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Das Absehen vom Fahrverbot beim kranken Betroffenen, oder: Das zynische/sarkastische/ironische OLG Bamberg

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Von einem an sich verwirkten Fahrverbot kann wegen eines sog. Härtefalls abgesehen werden. Das ist Grundwissen beim Fahrverbot und wird grundsätzlich auch so von den OLG gesehen. Aber: Die Begründung des Amtsrichters für das Absehen darf nicht nur auf der Einlassung des Betroffenen beruhen, ohne dass der Tatrichter die Richtigkeit dieser Einlassung überprüft hat. So jetzt noch einmal der OLG Bamberg,  Beschl. v. 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1620/16.

Das AG hatte wegen einer vom Betroffenen geltend gemachten Lungenkrankheit, wegen der er zweimal wöchentlich einen Facharzt in der von seinem Wohnort 15 km entfernten kreisfreien Stadt aufsuchen müsse, vom Fahrverbot abgesehen. Es sei dem Betroffenen nicht zuzumuten, diese Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Die nächstgelegene Bushaltestelle sei ca. 2 km entfernt. Aufgrund seiner Lungenkrankheit könne er diese Wegstrecke nicht zu Fuß zurücklegen. Seine Tochter sei berufstätig und könne den Betroffenen deshalb nicht zum Arzt fahren; sein Schwiegersohn verfüge über keine Fahrerlaubnis. Weitere Familienangehörige oder Bekannte stünden ebenfalls nicht zur Verfügung. Ferner sei es dem Betroffene, der ein Krankengeld in Höhe von 588 € beziehe und kein Vermögen besitze, aufgrund seiner beengten finanziellen Verhältnisse nicht zumutbar, einen Fahrer anzustellen oder mit einem Taxi zu den Arztbesuchen zu fahren.

Das OLG macht das so nicht mit. Seine Begründung:

„aa) Die Feststellungen zu den Umständen, die das AG zum Absehen von der Verhängung des Fahrverbots veranlasst haben, leiden bereits an grundlegenden Darstellungsmängeln, weil hierfür in den Urteilsausführungen jeder Beleg fehlt. Ersichtlich hat das AG allein die Einlassung des Betr. zu Grunde gelegt, ohne diese auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen (vgl. hierzu zuletzt Senatsbeschlüsse v. 08.12.2015 – 3 Ss OWi 1450/15 = BA 53, 192 = ZfS 2016, 290 und 22.07.2016 – 3 Ss OWi 804/16 [bei juris], jeweils m.w.N.). Dies ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es bei einer derartigen Vorgehensweise in der Hand des Betr. läge, durch Schilderung entsprechender Fakten, die der Tatrichter ungeprüft übernimmt, die Rechtsfolgenentscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Insbesondere hat das AG es unterlassen, die Art der geltend gemachten Erkrankung, deren Auswirkungen auf den Betr. sowie deren Behandlungsbedürftigkeit in Form von 2 Besuchen pro Woche beim Lungenfacharzt auch nur ansatzweise einer Überprüfung, etwa durch Vernehmung des behandelnden Arztes oder ein medizinisches Sachverständigengutachten, zu unterziehen. Ebenso wenig ist ersichtlich, worauf das AG die Erkenntnisse zu der nur eingeschränkt bestehenden Möglichkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Arztbesuche durchzuführen, stützt. Gleichermaßen trifft dies auf die Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation des Betr., der offensichtlich immerhin ein Kfz besitzt und unterhält, und die Feststellung zu, dass es weder Familienangehörige noch andere Personen, wie etwa Freunde, Nachbarn oder sonstige Bekannte gibt, die eventuell bereit wären, den Betr. mit dessen Pkw – gegebenenfalls gegen ein maßvolles Entgelt – entweder zu den Arztbesuchen oder zumindest zur nächst gelegenen Bushaltestelle zu fahren. Die Feststellungen des AG, die letztlich als eine unglückliche Verkettung zahlreicher Umstände des Einzelfalls anmuten und eine unzumutbare Härte durch das verhängte Fahrverbot begründen sollen, wirken schon per se nicht besonders lebensnah und hätten gerade deshalb einer kritischen Überprüfung durch eine eingehende Beweisaufnahme und -würdigung bedurft. Dies gilt umso mehr, als andernfalls die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, nicht mehr gewährleistet wäre.

bb) Überdies hat das AG als Alternativen zur Kompensation der mit einem Fahrverbot verbundenen Nachteile lediglich die Anstellung eines Fahrers und die Fahrt mit dem Taxi vom Wohnort zum Arzt in den Blick genommen und zugrunde gelegt, dass dies dem Betr. aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Es hat dabei aber – worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist – nicht in seine Erwägungen eingestellt, dass eine Fahrt mit einem Taxi oder durch einen Bekannten zur nächst gelegenen, vom Wohnsitz des Betr. nur ca. 2 km entfernten Bushaltestelle ebenfalls ausreichend sein könnte, was geringere Kosten verursachen würde.

cc) Ferner hat das AG auch nicht erwogen, ob gegebenenfalls eine Übernahme der Fahrtkosten durch die Krankenkasse nach § 60 I 2 SGB V in Verbindung mit der Krankentransport-Richtlinie (Stand: 18. Februar 2016) des Gemeinsamen Bundesauschusses über die VO von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 I 2 Nr. 12 SGB V in Betracht kommt. Dabei würde es dem Betr. obliegen, sich um eine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse nach § 8 der vorgenannten Richtlinie zu bemühen. Falls er in Kenntnis des schwebenden Bußgeldverfahrens insoweit keine Anstrengungen zum Erhalt der erforderlichen Genehmigung unternimmt, könnte dies unter Umständen im Rahmen der gebotenen Gesamtschau zu seinen Lasten gewürdigt werden.

dd) Schließlich sind die Ausführungen des AG auch in sich widersprüchlich. Es hat zum einen nicht lediglich die Regelgeldbuße von 200 € verhängt, sondern die Geldbuße auf 500 € festgesetzt, zum anderen aber konstatiert, Taxifahrten seien dem Betr. aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass bei Verhängung der Regelgeldbuße immerhin ein Betrag von 300 € für etwaige Taxifahrten zur Verfügung stünde, um die Dauer des Fahrverbots zu überbrücken, zumal es – wie dargelegt – lediglich um Fahrten bis zur nächsten Bushaltestelle geht.“

Insgesamt leider eine typische OLG Bamberg-Entscheidung, der ziemlich deutlich zu entnehmen ist, dass das OLG dem Betroffenen nicht glaubt bzw. glauben will. Die Ausführungen unter dd) sind darüber hinaus für mich zynisch (?), sarkastisch (?) oder zumindest pure Ironie.

Als Verteidiger muss man aus solchen Entscheidungen den Schluss ziehen, dass die Angaben, die zum Absehen vom Fahrverbot führen sollen, von vornherein durch entsprechende Beweismittel-/antritte abgesichert werden müssen. Ob das hier geschehen war, weiß ich nicht. Ich vermute mal, leider nicht……