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Der „versteckte“ Entbindungsantrag ist „arglistig“

entnommen wikimedia.org Urheber Ulfbastel

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So, Urlaub ist zu Ende, die Themen in eigener Sache (vgl. u.a. hier In eigener Sache: Bezahlmodell bei Burhoff-Online? und Burhoff ist „feige“ und betreibt „öffentliche Zensur“ – wirklich ?) abgearbeitet, jetzt geht es normal weiter. Und dann dann gleich mit folgendem Obersatz: Eine „versteckter“ Entbindungsantrag ist nicht nur nicht rechtzeitig, sondern arglistig. Das ist jedenfalls das Fazit aus dem OLG Rostock, Beschl. v. 15.04.2015 – 21 Ss OWi 45/15 [Z]. Folge: Wenn der Antrag übersehen/nicht beschieden wird, ist eine keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG.

Entschieden hat das OLG Rostock das in einem Fall, in dem der Verteidiger einen folgendermaßen gestalteten Schriftsatz nur 53 Minuten vor Beginn der Hauptverhandlung vorgelegt hatte: „Er umfasst insgesamt 5 eng beschriebene (rund 50 Zeilen/Blatt) Seiten. Zwar enthält er eingangs unter „eilt“ die Bitte um sofortige Vorlage an den Abteilungsrichter und einen Hinweis auf die Terminsstunde um 11:30 Uhr desselben Tages; schon hier ist allerdings auffällig, dass – im Unterschied zu anderen Stellen des Schriftsatzes – kein Fettdruck, Vergrößerung o.ä. Verwendung findet. Sodann beginnt das Schreiben – in Fettdruck hervorgehoben – mit einer Beschwerdeeinlegung gegen die nicht erfolgte Terminsverlegung sowie dem Antrag auf umgehende Vorlage der Verfahrensakte an das Beschwerdegericht, und führt hierzu näher aus. In der zweiten Hälfte der 4. Seite münden die Ausführungen allmählich in die Besorgnis der Befangenheit des zuständigen Richters und einen entsprechenden, abgesetzten und durch Fettdruck hervorgehobenen Antrag. Im Zuge dieser Ausführungen, ohne dass dies an dieser Stelle notwendig oder zu erwarten gewesen wäre, ohne jedweden Absatz oder Hervorhebung im Text, wird erstmalig – in etwa 2 1/2 Zeilen – und eher beiläufig erwähnt, dass der Betroffene am Hauptverhandlungstermin berufsbedingt ortsabwesend sei, an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen wolle, einräume, der verantwortliche Fahrzeugführer zu sein (nachdem er zuvor seine Fahrereigenschaft vehement bestritten und sogar die Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens beantragt hatte) und beantrage, ohne ihn in der Sache zu verhandeln.“

Nach Auffassung des OLG führt die Kombination „kurze Frist“ und „Aufmachung des Schriftsatzes“ zur Annahme „arglistigen Verteidigungsverhaltens“:

„Ein Entbindungsantrag ist so rechtzeitig und in einer solchen Aufmachung anzubringen, dass das Gericht – angelehnt an den Zugang von Willenserklärungen im Zivilrecht – unter gewöhnlichen Umständen bei üblichem Geschäftsgang und zumutbarer Sorgfalt ihn als solchen erkennen, von ihm Kenntnis nehmen kann und muss und ihn deshalb einer Bearbeitung zuzuführen hat.

