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Strafhaft ==> Kündigung?, Nein, so einfach geht das nicht…..

© Spencer - Fotolia.com

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Heute dann auch mal ein wenig Arbeitsrecht, aber mit strafverfahrensrechtlichem Einschlag. Es geht um das ArbG Ulm, Urt. v. 02.07.2015 – 2 Ca 411/14. Gestritten worden ist um die Wirksamkeit einer Kündigung. Der Arbeit­geber hatte das Arbeits­verhältnis mit seinem Arbeitnehmer (ordent­lich) gekündigt und als Kündigungs­grund eine Haf­tstrafe von drei Jahren und drei Monaten und die damit ver­bundene fehlende Plan­bar­keit in Bezug auf einen zeit­nahen Ein­satz des Arneitsnehmers angegeben. Dagegen die Kündigungsschutzklage zum ArbG. Das ArbG Ulm sagt: Nun, so eiunfach geht das nicht.

Denn – so die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Erlangung des Freigängerstatus‘ des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist.
  2. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann den Arbeitgeber im Einzelfall die Obliegenheit treffen, vor Ausspruch einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung den Vollzugsplan abzuwarten.

Und im Urt. heißt es dann nach einem Verweis auf die Rechtsprechung der BAG:

„d) Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des BAG an und entwickelt die Grundsätze dahingehend weiter, dass den Arbeitgeber im Rahmen der Mitwirkungspflicht gemäß 241 Abs. 2 BGB eine Obliegenheit treffen kann, den Vollzugsplan abzuwarten, falls die Erlangung des Freigängerstatus nicht vollkommen ausgeschlossen erscheint. Dies gilt zumindest bei einem Haftantritt ohne vorangegangener Untersuchungshaft. In diesem Fall sieht das Gesetz vor, dass unmittelbar nach dem Aufnahmeverfahren und der Behandlungsuntersuchung gemäß §§ 5 und 6 StVollzG ein Vollzugsplan erstellt wird. Der Vollzugsplan enthält gemäß § 7 Abs. 2 StVollzG zwingend Angaben zur Möglichkeit einer Beschäftigung im Rahmen des Freigangs. Die vom BAG statuierte Mitwirkungspflicht bei der Erlangung des Freigängerstatus wäre bedeutungslos, wenn der Arbeitgeber unmittelbar nach Haftantritt und noch vor Erstellung des Vollzugsplans durch eine Kündigung „vollendete Tatsachen“ schaffen könnte. Selbst wenn der Vollzugsplan sodann einen Freigang mit freiem Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist ermöglicht, hätte dies für den Arbeitnehmer keinen Nutzen. Wenn man mit dem BAG eine Mitwirkungspflicht bei der Erlangung des Freigängerstatus gemäß § 241 Abs. 2 BGB befürwortet, so setzt diese Pflicht i.d.R. voraus, dass der Vollzugsplan abgewartet wird. Vor Erlass des Vollzugsplan besteht noch überhaupt keine Grundlage für eine verlässliche Prognose, wie lange die haftbedingte Arbeitsverhinderung andauern wird. Für die Aufstellung einer solchen Prognose bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder man stellt ausschließlich auf die im Strafurteil verhängte Freiheitsstrafe ab oder man berücksichtigt darüber hinaus die Erlangung eines Freigängerstatus. Folgt man der ersten Alternative, so würde eine Freiheitsstrafe von mehr als 24 Monaten einen absoluten Kündigungsgrund bilden. Die Berücksichtigung des Einzelfalls wäre nicht möglich. Berücksichtigt man hingegen den Freigängerstatus bei der Zumutbarkeit von Überbrückungsmaßnahmen, so muss regelmäßig der Vollzugsplan abgewartet werden. Die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers bei der Erlangung des Freigängerstatus impliziert dies. Da die Erstellung des Vollzugsplans gesetzlich vorgesehen ist, kann sich der Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer auch nicht darauf berufen, er habe diese Vorschriften nicht gekannt.

