Es ist schon später am Tag und dann noch ein Posting im BOB. Aber ich denke, die Entscheidung, die ich vorstellen möchte, ist es wert, jetzt und heute vorgestellt zu werden und nicht irgendwann in den nächsten Tagen.
Es handelt sich um das KG, Urt. v. 15.12.2021 – (2) 3 StE 2/20-1 (2/20). Am Aktenzeichen kann man erkennen, dass es sich um ein Urteil in einem Staatsschutzverfahren handelt, das ich hier vor- und den Volltext einstelle. Es ist das Verfahren um den sog. Tiergartenmord. Ich denke, dass man zu dem Geschehen nicht viel schreiben muss, das sollte jedem bekannt sein. Und wem es nicht bekannt ist, der kann im KG-Urteil nachlesen, worum es sich handelt.
Das Urteil ist in meinen Augen im Übrigen ein geschichtliches Dokument und – leider – im Grunde genommen auch eine Vorhersage. Denn es weist einige Parallelen zu den unfassbaren aktuellen Geschehnissen in der Ukraine auf, wie Missachtung von Menschenleben, Missachtung der Souveränität eines anderen Staates, Lügen, Desinformation, usw. Alles das, was wir in Zusammenhang mit dem Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine gerade erleben. Und deshalb meine ich, dass viele Leser und Leserinnen des Blogs Interesse an der Lektüre des Urteils haben dürften. Es ist allerdings – darauf weise ich hier schon hin – im Original-PDF rund 88 Seiten lang. Man kann es also nicht mal so eben nebenbei lesen. Und das sollte man auch nicht tun. Dazu ist es m.E. zu interessant. Im Übrigen zeigt uns das Urteil: Wenn wir (noch) aufmerksamer hingeschaut und hingehört hätten, hätten wir vielleicht vieles von dem, was derzeit geschieht, ahnen können. Aber wahrscheinlich hätten wir nicht geglaubt, dass es passieren würde.
Ich habe davon abgesehen, hier einzelne Passagen aus dem Urteil zu zitieren bzw. einzustellen. Aber ich empfehle die Ausführungen des Senats zu den „niedrigen Beweggründen i.S. des “ 211 StGB und auch die zu den Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation Putin zu dem Geschehen in Berlin. Beides lesenswert.
Im Übrigen: Schon am 16.12.2021 am Tag nach der Verkündung des Urteils schalt das russische Außenministerium das Urteil als „in höchstem Maße nicht objektiv“ und es trage „den Charakter eines politischen Auftrags“. Dem „unschuldigen Staatsbürger“ bleibe der „Anspruch auf Berufung gegen das ungerechte Urteil beim Bundesgerichtshof vorbehalten“ (vgl. hier die Erklärung auf der Homepage der russischen Botschaft in Berlin).
Die „Berufung“ beim BGH ist dann aber wohl lieber doch nicht eingelegt worden, denn das Urteil ist am 23.12.2021 durch Fristablauf rechtskräftig geworden.
Zwei Anmerkungen noch: Das Original-PDF weist nach der Liste eingezogener Gegenstände ein Inhaltsverzeichnis auf, dass den schnellen Sprung in einzelne Kapitel ermöglicht (hat). Diese Möglichkeit ist leider durch das Einstellen des Volltextes verloren gegangen.
Und: Das Urteil ist mir ohne Leitsätze übersandt worden. Ich habe mir erlaubt, dem Urteil zwei Leitsätze voranzustellen. Nicht weil ich es besser weiß, sondern weil alle von mir eingestellten Entscheidungen mit Leitsätzen versehen sind.
Und schließlich: Dank an den Einsender, der ungenannt bleiben möchte und daher auch ungenannt bleibt.