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Corona II: Vorlage eines gefälschten Impfpasses, oder: Begriff der Ansammlung i.S. einer Corona-VO

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Im zweiten Posting stelle ich dann noch zwei weitere „Corona-Estcheidungen vor, und zwar.

Zunächst hier der LG München I, Beschl. v. 29.03.2022 – 12 Qs 7/22 – zur Frage der Strafbarkeit, wenn in einer Apotheke ein gefälschter Impfpass zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats vorgelegt wird. Ergangen ist der Beschluss im Rahmen der Prüfung einer Durchsuchungsmaßnahme. Das LG meint/sagt: Zwar war die Vorlage des Impfausweises in der Apotheke nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Handlungen geltenden Straftatbestände der „“ 275, 276 a.F: nicht strafbar, jedoch bestand dennoch ein Anfangsverdacht hinsichtlich des Gebrauchens des gefälschten Impfausweises zur Täuschung von Behörden über den Gesundheitszustand § 279 StGB a.F.).

Und als zweite Entscheidung noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.02.2022 – 1 OWi 2 SsRs 155/21 – zum Begriff der „Ansammlung“:

„c) Das Amtsgericht hat zutreffend in dem festgestellten Treffen am Rheinufer eine „Ansammlung“ i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP gesehen.

aa) Das OLG Koblenz (aaO. Rn. 23 ff) hat den Begriff der „Ansammlung“ in § 4 Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Infektionsgeschehens und den Bedürfnissen und unantastbaren Rechten der Bürger ausgelegt und näher bestimmt. Danach erfordert eine Ansammlung im Rahmen der Vorschriften zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie ein gezieltes Zusammensein von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, was nicht schon bei jeder bloß zufällig gegebenen gleichzeitigen Anwesenheit von mehreren Menschen erfüllt ist. Eine Ansammlung im Sinne der Vorschrift liegt im Hinblick auf den Schutzbereich der Norm (Verhinderung der Ausbreitung des Infektionsgeschehens) insbesondere dann nicht vor, wenn eine über den Mindestabstand von 1,5 Metern (§ 4 Abs. 1 S. 2 der 4. CoBeLVO RP) hinausgehende deutliche Trennung bzw. Distanz zwischen den Angesammelten besteht, die – insbesondere, wenn zusätzlich Masken getragen werden – eine Übertragung der Infektion von vornherein verlässlich ausschließt. Ebenfalls nicht verboten sind nach der Vorschrift kurze, unter Einhaltung des Mindestabstandes durchgeführte soziale Interaktionen, etwa ein kurzer Informationsaustausch zwischen Bekannten. Dieser Auslegung durch das OLG Koblenz schließt sich der Senat an. Sie entspricht im Ergebnis auch der Auslegung des Begriffs der „Ansammlung“ i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW durch das OLG Hamm. Auch das OLG Hamm (vgl. Beschluss vom 28.01.2021 – III-4 RBs 3/21, juris Rn. 40) hält zwar mit Blick auf den Zweck der Bestimmung eine räumliche Komponente für erforderlich. Diese soll aber (erst) dann nicht mehr gegeben sein, wenn eine verlässliche Wahrung eines eine Übertragung ausschließenden Mindestabstandes nicht mehr vorliegt. Ein solcher Übertragungsausschluss ist nicht schon bei Überschreiten eines Abstandes von 1,5 m anzunehmen, sondern wird von den konkreten Umständen des Zusammentreffens bestimmt.

bb) § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S.1 i.V.m. § 15 Nr. 26 der 4. CoBeLVO RP beinhaltet entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung damit einen gegenüber § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 15 Nr. 27 der 4. CoBeLVO RP, der wegen des eingehaltenen Mindestabstandes von 1,5 m hier nicht erfüllt ist, eigenständigen Bußgeldtatbestand. Hierfür spricht bereits, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Systematik der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat in § 15 Nr. 26 und Nr. 27 der 4. CoBeLVO RP die verbotene Ansammlung und das Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes jeweils als eigenständige Bußgeldvorschriften normiert. Hierin unterscheidet sich die damalige Verordnungslage in Rheinland-Pfalz im Übrigen auch entscheidend von der Verordnungslage in Baden-Württemberg, weshalb die Entscheidungen des OLG Stuttgart vom 14.05.2021 (1 Rb 24 Ss 95/21, juris) sowie des OLG Karlsruhe vom 30.03.2021 (22 Rb 34 Ss 2/21, juris) und vom 27.04.2021 (2 Rb 34 Ss 198/21, juris dort insbes. Rn. 4 ff. zum Wortlaut der Verordnung) nicht ohne weiteres auf die hier maßgeblichen Bestimmungen übertragbar sind. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Schutzzweck der Vorschrift. Die Gefahr einer Infektionsübertragung ist sowohl bei einer – eine zeitlich, räumlich und soziale Komponente voraussetzenden – Ansammlung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP, als auch bei einer Unterschreitung des Mindestabstandes (§ 4 Abs. 1 S. 2 der 4. CoBeLVO RP) im Rahmen eines – ggfs. nur zufälligen und kurzfristigen – Zusammentreffens gegeben.

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme einer Ansammlung im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 der 4. CoBeLVO RP.

Dem gemeinsamen Aufenthalt des Betroffenen mit den (mindestens) vier weiteren Personen am Ostufer des Hafens von Wörth lag eine gezielte Verabredung zu einem nicht lediglich nur für eine kurze Zeitdauer vorgesehenen Treffen (“zum Feiern verabredet“) zugrunde. Demzufolge hatten die Beteiligten auch Kühltaschen, Getränke und Campingstühle mitgebracht und waren bei ihrer Feststellung durch Polizeibeamten in „ausgelassener Partystimmung“ (UA S. 2). Die Wertung des Amtsgerichts, dass der Zusammenkunft in lockerer Atmosphäre schon deshalb ein eigenständiges Infektionsrisiko innewohnte, weil die Einhaltung des erforderlichen Mindestabstandes nicht durchgängig zu gewährleisten war und weitere Schutzmaßnahmen (Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken) nicht getroffen wurden, ist rechtlich nicht zu beanstanden und drängt sich angesichts der festgestellten Gesamtumstände (“Feierstimmung“) sogar auf.“