendare zwar bescheiden aus: Im Haushaltsjahr 2013 gibt NRW für seine 6.157 Referendare 52,454 Millionen Euro aus. Allein der Verzicht auf Tariferhöhungen für die Beamten des höheren Dienstes soll hingegen 710 Millionen Euro in zwei Jahren sparen. Eine jahrelange Falschberechnung und daraus resultierende Nachzahlungen könnten den Haushalt aber zusätzlich belasten.
Referendar verklagt untätiges LBV
Hintergrund ist die Klage eines Referendars vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln. Er hatte zunächst einen Antrag auf Neuberechnung beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) gestellt und eine höhere Unterhaltsbeihilfe verlangt. Den Antrag lehnte das LBV umgehend ab. Über einen dagegen gerichteten Widerspruch entschied die Düsseldorfer Behörde lange Zeit nicht. Der Referendar erhob Untätigkeitsklage vor dem VG und erreichte einen Vergleich, in dem sich das LBV zu einer Zahlung von 500 Euro verpflichtete. Dies entsprach in etwa der Summe von 570 Euro für zehn Monate, die der Referendar als Nachzahlung verlangt hatte. Was Referendare in NRW verdienen, richtet sich nach dem Juristenausbildungsgesetz (JAG) NRW und einer auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung über die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen an Rechtsreferendare. Die Unterhaltsbeihilfe beträgt „85 v.H. des höchsten nach dem Bundesbesoldungsgesetz gewährten Anwärtergrundbetrages“, so der Wortlaut der Verordnung. Trotz dieser vermeintlich unmissverständlichen Regelungen zieht das LBV für die Berechnung seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 die Anwärtergrundbeträge aus dem Besoldungsanpassungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen heran. Die liegen derzeit bei 1.201,92 Euro. Die Bemessungsgrundlage des Landes fällt damit deutlich niedriger aus als die derzeit gültige Bemessungsgrundlage im Bundesbesoldungsgesetz (1.269,68 Euro). Ein durchschnittlicher Rechtsreferendar in NRW bekommt dadurch 57 Euro brutto monatlich weniger.
Gericht nicht von der Argumentation des Landes überzeugt
In dem Verfahren vor dem VG Köln hatte das LBV argumentiert, dass das vor der Föderalismusreform in NRW geltende Bundesbesoldungsgesetz durch Landesrecht ersetzt worden sei. Da das Land inzwischen die alleinige Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung seiner Beamten habe, könne die Verweisung auf das Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) nur ein Teilverweis sein und die Höhe der Anwärterbezüge nicht abschließend regeln. Diese Auslegung sei zwingend, denn auf ein nach der Föderalismusrefom durch Landesrecht ersetztes Bundesgesetz könne nicht mehr dynamisch verwiesen werden. Demgegenüber ließ das VG durchblicken, dass es die Berechnung für rechtswidrig hält. Nach Auffassung der 3. Kammer könne die Verordnung nur so verstanden werden, dass „stets der höchste Anwärtergrundbetrag in der jeweils gültigen Fassung des Bundesbesoldungsgesetzes“ gemeint sei. Da es sich bei der Unterhaltsbeihilfe gerade nicht um die Besoldung der Beamten handele, könne auch die Zuständigkeitsübertragung auf das Land an dieser Auslegung nichts ändern. Der klare Wortlaut lasse eine andere Interpretation nicht zu.
Referendare werden wohl klagen müssen
Allzu viel Hoffnung auf einen zeitnahen Finanzsegen sollten sich die angehenden Volljuristen dennoch nicht machen. Das LBV hat sich in dem Vergleich eine Widerrufsfrist von zwei Monaten einräumen lassen, die erst im Juni abläuft. Dass es ohne rechtskräftiges Urteil zu freiwilligen Nachzahlungen kommt, ist nicht zuletzt wegen der Haushaltslage in NRW unwahrscheinlich. Das LBV wird deshalb aller Voraussicht nach von der Widerrufsmöglichkeit Gebrauch machen. Der Weg über das Verwaltungsgericht zum Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW scheint vorgezeichnet. Noch nicht geklärt ist außerdem, für welchen Zeitraum die Unterhaltsbeihilfe rückwirkend verlangt werden kann. Die Nähe des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses zum Beamtenrecht und dem dort herrschenden Alimentationsprinzip spricht für einen eher begrenzten Zeitraum. Wer sich mit seinen mageren Referendarbezügen lange Zeit über Wasser halten konnte, kann – nach Beamtenrecht – kaum geltend machen, nicht ausreichend alimentiert worden zu sein. Die Rechtsprechung hat daher für die Beamten den Rückwirkungszeitraum auf ca. ein Jahr begrenzt Da es um den Geldbeutel von künftigen Volljuristen geht, ist damit zu rechnen, dass nicht wenige Rechtsreferendare einen Antrag auf Neuberechnung beim LBV stellen werden. Spätestens mit einem rechtskräftigen Urteil wird das LBV Nachzahlungen nicht verweigern können. Dann aber könnte es für das Land richtig teuer werden. Zumal die Anwärtergrundbezüge im BBesG, im Gegensatz zu der Besoldung der Landesbeamten in NRW, zum 1. August 2013 nochmals erhöht werden.“
Tja, das kann teuer werden. Und Ärger kann es auch geben, zusätzlich zu dem Ärger, den die „Spitzenbeamten“ machen, die von der Besoldungserhöhung“ abgekoppelt worden sind.