e) Legt man diese Maßstäbe zu Grunde, liegt kein personenbedingter Kündigungsgrund vor. Es wäre der Beklagten zumutbar gewesen, bis zum Zeitpunkt des Freigangs Ende Mai / Anfang Juni 2015, d.h. für acht Monate, Überbrückungsmaßnahmen zu treffen. Die Arbeitsverhinderung des Klägers endete noch vor Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2015……“

Hallo, ich bin in U-Haft – kann nicht zur Arbeit kommen

HaftHeute mal was aus dem arbeitsrechtlichen Bereich – nein, ich erweitere das Blog nicht auch noch auf Entscheidungen aus dem Themenbereich. Aber das BAG, Urt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 517/14 -, auf das ich durch die Berichterstattung in anderen Blogs gestoßen (worden) bin, hat einen straf(verfahrensrechtlichen) Bezug. Es geht nämlich um die Kündigung eines Arbeitsnehmers, der seinen Arbeitgeber nicht bzw. nicht rechtzeitig darüber informiert hatte – dass er sich in U-Haft befindet und des deshlab – nach einem Urlaub – nicht wieder zur Arbeit kommen kann. „Hallo, ich bin in U-Haft – kann nicht zur Arbeit kommen…“

Im Verfahren ging es um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen. Zwischen dem Kläger, dem Arbeitnehmer, und der beklagten, seinem Arbeitgeber, einem IT-Unternehmen, bestand eh schon Streit. Der Kläger wurde versetzt, war dann wegen Krankheit arbeitsunfähig und hatte im Anschluss daran bis Mitte Mai 2011 Erholungsurlaub. Am 26. 04.  2011 bat er seinen Vorgesetzten, ihn bis Anfang August 2011 von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen. Zur Begründung verwies er auf eine von ihm gegen die Versetzung erhobene Klage. Der Vorgesetzte lehnte eine Freistellung ab und erklärte, er erwarte den Kläger am 16. 05. 2011 an seinem Arbeitsplatz. Gegen den Kläger wurde ein Strafverfahren geführt. Am 28. 04. 2011 wurde er während der Verhandlung im Gerichtssaal verhaftet. Dabei war eine Rechtsanwältin zugegen, die das Verfahren für die Beklagte beobachtete. Grundlage der Verhaftung war ein Haftbefehl wegen des Verdachts der Erstellung falscher Lohnsteuerbescheinigungen und der unrechtmäßigen Vereinnahmung von Lohnsteuererstattungen. Der Kläger wurde in U-Haft genommen und in die (JVA gebracht. Kontakt zur Beklagten nahm er nicht auf. Er informierte sie weder über den Grund seiner Verhaftung, noch über den Ort seiner Unterbringung. Er blieb bis zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung am 08.11.2011 inhaftiert.

Die Beklagate hat dann später frsitlos gekündigt und die Kündigung u.a. damit begründet, dass der Kläger seine Pflicht verletzt habe, ihr nach dem Ende seines Urlaubs den Grund seiner fortwährenden Abwesenheit mitzuteilen. Von der U-Haft hatte sie erst in einem Anhörungstermin vor dem Integrationsamt am 09.06.2011 Kenntnis erlangt.

Das BAG sagt zur Mitteilungspflicht des Klägers:

„b) Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Diese Pflicht dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19 mwN). Aus ihr leitet sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen (ErfK/Preis 15. Aufl. § 611 Rn. 736; allgemein zum Recht der Schuldverhältnisse Palandt/Grüneberg BGB 73. Aufl. § 241 Rn. 7, § 280 Rn. 30). Wird der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, ist er deshalb gehalten, dem Arbeitgeber diesen Umstand unverzüglich anzuzeigen und ihn – im Rahmen des Möglichen – über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis zu setzen. Aus dem berechtigten Planungsinteresse des Arbeitgebers kann sich zudem die Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, über anstehende Haftprüfungstermine Auskunft zu geben…“

Aber: Wenn ich das Urteil richtig verstehe :-): Die nicht erfolgte Information des Klägers an seinen Arbeitgeber über die U-Haft stellt zwar die Verletzung einer Mitteilungspflicht dar, rechtfertigt aber nicht automatisch eine fristlose Kündigung. Wenn es so nicht stimmt: Die Arbeitsrechtler mögen es mir nachsehen….