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„Formulierungshilfe zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten “ – was ist das denn? Alter Wein in neuen Schläuchen

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Das BMJ teilt gerade in einer PM mit, dass „das Bundeskabinett heute eine Formulierungshilfe zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten beschlossen hat, die der Deutsche Bundestag als Gesetzentwurf einbringen wird.“ Was verstecket sich denn nun dahinter?

Nun, es geht um die Weiterentwicklung früherer Vorschläge. Dazu heißt es in der PM:

In Weiterentwicklung früherer Vorschläge für einen „Warnschussarrest“ sieht der heute beschlossene Entwurf vor, dass das Jugendgericht einen Jugendarrest von bis zu vier Wochen neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe anordnen kann. Eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung hatte das Nebeneinander von Bewährungsstrafe und Arrest nicht zugelassen, da diese neue Kombination zweier Reaktionsmöglichkeiten nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung möglich sei.

Eine solche Regelung wurde nunmehr geschaffen. Dabei wird die breite fachliche Kritik an bisherigen Entwürfen zum voraussetzungslosen „Warnschussarrest“ im Rahmen einer differenzierten Regelung angemessen berücksichtigt. Am Leitbild des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht wird festgehalten.

Als weitere Neuerung ermöglicht der Gesetzentwurf den Jugendgerichten, gegen Heranwachsende wegen Mordes eine Jugendstrafe bis zu 15 Jahren zu verhängen, wenn das bisherige Höchstmaß von zehn Jahren wegen der besonderen Schwere der Schuld im Einzelfall, etwa bei besonders grausamen und gefühlskalten Taten ohne Reue, nicht ausreichend erscheint.

Als dritte Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten wird eine sachgemäße Anwendung des in der Praxis entwickelten Instruments der sogenannten Vorbewährung gefördert, wenn über die Aussetzung einer verhängten Jugendstrafe zur Bewährung noch nicht im Urteil, sondern erst nachträglich durch Beschluss entschieden werden soll. Hierfür schafft der Entwurf eine klare gesetzliche Grundlage und angemessene Verfahrensregelungen, die gleichzeitig rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.“

So richtig etwas Neues ist also nicht beschlossen worden. Eben eine „Formulierungshilfe“

Der bedürfnisorientierte Heranwachsende

Das LG wendet bei einem 20 Jahre und 10 Monate alten Angeklagten Jugendrecht an und begründet das damit; der Angeklagte sei „bedürfnisorientiert“ und zahle keinen Unterhalt für sein Kind. Der BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 1 StR 91/12 – hat es moniert und als zweifelhaft angesehen, ob damit die Anwendung von Jugendrecht „tragfähig“ begründet werden können. Also: Wohl Rechtsfehler, durch der Angeklagte aber nicht beschwert war. Daher Verwerfung der Revision.

Langes Verfahren – Vollstreckungslösung im Jugendrecht?

Die Frage, ob bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch im Jugendrecht die sog. „Vollstreckungslösung“ des BGH Anwendung findet und damit die Verfahrensverzögerung kompensiert werden kann, ist in der Rechtsprechung des BGH nicht ganz unbestritten. Während der Große Senat für Strafsachen das wohl bejaht, haben die Strafsenate das m.E. teilweise anders gesehen.

In der Diskussion hat sich jetzt das OLG Hamm zu Wort gemeldet und im OLG Hamm, Beschl. v.08.12.2011 – III-3 RVs 102/11 die Anwendung jedenfalls bei der Verhängung eines Jugendarrestes verneint.

„… Dass die „Vollstreckungslösung“ auch bei der Verhängung von Jugendarrest Anwendung finden kann, vertritt — soweit ersichtlich — niemand. Ohnehin ist dieser Weg der Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen für den Jugendarrest, der im Falle des Dauerarrestes höchstens vier Wochen betragen darf (§ 16 Abs. 4 Satz 1 JGG), nicht geeignet. Eine Anwendung der „Vollstreckungslösung“ würde angesichts dieser Höchstdauer nicht mehr zu sinnvollen Rechtsfolgenaussprüchen führen.

Die Verfahrensverzögerung ist bei der Verhängung von Jugendarrest vielmehr als Gesichtspunkt im Rahmen der Zuchtmittelbemessung zu berücksichtigen.“