bb) Das ist hier nicht geschehen. Vorliegend geht der Senat angesichts der Zusendung des Schriftsatzes am Terminstag per Fax erst 53 Minuten vor dem Termin, der optischen Hervorhebung sowohl der Beschwerdeeinlegung als auch der Richterablehnung, nicht aber des – zudem verklausulierten – Entbindungsantrages, der gewählten Formulierungen sowie des Aufbaus und des hierdurch erzielten optischen Eindrucks davon aus, dem Tatrichter habe die Kenntnisnahme vom Entbindungsantrag des Betroffenen gerade nicht ermöglicht, sondern im Gegenteil – erfolgreich – gezielt erschwert bzw. unmöglich gemacht werden sollen. Der Entbindungsantrag wird in keinster Weise optisch hervorgehoben, gleichsam versteckt in rund 2 1/2 Zeilen eines fünfseitigen, eng beschriebenen Schriftsatzes und eingebettet in Ausführungen zur angeblichen Befangenheit des Vorsitzenden. Es fehlt auch an einer konkreten Antragstellung auf Entbindung; verwendet werden nur die eher schwammigen Formulierungen „ … der Betroffene … will an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen …, räumt ein, der verantwortliche Fahrzeugführer zu sein und beantragt, ohne ihn in der Sache zu verhandeln …Es war dem Tatrichter in vorliegender Sache kaum möglich, jedenfalls aber nicht zuzumuten, den verklausulierten und versteckten Antrag in dem umfangreichen Schriftsatz überhaupt zu finden, zumindest nicht in der kurzen Zeitspanne zwischen Eingang des Schriftsatzes bis zum anberaumten Termin, allzumal bei einer auf 11:30 Uhr anberaumten Hauptverhandlung üblicherweise auch zuvor schon verhandelt wird und der Richter hiermit beschäftigt ist.

Nach alledem liegt für den Senat ein Fall arglistigen Verteidigungsverhaltens vor, bei dem ein Entbindungsantrag ohne ersichtlichen Anlass erst ganz kurz vor der Terminsstunde in unlauterer Art und Weise angebracht wird in der (begründeten) Erwartung, dieser werde deshalb dem Tatrichter nicht rechtzeitig vorgelegt werden oder ihm nicht auffallen, um dann auf diesem Versehen eine Verfahrensbeanstandung aufzubauen. Das kann hier nicht zum Erfolg führen. Insoweit unterscheidet sich diese Sache einerseits von der von der Verteidigung vorgelegten Entscheidung im Verfahren 2 Ss (OWi) 50/11I 63/11 (Senatsbeschluss vom 27.04.2011), in dem immerhin frühzeitig und mehrfach eine als Entpflichtungsantrag auszulegende Erklärung abgegeben worden ist, andererseits ist hier wie dort ein verklausuliertes, auf Irreführung der Gerichte angelegtes Verteidigungsverhalten zu konstatieren.“

Na ja, überzeugt mich nicht so ganz. Warum es dem Amtsrichter nicht möglich sein soll, den Antrag zu finden, erschließt sich mir nicht. Erst recht nicht, warum es ihm nicht „zuzumuten“ sein soll, zumal der Amtsrichter nach Aufruf ja eh mindestens 15 Minuten warten muss, bis er den Einspruch verwerfen kann. In der Zeit wird er den Antrag dann doch wohl lesen können. Zudem besteht ein gewisser Widerspruch zur h.M., wonach ein Entbindungsantrag auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden kann. Dann ist er allerdings „offen“.

Mit der Sackkarre ins OLG, oder: Wie schaffe ich sonst 85.000 Blatt Kopien zum Senat?

entnommen wikimedia.org Urheber Priwo

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Im Moment mehren sich die Beschlüsse von OLG zu Fotokopiekosten von Pflichtverteidigern, zu – das räume ich ein – sehr hohen Fotokopiekosten, die im Wege des Vorschusses (§ 47 RVG) oder über § 46 Abs. 2 RVG geltend gemacht werden. Und wir wissen alle, wenn es um hohe Fotokopiekosten geht, dann sind die Hüter der Staatskassen – die Bezirksrevisoren – und die OLG besonders wachsam. Das haben wir schon im OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2013 – 2 Ws 686/13  (vgl. dazu Bei 43.000 Blatt Kopien/6.500 € Kopierkosten reicht die anwaltliche Versicherung nicht (mehr)? ) gesehen/gelesen und das haben wir gerade auch erst beim OLG Düsseldorf lesen müssen. Da hat der 1. Strafsenat gleich eine ganze Serie von Beschlüssen produziert (vgl. Beschl. v. 22.09.2014 -III – 1 Ws 236/14Beschl. v. 22.09.2014 1 Ws 246+272/14; Beschl. v. 22.09.2014 – 1 Ws 247+283/14 und Beschl. v. 1 Ws 261/14; III – 1 Ws 307+312/14); und in die Serie passt dann auch noch OLG Rostock, Beschl. v. 04.08.2014 – 20 Ws 193/14, der schon seit einiger Zeit in meinem Blogordner hängt und auf den das OLG Düsseldorf sich u.a. bezieht.

