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„Jam“ statt „Slam“, oder: Wirksamer Haftungsausschluss bei Online-Verkauf eines PKW?

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Und als zweite Entscheidung am Samstag stelle ich das BGH, Urt. v.  27.09.2017 – VIII ZR 271/16 – vor. Es geht in ihm um die Frage, ob der Verkäufer eines Gebrauchtwagens im Rahmen eines Online-Verkaufsangebots – angeboten wurde auf mobile.de – die Haftung für das Fehlen bestimmter Eigenschaften wirksam ausschließen kann. Der Verkäufer/Beklagte hatte auf der Online-Plattform einen gebrauchten PKW zum Verkauf angeboten. Die Marke hatte er mit Opel Adam Slam 1.4 ecoFlex“ angegeben. Der Kläger hatte den Pkw besichtigt und im Anschluss daran das Fahrzeug erworben. Im schriftlichen Kaufvertrag hieß es zur Marke des Pkw lediglich „Opel“. Außerdem war folgender Gewährleistungsausschluss vereinbart:

Der Verkäufer verkauft hiermit das nachstehend bezeichnete gebrauchte Kraftfahrzeug an den Käufer. Der Verkäufer übernimmt für die Beschaffenheit des verkauften Kraftfahrzeugs keine Gewährleistung.“

Kurze Zeit später stellte sich dann heraus, dass es sich um ein abweichendes Fahrzeugmodell handelte, und zwar um einen Opel Adam Jam. Der verkaufte Pkw hatte daher eine geringere Ausstattungsvariante, wie z.B. kleinere Felgen, fehlende Start-Stopp-Automatik und andere Sitzbezüge, und einen höheren Sprit-Durchschnittsverbrauch. Preisunterschied zum „Slam“ rund 1.300,- €. Der Käufer verlangte Rückabwicklung des Kaufvertrags. Der Beklagte hat sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Der BGH hat die Klage abgewiesen:

„….

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist aber auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, Gewährleistungsansprüche des Klägers wegen eines im Streitfall allein gegebenen Sachmangels nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BGB kämen – anders als dies bei Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB der Fall wäre – im Hinblick auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss nicht in Betracht.

a) Die in der von dem Beklagten geschalteten Internetanzeige enthaltenen Angaben zum Vorhandensein der Ausstattungsvariante Opel Adam Slam stellen, wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, eine öffentliche Äußerung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB dar, die – sofern keiner der im Gesetz genannten Ausnahmefälle vorliegt – eine Sachmängelhaftung des Verkäufers begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2007 – 12 U 113/06, juris Rn. 5; vgl. auch OLG Celle, DAR 2006, 269).

b) Der zwischen den Parteien vereinbarte Haftungsausschluss erfasst jedoch, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, Gewährleistungsansprüche wegen Fehlens der nach den öffentlichen Äußerungen des Beklagten in der Internetanzeige gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu erwartenden Beschaffenheit (Opel Adam Slam). Entgegen der Auffassung der Revision ist bei einem allgemeinen Haftungsausschluss des Verkäufers für Sachmängel nicht generell die Auslegung geboten, dass er sich nicht auf die Haftung für Eigenschaften bezieht, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann.

aa) Zwar ist in den Fällen einer vertraglich (ausdrücklich oder stillschweigend) getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein daneben vereinbarter Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten kann (BGH, Urteile vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31; vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 96/12, NJW 2013, 1074 Rn. 19, und VIII ZR 117/12, NJW 2013, 1733, Rn. 15; vom 13. März 2013 – VIII ZR 172/12, NJW 2013, 2749 Rn. 19; vom 6. November 2015 – V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 Rn. 9; vom 22. April 2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 14; vom 26. April 2017 – VIII ZR 233/15, WM 2015, 1225 Rn. 22). Denn ansonsten wäre die gleichrangig neben dem Gewährleistungsausschluss stehende Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer – außer im Falle der Arglist des Verkäufers (§ 444 Alt. 1 BGB) – ohne Sinn und Wert (Senatsurteile vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06, aaO; vom 26. April 2017 – VIII ZR 233/15, aaO).

bb) Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf öffentliche Äußerungen über Eigenschaften der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB übertragen. Das Gesetz hat diese Äußerungen nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgesetzt, sondern zählt sie zu der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, also zu der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (vgl. auch BT-Drucks 14/6040, S. 214).

Hinsichtlich einer nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (gesetzlich) geschuldeten Beschaffenheit kann der Verkäufer aber – wie vorstehend ausgeführt – seine Haftung durch eine vertragliche Vereinbarung grundsätzlich ausschließen. Denn in solchen Fällen stehen nicht zwei vertragliche und damit – zumindest aus Sicht des Käufers – gleichrangige Vereinbarungen (Beschaffenheitsvereinbarung; Gewährleistungsausschluss) nebeneinander, deren innerer Widerspruch im Wege einer interessengerechten Auslegung aufzulösen ist (vgl. Senatsurteil vom 29. November 2006 – VIII ZR 92/06, aaO). Vielmehr handelt es sich hierbei um einen rein gesetzlichen Haftungstatbestand. Damit treffen nicht zwei gleichrangige, sich inhaltlich widersprechende vertragliche Vereinbarungen aufeinander, sondern es existiert nur eine vertragliche Regelung, nämlich die – vom Gesetz außerhalb bestimmter Fälle (vgl. § 474 Abs. 1, § 475 Abs. 1, § 437 BGB; § 444 BGB; § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 309 Nr. 7 Buchst. a, b, Nr. 8 Buchst. b BGB) zugelassene – Vereinbarung eines Haftungsausschlusses für Gewährleistungsansprüche. Im Hinblick auf dieses Rangverhältnis der beiden Regelungen ist eine einschränkende Auslegung eines umfassenden Gewährleistungsausschlusses in diesen Fällen nicht geboten.

Nicht anders liegen die Dinge bei einer Sachmängelhaftung nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB. Auch hier handelt es sich um einen gesetzlichen Haftungstatbestand. Zudem hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er eine Haftung nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gerade nicht mit dem Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichstellen wollte. Vielmehr hat er sich dafür entschieden, das Fehlen von in öffentlichen Äußerungen des Verkäufers nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB angegebenen Eigenschaften der Kaufsache wie das Fehlen der nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB geschuldeten üblichen Beschaffenheit zu behandeln. Diese gesetzgeberische Wertung spricht dafür, dass der Verkäufer grundsätzlich nicht nur seine Haftung für das Fehlen einer üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), sondern auch für das Fehlen von Eigenschaften ausschließen kann, deren Vorhandensein der Käufer nach den vom Verkäufer abgegebenen öffentlichen Äußerungen berechtigterweise erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB; BGH, Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15, aaO).“