Zum Wochenauftakt eine in meinen Augen positive Entscheidung, die hinsichtlich der Strafzumessung bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes einer „Kleinmenge“ Betäubungsmittel Augenmaß beweist. AG und LG haben festgestellt, dass der Angeklagte „0,3 Gramm Amphetamingemisch mit einem Wirkstoffgehalt zwischen zehn und zwanzig Prozent wissentlich und willentlich bei sich führte.“ Dafür „fängt“ er sich wegen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei der Bemessung der Strafe hat das LG zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis im Berufungsverfahren sowie die geringe Betäubungsmittelmenge gewertet. Zu seinen Ungunsten hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist und zur Tatzeit unter Bewährung stand. Ferner hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte einen Bekannten veranlasst hat, vor Amtsgericht falsch auszusagen, um ihn selbst zu entlasten.
Dem OLG Stuttgart gefällt das gar nicht und es hat im OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.01.2016 – 1 Ss 776/15 – aufgehoben und zurückverwiesen: Begründung:
„Die Strafe von zwei Monaten Freiheitsstrafe ist nicht mehr schuldangemessen. Sie wird den Anforderungen an einen gerechten Schuldausgleich nicht mehr gerecht, weil sie zur Tat außer Verhältnis steht und den Rahmen des Schuldangemessenen überschreitet. Damit ist auch das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot verletzt…….
Ausgehend von diesen Maßstäben gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Landgericht die der Schuldbewertung durch den Umfang des Tatunrechts gesetzten Grenzen aus dem Blick verloren und demgegenüber den Gesichtspunkt des Handlungsunwerts – hier die täterbezogenen Umstände der Vorstrafen und des Bewährungsversagens – überbewertet hat. Die Tat ist der Bagatellkriminalität zuzuordnen und dort im untersten Bereich anzusiedeln. Bei dem beim Angeklagten vorgefundenen Amphetamingemisch handelt es sich um eine äußerst kleine Menge, die unter den Begriff der geringen Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG fällt.
Danach ist eine Menge als gering anzusehen, wenn sie zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist (Weber, BtMG, 4. Auflage, § 29 Rdnr. 2068 m.w.N.). Bei Amphetamin liegt die Obergrenze einer geringen Menge bei 150 mg (0,15 g) Amphetamin-Base (Weber a.a.O. Rdnr. 2077). Eine Konsum-einheit entspricht daher 50 mg (0,05 g) Base.
Nach den vorliegenden Feststellungen führte der Angeklagte deutlich weniger als eine Konsumeinheit bei sich. Bei einem zugunsten des Angeklagten angenommenen Wirkstoffgehalt von zehn Prozent errechnet sich aus der nach den Urteilsfeststellungen aufgefundenen Menge von 0,3 Gramm Amphetamingemisch ein Wirkstoffgehalt von 0,03 Gramm. Dies entspricht lediglich einem Fünftel der Obergrenze der geringen Menge.
Die Verhängung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe zur Sühne für Tatschuld und Tatunrecht ist bei dem Besitz einer derartigen Kleinstmenge – ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Vergangenheit eines Angeklagten oder dessen Nachtatverhalten – unverhältnismäßig und nicht mehr vertretbar. Die Sachverhaltsfeststellungen enthalten auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fremdgefährdung, etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte. Der neue Tatrichter wird daher prüfen, ob angesichts dieser Kleinstmenge noch besondere Umstände i.S.d. § 47 Abs. 1 StGB angenommen werden können, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur zur Verhängung der Mindestfreiheitsstrafe führen könnten, oder ob dem Übermaßverbot durch Verhängung einer geringen Geldstrafe zu entsprechen ist, soweit nicht ohnehin ein Absehen von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG in Betracht kommt.“