Allen Beschlüssen ist gemeinsame, dass die von den Pflichtverteidigern geltend gemachten Fotokopiekosten nicht bzw. nur mit erheblichen Abschlägen festgesetzt worden sind. Ich will und kann jetzt hier – schon aus Platzgründen – nicht zu allen Einzelheiten Stellung nehmen – das werden dann sicherlich schon Kommentatoren tun 🙂  . Aber zwei Punkte aus den Entscheidungen des OLG Düsseldorf (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1 Ws 247+283/14) will ich dann doch herausgreifen, und zwar:

  1. Das OLG hat m.E. eine etwas eigenartige Sicht von Akteneinsicht bzw. ich frage mich: Kann eigentlich das Gericht dem Verteidiger vorschreiben, wie er Akteneinsicht zu nehmen bzw. druchzuführen hat? Denn das tut m.E. das OLG, wenn es ausführt: „Angesichts der Tatsache, dass die elektronische Aktenbearbeitung mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung –  auch der Gerichte – zum Alltag gehört und den gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen – gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff – erheblich erleichtert, ist es auch dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche (zentralen) Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung auch in Papierform benötigt werden. Ein grundsätzlicher „Anspruch“ auf Ausdruck der kompletten e-Akte zum Zwecke der sachgerechten Verteidigung ist daher nicht anzuerkennen“. Aber bitte, wo steht denn, dass ich „elektronisch“ lesen muss? Die elektronische Akte gibt es im Strafverfahren nicht. Ob es sie jemals geben wird, sei dahin gestellt. Und entscheidet das OLG, wie der Verteidiger sich einarbeitet? Ist ihm das zuzumuten? Das OLG Düsseldorf sieht es so. Ich möchte nicht erleben, wenn die Justizverwaltung so etwas Richtern zumuten würde…..
  2. Das OLG führt dann weiter noch aus: „Die in Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a) vorgesehene Dokumentenpauschale entspricht bei Ausdrucken des hier zur Rede stehenden Volumens mehr als dem Dreifachen des Durchschnittspreises, der an kommerzielle Anbieter für Massenkopien ab 1.000 Blatt einschließlich Gewinnanteil gezahlt werden muss (0,05 € brutto/Blatt nach eigener Recherche des Senats). Dieses Missverhältnis ist angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung jedoch im Grundsatz hinzunehmen…“. Das ist ja schön, dass das OLG die gesetzliche Regelung hinnimmt – lassen wir mal die Frage der Berechnungsgrundlage dahingestellt. Aber, zu früh gefreut, denn das OLG fährt fort, nachdem man auf „„massenhafter Produktion von Ablichtungen — eine zusätzliche „Verdienstmöglichkeit““ hingewiesen hat: „Ob „Aufwandsentschädigungen“ in dieser Höhe vom gesetzgeberischen Willen bei der Einführung und weiteren Ausgestaltung der Dokumentenpauschale — Insbesondere für Ausdrucke — erfasst waren und in welcher Weise eine diesbezüglich unter Umständen bestehende Gesetzeslücke seitens der Gerichte zu behandeln wäre, hat der Senat im hier vorliegenden Einzelfall (noch) nicht zu entscheiden.“ Ah, also dahin geht der Weg bzw. wie darf ich das denn bitte verstehen? Trotz einer „eindeutigen gesetzlichen Regelung“ will das das OLG eine „unter Umständen bestehende Gesetzeslücke …..behandeln“. Also das OLG als Gesetzgeber? Man darf gespannt sein. Hauptsache das OLG verhebt sich da nicht.

