Schlagwort-Archive: BAG

Corona II: Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung, oder: Täuschung über Impffähigkeit

Bild von Roland Steinmann auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung aus dem Komplex „Corona-Nachbereitung“ etwas aus dem Arbeistrecht – ja , richtig: Arbeitsrecht 🙂

Es handelt sich um das BAG, Urt. v. 14.12.2023 – 2 AZR 55/23. Es betrifft die Frage der Zulässigkeit einer fristlosen Kündung eines Arbeitsverhältnisses nach einer (entdeckten) Täuschung über die Impffähigkeit.

Fristlos gekündigt worden ist das Arbeitsverhältnis einer Krankenschwester.Die hatte sich wegen Bedenken gegen die Corona-Impfung nicht impfen lassen wollen. Um das zu erreichen, hat sie im  Internet nach einer Möglichkeit, gesucht trotz der bestehenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht den Arbeitsplatz im Krankenhaus auch ohne die mRNA-Impfung zu behalten. Sie hat deshalb ein von einer (vermeintlichen) Ärztin unterschriebenes Attest erworben, in dem ihr vorläufige Impfunfähigkeit bescheinigt wurde. Ohne Überprüfung durch ein Allergiegutachten könne eine Impfung gegen das Covid-Virus schwerwiegende, wenn nicht sogar tödliche Wirkung haben. Entgegen dieser Bescheinigung hatte aber keine Kommunikation zwischen der Krankenschwester und das Attest ausstellenden Ärztin stattgefunden. Die Krankenschwester hat dieses Attest bei ihrem Arbeitgeber eingereicht, der es dann Gesundheitsamt vorgelegt hat.

Dort wurde die Fälschung als solche erkannt, weil die ausstellende Ärztin überhaupt nicht existierte. Der Arbeitsgeber hat daraufhin fristlos gekündigt. Dagegen die Kündigungsschutzklage der Krankenschwester, die beim ArbG Erfolg hatte. Das LAG hat dann aber die Kündigung bestätigt. Die Revision der Krankneschwester hatte beim BAG keinen Erfolg

Hier der Leitsatz der Entscheidung:

Ein in der Patientenversorgung eingesetzter Arbeitnehmer, der im Geltungsbereich von § 20a IfSG idF vom 10. Dezember 2021 wahrheitswidrig behauptet, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung sei festgestellt worden, dass er vorläufig nicht gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 geimpft werden könne, verletzt in erheblicher Weise eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht..

Ich empfehle im Übrigen die Entscheidung dem Selbststudium: Das BAG führt darin u.a. aus, dass  die Täuschung über die Impffähigkeit grundsätzlich für nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet, sei, einen irreparablen Vertrauensbruch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin zu begründen. Ob sich die Krankenschwester tatsächlich für impfunfähig hielt oder ob sie sich mit der Vorlage des falschen Attests strafbar gemacht habe, sei irrelevant. Maßgeblich sei, dass sie den Eindruck erweckt habe, sie sei ärztlich untersucht und für impfuntauglich befunden worden.

Hallo, ich bin in U-Haft – kann nicht zur Arbeit kommen

HaftHeute mal was aus dem arbeitsrechtlichen Bereich – nein, ich erweitere das Blog nicht auch noch auf Entscheidungen aus dem Themenbereich. Aber das BAG, Urt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 517/14 -, auf das ich durch die Berichterstattung in anderen Blogs gestoßen (worden) bin, hat einen straf(verfahrensrechtlichen) Bezug. Es geht nämlich um die Kündigung eines Arbeitsnehmers, der seinen Arbeitgeber nicht bzw. nicht rechtzeitig darüber informiert hatte – dass er sich in U-Haft befindet und des deshlab – nach einem Urlaub – nicht wieder zur Arbeit kommen kann. „Hallo, ich bin in U-Haft – kann nicht zur Arbeit kommen…“

