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StPO III: Anhörung zur Fortdauer der Unterbringung, oder: Anhörung unter Einsatz von Videotechnik?

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Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen zum Verfahren in Zusammenhang mit der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung, u.a. in der Sicherungsverwahtung.

In beiden Entscheidungen haben die entscheidenden OLG zur Frage der Zulässigkeit der Anhörung des Untergebrachten mittels Einsatz von Videotechnik Stellung genommen. Sie sehen das grundsätzlich als unzulässig an, das OLG Hamm hat aber ein „Aber“.

Hier die beiden Entscheidungen mit den Leitsätzen:

Gemäß § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO muss ein Sicherungsverwahrter grundsätzlich persönlich angehört werden, auch wenn dieser in den Einsatz von Videotechnik einwilligt. Ausnahmsweise ist eine Anhörung im Wege der Videokonferenz dann zulässig, wenn im Sinne bestmöglicher Sachaufklärung ausgeschlossen ist, dass durch eine Anhörung in persönlicher Anwesenheit bessere Erkenntnisse erzielt werden können, sich der Sicherungsverwahrte nicht lediglich erst während seiner Anhörung mit dem Einsatz der Videotechnik bereit erklärt, sondern der Einsatz der Videotechnik ohne Veranlassung des Gerichts auf einen von ihm selbst bereits vor dem Anhörungstermin geäußerten Wunsch zurückgeht und er sich im Rahmen des Anhörungstermins auch tatsächlich äußern kann.

Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO unzulässig, die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung durch Zuschaltung zum Termin über Videokonferenztechnik durchzuführen.

StPO III: Anhörung des SV per Videokonferenz?, oder: Nicht bei Fortdauer der Unterbringung

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Und die dritte Entscheidung kommt dann aus dem Vollstreckungsverfahren, und zwar mit folgendem Sachverhalt..

Entschieden werden muss über die Fortdauer einer Unterbringung. Die StVK hat den Untergebrachten durch den beauftragten Richter mündlich angehört. Der Termin war in den Räumlichkeiten der Klinik, in der untergebracht war, anberaumt. An diesem Termin nahmen der anhörende Richter, der Untergebrachte mit seinem Verteidiger sowie zwei Gutachter der Unterbringungseinrichtung teil. Die Teilnahme des externen Sachverständigen an der Anhörung erfolgte im Wege der Bild- und Tonübertragung durch eine Videokonferenzschaltung. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Große Strafvollstreckungskammer dann die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde. Die hat mit dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.03.2023 – 1 Ws 9/23 – Erfolg:

„1.Die Entscheidung der Großen Strafvollstreckungskammer leidet an dem Verfahrensfehler, dass die nach den § 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO erforderliche mündliche Anhörung des Sachverständigen in persönlicher Anwesenheit unterblieben ist, sondern lediglich im Wege der Videokonferenzschaltung stattgefunden hat.

Die Durchführung der mündlichen Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung ist in der mit dem durch Art. 1 Nr. 65 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 25.06.2021 eingeführten und zum 01.07.2021 in Kraft getretenen Vorschrift des § 463e StPO geregelt (BGBl. I 2021, S. 2099). Holt das Gericht zur Vorbereitung einer Fortdauerentscheidung nach den § 67d Abs. 6, § 67e StGB ein Sachverständigengutachten ein, ist der Sachverständige gemäß § 463 Abs. 4 Satz 7, § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO mündlich zu hören. Nach § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StPO kann das Gericht für die Durchführung der mündlichen Anhörungen des Sachverständigen vor einer nach dem Abschnitt der StPO über die Strafvollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidung bestimmen, dass sich der Sachverständige bei der mündlichen Anhörung an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dieser mögliche Einsatz von Videokonferenztechnik im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen ist aber gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen, wenn der Verurteilte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt oder die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Wegen des besonderen Gewichts dieser, die (weitere) Vollstreckung von unbefristet angeordneten Freiheitsentziehungen betreffenden Entscheidungen sieht die Neuregelung des § 463e StPO eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten und des Sachverständigen im selben Raum vor, während bei zeitiger Freiheitsstrafe und bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt die mündliche Anhörung des Sachverständigen mittels audiovisueller Übertragung ohne Weiteres zulässig ist (s. BT-Drucks. 19/27654, 115 u. 116).

Bei der hier zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO unzulässig, die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung durch Zuschaltung zum Termin über Videokonferenztechnik durchzuführen.

2. Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 309 Rn. 8).“