Mehr zu den Beschlüssen erst mal nicht. Nur eins noch für diejenigen, die wissen möchten, wie es weiter gegangen ist – und das beruht jetzt auf den Informationen des Verteidigers aus dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1 Ws 247+283/14 -, in dem das OLG u.a. ausgeführt hatte: „Dem Antragsteller bleibt unbenommen, die behauptete Höhe seiner Auslagen durch Vorlage einer Einzelaufstellung zum geltend gemachten Druckvolumen nachträglich schlüssig darzulegen und hierdurch eine erneute Entscheidung über sein diesbezügliches Festsetzungsgesuch auf veränderter Tatsachenbasis zu bewirken.“ Nun, das hat der Verteidiger/Antragsteller wörtlich genommen und im Zusammenhang mit einer Anhörungsrüge „nachbessern“ wollen. Dazu war mit dem Berichterstatter besprochen, „die Kopierlisten mit der Anhörungsrüge zu übersenden“. Nur hatte man dabei – also Verteidiger und Berichterstatter – übersehen, dass das OLG im Beschluss auch beanstandet hatte, dass das „nicht näher aufgeschlüsselte Festsetzungsgesuch des Antragstellers eine schlichte Richtigkeitskontrolle auf Zählfehler nicht zulasse„. Also blieb keine andere Möglichkeit, als dem Senat – im Zweifel dem Berichterstatter 🙂 – die Möglichkeit zum Zählen zu geben.

Und deshalb hat sich der Verteidiger dann gestern mit seinen Kopien zum OLG begeben. Und was dann passiert ist, hätte es verdient, für YouTube festgehalten zu werden. Ich zitiere dazu – mit Erlaubnis des Verteidigers, der dazu auch die Erlaubnis seines Mandaten hat – aus einem Schriftsatz des Verteidigers vom gestrigen Tage:

Am heutigen Tage gegen 14:30 Uhr wollte der Unterzeichnende im Beisein von Rechtsanwalt PPP. (vom Blogverfassers anonymisiert), wie mit gestrigem Schriftsatz dem Senat angekündigt, zur Glaubhaftmachung der Entstehung der Auslagen, wie im Beschluss des Senats vom 22.09.2014 bezweifelt, bei der Geschäftsstelle des 1. Strafsenats des OLG vorsprechen, um im Hinblick auf die Formulierung im Beschluss „das „nicht näher aufgeschlüsselte Festsetzungsgesuch des Antragstellers … (lasse) … eine schlichte Richtigkeitskontrolle auf Zählfehler (nicht) zu…“, die gefertigten Kopien dem Senat durch Inaugenscheinnahme zugänglich zu machen.

Bereits in der Eingangskontrolle fiel dem Unterzeichnenden ein groß beschriebenes Blatt Papier auf, auf dem sinngemäß zu lesen war, dass bei Erscheinen des Unterzeichnenden diesem der Einlass in das Gebäude des OLG zu versagen sei und der Geschäftsleiter informiert werden solle.

Der Unterzeichnende, der zwei Kisten mit jeweils 1000 Blatt kopierter Akte bereits unter dem Arm hatte, bat die Wachtmeister um Einlass und Zurverfügungstellung einer Sackkarre, da er beabsichtige, einen Schriftsatz ca 85.000 Blatt Anlagen auf der Geschäftsstelle des 1. Strafsenats abzugeben.

Von den Wachtmeistern nach dem Namen gefragt, antwortete der Unterzeichnende wahrheitsgemäß, woraufhin die Wachtmeister äußerten, man habe Anweisung, den Unterzeichnenden nicht in das Gebäude zu lassen und den Geschäftsleiter zu informieren.

Dieser erschien und stellte sich vor.