Im Verfahren ging es um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen. Zwischen dem Kläger, dem Arbeitnehmer, und der beklagten, seinem Arbeitgeber, einem IT-Unternehmen, bestand eh schon Streit. Der Kläger wurde versetzt, war dann wegen Krankheit arbeitsunfähig und hatte im Anschluss daran bis Mitte Mai 2011 Erholungsurlaub. Am 26. 04.  2011 bat er seinen Vorgesetzten, ihn bis Anfang August 2011 von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen. Zur Begründung verwies er auf eine von ihm gegen die Versetzung erhobene Klage. Der Vorgesetzte lehnte eine Freistellung ab und erklärte, er erwarte den Kläger am 16. 05. 2011 an seinem Arbeitsplatz. Gegen den Kläger wurde ein Strafverfahren geführt. Am 28. 04. 2011 wurde er während der Verhandlung im Gerichtssaal verhaftet. Dabei war eine Rechtsanwältin zugegen, die das Verfahren für die Beklagte beobachtete. Grundlage der Verhaftung war ein Haftbefehl wegen des Verdachts der Erstellung falscher Lohnsteuerbescheinigungen und der unrechtmäßigen Vereinnahmung von Lohnsteuererstattungen. Der Kläger wurde in U-Haft genommen und in die (JVA gebracht. Kontakt zur Beklagten nahm er nicht auf. Er informierte sie weder über den Grund seiner Verhaftung, noch über den Ort seiner Unterbringung. Er blieb bis zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung am 08.11.2011 inhaftiert.

Die Beklagate hat dann später frsitlos gekündigt und die Kündigung u.a. damit begründet, dass der Kläger seine Pflicht verletzt habe, ihr nach dem Ende seines Urlaubs den Grund seiner fortwährenden Abwesenheit mitzuteilen. Von der U-Haft hatte sie erst in einem Anhörungstermin vor dem Integrationsamt am 09.06.2011 Kenntnis erlangt.

Das BAG sagt zur Mitteilungspflicht des Klägers:

„b) Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese Pflicht dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19 mwN). Aus ihr leitet sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen (ErfK/Preis 15. Aufl. § 611 Rn. 736; allgemein zum Recht der Schuldverhältnisse Palandt/Grüneberg BGB 73. Aufl. § 241 Rn. 7, § 280 Rn. 30). Wird der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, ist er deshalb gehalten, dem Arbeitgeber diesen Umstand unverzüglich anzuzeigen und ihn – im Rahmen des Möglichen – über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis zu setzen. Aus dem berechtigten Planungsinteresse des Arbeitgebers kann sich zudem die Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, über anstehende Haftprüfungstermine Auskunft zu geben…“

Aber: Wenn ich das Urteil richtig verstehe :-): Die nicht erfolgte Information des Klägers an seinen Arbeitgeber über die U-Haft stellt zwar die Verletzung einer Mitteilungspflicht dar, rechtfertigt aber nicht automatisch eine fristlose Kündigung. Wenn es so nicht stimmt: Die Arbeitsrechtler mögen es mir nachsehen….

Berufungsbegründung per Email? Das geht, ja, aber Vorsicht!

Email_2Mit fortschreitender Technisierung bzw. mit dem immer stärkeren Vordringen von Emails stellt sich natürlich auch immer wieder die Frage, ob und inwieweit in Rechtsstreitigkeiten/Verfahren mit Email gearbeitet werden kann. Mit der Frage hatte sich dann auch das BAG im BAG, Beschl. v. 11.07.2013 – 2 AZB 6/13 – zu befassen. Da ging es um die Wirksamkeit einer per Email übersandten Berufungsbegründung. Das BAG sagt dazu: Ein bestimmender Schriftsatz, also (auch) eine Berufungsbegründung, kann auch ohne qualifizierte elektronische Signatur formgerecht per E-Mail übermittelt werden. Auf diese Weise wahrt der Schriftsatz nach Auffassung des BAG aber nur dann die Rechtsmittelfrist, wenn er dem zuständigen Gericht – mit der in Kopie wiedergegebenen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten versehen – noch innerhalb der Frist in ausgedruckter Form vorliegt.

So übrigens auch schon vor einiger Zeit der BGH.

Also Vorsicht!