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Berufung II: Einziehung in der Berufung nachgeholt, oder: Stopp, Verschlechterungsverbot greift

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In der zweiten Entscheidung, dem BayObLG, Beschl. v. 24.01.2024 – 204 StRR 23/24 – geht es um das sog. Verschlechterungsverbot, und zwar im Hinblick auf eine Einziehungsmaßnahme.

Hier hatte das AG das Tatmittel zu einem Diebstahl, ein Montiereisen, nicht eingezogen. Das hat das LG dann „nachgeholt“. Und das ging nicht, sagt das BayObLG:

„Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat – abgesehen von der Einziehungsentscheidung – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung wird auf die zutreffende und nicht ergänzungsbedürftige Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Antragsschrift vom 20.12.2023 Bezug genommen.

Wie bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, muss die in der Berufungsinstanz erstmals angeordnete Einziehung des asservierten Montiereisens entfallen. Eine solche Anordnung ist vom Amtsgericht nicht getroffen worden, so dass die nach alleiniger Einlegung der Berufung durch den Angeklagten erstmals im Berufungsurteil erfolgte Einziehung des Tatmittels gegen das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 StPO verstößt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.05.1990 – 1 StR 182/90 –, juris Rn. 7; vom 07.11.2018 – 4 StR 290/18 –, juris Rn. 4; OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2020 – 2 Rev 85/19 –, juris Rn. 7; MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 331 Rn. 55), und zwar unabhängig davon, ob im Ersturteil die Einziehung rechtsfehlerhaft unterblieben war (BGH, Beschluss vom 22.01.2019 – 3 StR 48/18 –, juris Rn. 7).

Es entspricht allgemeiner Meinung, dass auf alleiniges Rechtsmittel des Angeklagten, seines gesetzlichen Vertreters oder auf ein zugunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich wegen des Verschlechterungsverbots keine Maßnahmen angeordnet werden durften, die sich nachteilig auf die Rechtsposition des Angeklagten auswirkten. An diesem Rechtszustand hat sich durch die am 01.07.2017 in Kraft getretene Reform der Vermögensabschöpfung nichts geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 5 StR 387/18 –, BGHSt 64, 48, juris Rn. 19 f. m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Problematik zwar im Blick gehabt (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 57, 72; siehe auch BT-Drucks. 18/11640 S. 83 f.). Er hat sie aber nicht im Wege einer Durchbrechung des Verschlechterungsverbots im Erkenntnisverfahren lösen wollen, sondern – im dort geregelten Umfang – dem selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB, §§ 435 ff. StPO zugewiesen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 a.a.O.). Eine Vermengung der jeweils eigenständigen Regularien folgenden Verfahrensarten wäre augenfällig systemwidrig und würde eine Umgehung der gesetzgeberischen Konzeption bedeuten (BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 5 StR 387/18 –, BGHSt 64, 48, juris Rn. 21).“