Erneut erläuterte der Unterzeichnende sein Anliegen mit den Worten: „Ich überbringe einen kurzen Schriftsatz mit einigen Anlagen und benötige dafür eine Sackkarre.“ Der Geschäftsleiter fragte daraufhin, ob die Anlagen 85.000 Blatt umfassten, woraufhin der Unterzeichnende mit der Worten bejahte; „Dann sind Sie ja bereits bestens über mein Anliegen informiert.“

Der Geschäftsleiter erläuterte nun, er habe Anweisung, den Unterzeichnenden nicht in das Gebäude zu lassen und die Anlagen nicht anzunehmen. Auf Frage, wer denn eine derart unsinnige Anweisung ausgesprochen habe, antwortete der Geschäftsleiter: „Die Vorsitzende des 1. Strafsenats.“

Hierauf bat der Unterzeichnende, mit der Frau Vorsitzenden des 1. Strafsenats persönlich zu sprechen, denn der Unterzeichnende wolle ja nichts anderes tun, als das was der Senat von ihm in einem Beschluss verlangt habe, nämlich etwas glaubhaft zu machen.

Der Geschäftsleiter verließ daraufhin den Eingangsbereich, um mit der Frau Vorsitzenden des 1. Strafsenats zu telefonieren. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und erklärte: „Frau XXX [Anmerkung: Aus „Sicherheitsgründen“ vom Verfasser des Postings anonymisiert] lässt ausrichten, dass Sie für Sie nicht zu sprechen ist.“ Zudem bat der Geschäftsleiter den Unterzeichnenden, das Gebäude zu verlassen, was dieser tat.

Er folgte dem Unterzeichnenden zu seinem Fahrzeug und fragte: „Sind da 85.000 Blatt drin?“, woraufhin der Unterzeichnende erläuterte: „Nein, wir sind mit zwei Fahrzeugen gekommen, in meinem sind etwa 40 000 Blatt.“

Tja, dann stellen sich jetzt – vorerst – mal nur noch folgende Fragen:

1. Aus welchem Schriftsatz ist zitiert? Nun, ich denke, das liegt auf der Hand: Aus dem Ablehnungsgesuch betreffend die Anhörungsrüge. Man darf gespannt sein, wie das OLG damit umgeht.

2. Wie macht der Verteidiger glaubhaft? Nun, das stellt sich die Frage: Kopien faxen? 🙂

Und ganz zum Schluss: Nein, der Verteidiger ist kein „Konfliktverteidiger“. Das hat ihm der BGH bereits bescheinigt, zwar in einem anderen Verfahren, aber immerhin (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2014 – 1 StR 726/13 – und dazu Verteidigerwechsel = Fluchtgefahr? Nein, aber “befangen”!).

Gehört die Verlobte zur Familie?

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Gehört die Verlobte zur Familie i.S. des § 456 Abs. 1 StPO. Mit der Frage musste sich das OLG Rostock in einem Verfahren wegen eines Vollstreckungsaufschubs befassen. Der Verurteilte hatte einen Strafaufschub um vier Monate gemäß § 456 Abs. 1 StPO beantragt mit der Begründung, er sowie insbesondere seine seit Mitte 2013 an multipler Sklerose (MS) erkrankte langjährige Verlobte würden sonst unangemessene familiäre Nachteile erleiden. Seine Verlobte, deren Krankheit sich seit ihrem Auftreten schubweise verschlimmere, sei permanent auf seine Unterstützung und Pflege angewiesen. Er müsse deshalb vor Antritt der Freiheitsstrafe wenigstens noch eine behindertengerechte Wohnung für sie finden, was – auch aus finanziellen Gründen – mit einem Umzug für die Frau verbunden sei, sowie ihre Versorgung durch Dritte organisieren. Hiermit habe er erst nach Kenntnis von der Rechtskraft des Strafurteils begonnen. Zudem befinde er sich selbst in zahnärztlicher (prothetischer) Behandlung, die noch etwa 14 Tage andauere.

Die Rechtspflegerin bei der StA und die StVK hatten den Antrag abgelehnt. Das OLG hat ihnen im OLG Rostock, Beschl. v. 22.07.2014 – 20 Ws 178/14 – Recht gegeben:

Mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verlobte des Verurteilten nicht zu dessen Familie im Sinne von § 456 Abs. 1 StPO zählt. Die ihr möglicherweise durch die sofortige Vollstreckung der Freiheitsstrafe erwachsenen Nachteile, mögen diese auch erheblich sein, stellen deshalb keinen gesetzlichen Grund dar, dem Beschwerdeführer den beantragten Vollstreckungsaufschub zu gewähren.

aa) Nachdem die Strafprozessordnung in anderen Vorschriften ausdrücklich schon aus einem bestehenden Verlöbnis eine besondere Rechtsstellung des auf diese Weise mit dem Beschuldigten verbundenen Partners ableitet, wie sie dort auch Ehegatten, (künftigen) Lebenspartnern und nahen Verwandten zugestanden wird (vgl. z.B. § 52 Abs. 1, §§ 61, 97 Abs. 1, § 100c Abs. 6 Satz 2 StPO; siehe auch § 11 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB, wo der Verlobte ebenfalls gesondert neben dem Ehegatten und Lebenspartner als „Angehöriger“ definiert wird), ist dies in § 456 Abs. 1 StPO nicht der Fall. Dort wird allein die – zudem nur fakultative – Möglichkeit eröffnet, bei einer anstehenden Strafvollstreckung auch auf erhebliche Nachteile für die „Familie“ (nicht: für „Angehörige“) des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Das lässt den Umkehrschluss zu, dass nach der Wertung des Gesetzgebers ein Verlobter zwar während des Ermittlungs- und Strafverfahrens, wo es um die Feststellung von Schuld oder Unschuld seines Partners geht, als „Angehöriger“ in bestimmten Situationen persönlichen Schutz genießt, nicht aber mehr, sobald es um die Vollstreckung der rechtskräftig erkannten Strafe geht. Dann kann nur noch bei der konkreten Ausgestaltung des Vollzugs, also nicht mehr bei dem „Ob“, sondern nur noch bei dem „Wie“ auf derartige Belange Rücksicht genommen werden (vgl. §§ 3, 35 Abs. 1 StVollzG), wenn es geboten und mit den übrigen Vollzugszielen zu vereinbaren ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

bb) Es ist zudem anerkannt, dass ein Verlöbnis, aus dem keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind, auch nicht als „Familie“ unter den Grundrechtsschutz von Art. 6 Abs. 1 GG fällt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 -1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, BVerfGE 133, 59-100, Rdz. 62 in juris m.w.N.). Verfassungsrechtliche Vorwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. eine Schutzwirkung aus Art. 12 EMRK kann einem Verlöbnis allenfalls unter dem Blickwinkel der Eheschließungsfreiheit und auch dann nur zuerkannt werden, wenn die Heirat unmittelbar bevorsteht (vgl. für den Fall der drohenden Abschiebung eines Ausländers zuletzt OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2014 -OVG 2 S 18.14 -, Rdz. 4 in juris m.w.N.). Solches ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat der Beschwerdeführer selbst angegeben, das Verlöbnis bestehe seit nunmehr rund sechs Jahren, was die Frage aufwirft, ob es sich dabei tatsächlich immer noch um ein ernsthaft gemeintes Eheversprechen i.S.v. §§ 1297 ff. BGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung handelt (BayObLG MDR 1984, 145 [OLG Frankfurt am Main 05.09.1983 – 20 W 515/83]; BGHZ 28, 376/7).

 

Die Fürsorgepflicht des Amtsrichters…

© Corgarashu – Fotolia.com

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Mit Urteil vom 11.12.2013 verwirft das AG Parchim wegen unentschuldigten Fernbleibens des anwaltlich vertretenen Betroffenen von der Hauptverhandlung dessen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid. Den vom Betroffenen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.12.2013, eingegangen beim Gericht am selben Tag, gestellten Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Amtsgericht nicht beschieden. Diese Vorgehensweise gefällt dem OLG Rostock gar nicht und es hebt im OLG Rostock, Beschl. v. 21.02.2014 – 2 Ss OWi 30/14 – auf.

 b)  Das Amtsgericht hat den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid rechtsfehlerhaft gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil es dem Antrag des der Hauptverhandlung ferngebliebenen Betroffenen vom 10.12.2013 auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht (B1. 42 ff. d.A.) zu Unrecht nicht entsprochen hat.

 Das Amtsgericht hat den wirksam gestellten Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu der Hauptverhandlung am 11.12.2013 (42 ff. d.A.) weder vor der Hauptverhandlung beschieden noch sich in dem den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verwerfenden Urteil vom selben Tage mit ihm auseinandergesetzt. Dass der Antrag ausweislich des auf ihm enthaltenen Faxstempels bereits am 10.12.2013 (gegen 15:00 Uhr) einging, jedoch ausweislich eines weiteren Stempelaufdrucks erst am Sitzungstag auf der Geschäftsstelle einging, steht der Pflicht nicht entgegen, diesen zu bescheiden. Erfahrungsgemäß gehen nicht selten erst kurz vor oder am Terminstag schriftliche oder telefonische Mitteilungen über eine Verhinderung des Betroffenen oder auch Entbindungsanträge bei Gericht ein. Die Fürsorgepflicht gebietet es deshalb, dass der Richter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort eine entsprechende Nachricht vorliegt (OLG Frankfurt NJW 1974, 1151; OLG Stuttgart Justiz 1981, 288; OLG Köln VRS 102, 382 = DAR 2002, 230).

War ein Entschuldigungsschreiben oder eine entsprechende fernmündliche Nachricht über eine Verhinderung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Entscheidung bei Gericht bereits eingegangen, ist die fehlende Kenntnis des Richters grds. belanglos (vgl. Senge in KK- OWiG, 3. Aufl., § 74 Rn 35 m.w.N.). Ein Fall arglistigen – dann ggf. zu einer anderen Sicht der Dinge führenden – Verteidigungsverhaltens, bei dem z.B. ein Entbindungsantrag ohne ersichtlichen Anlass erst ganz kurz vor der Terminsstunde in unlauterer Art und Weise angebracht wird in der (begründeten) Erwartung, dieser werde deshalb dem Tatrichter nicht rechtzeitig vorgelegt werden und zu dem hier eingetretenen Rechtsfehler führen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 12.10.2007 – 2 Ss(OWi) 256/07 1 157/07), dürfte (noch) nicht vorliegen.

Werbung mit dem Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“

Das OLG Rostock, Urt. v. 09.09.2011 – 1 Ss 31/11 I 47/11 befasst sich mit einem Werbeaufsteller, der zur Werbung für einen „Werwolfshop“ das Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ enthielt. Der Geschäftsführer des Shops ist deshalb wegen Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation gem. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt worden.

Das OLG Rostock hat die dagegen gerichtete Revision verworfen. Begründung: Die zweite SS-Panzer-Division „Das Reich“ falle als Teil- bzw. Unterorganisation der SS unter die Vorschrift im StGB über das Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation, sodass sich das Verwenden ihres Kennzeichens als strafbar erweise. Entscheidend sei, dass die 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ der SS bzw. Waffen-SS als ehemaliger nationalsozialistischen Organisation zuzurechnen sei und das von ihr benutzte grafische Erkennungsmerkmal diese Zugehörigkeit auch nach außen dokumentiere. Es sei daher geeignet, in- und ausländischen Beobachtern den Eindruck zu vermitteln, in der Bundesrepublik würde die Wiederbelebung entsprechender Organisationen angestrebt. Dies soll nach dem Schutzzweck der Norm jedoch gerade vermieden werden.