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Was dürfen Amtsanwälte? oder: Beim LG dürfen Amtsanwälte nichts tun.

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den OLG Bremen, Beschl. v. 18.05.2020 – 1 Ws 49/20. Er nimmt Stellung zur Frage der Wirksamkeit von Prozesserklärungen von Amtsanwälten gegenüber dem Landgericht. Und: Die Wirksamkeit wird verneint:

„Der Verurteilte verbüßte Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven vom 19.02.2016 (26 Ds 980 Js 45341/14) und des Amtsgerichts Hannover vom 15.02.2017 (245 Ls 2081 Js 97827/14). Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.03.2020 setzte die Strafvollstreckungskammer den Rest der Freiheitsstrafen am 08.04.2020 zur Bewährung aus. Er wurde der Staatsanwaltschaft Bremen – Zweigstelle Bremerhaven – am 01.04.2020 zugestellt. Am 02.04.2020 legte diese Staatsanwaltschaft per Telefax durch eine Oberamtsanwältin sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss ein. Mit Verfügung vom 12.05.2020, eingegangen per Telefax am 13.05.2020, nahm die Staatsanwaltschaft Bremen – Zweigstelle Bremerhaven – die Beschwerde zurück.

Die notwendigen Auslagen des Verurteilten waren gem. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO der Staatskasse aufzuerlegen. Die zurückgenommene Beschwerde war bereits unzulässig und konnte keinerlei Wirkung entfalten.

Die Strafvollstreckung steht den Amtsanwälten gem. § 451 Abs. 2 StPO nur insoweit zu, als sie ihnen die Landesjustizverwaltung übertragen hat. Eine solche ist in Bremen nicht erfolgt. Damit sind die Amtsanwälte von jeder Prozeßerklärung gegenüber dem Landgericht ausgeschlossen.

Gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StPO (muss GVG heißen) wird das Amt der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten durch Staatsanwälte ausgeübt. Amtsanwälte sind gem. §§ 142 Abs. 1 Nr. 3, 145 Abs. 2 StPO (muss GVG heißen) grundsätzlich auf Tätigkeiten bei den Amtsgerichten beschränkt. Prozeßerklärungen von Amtsanwälten gegenüber dem Landgericht verstoßen gegen das für sie geltende gesetzliche Verbot, Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft vor den Landgerichten wahrzunehmen und sind unwirksam (BayObLG, Beschluß vom 12.12.1973 – RReg. 1 St 201/73, NJW 1974, 761; BGH, Beschluss vom 29. November 2011 – 3 StR 281/11 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 63. A. 2020, § 142 GVG Rn 19; KK-StPO/Mayer, 8. Aufl. 2019, GVG § 142 Rn. 3 ; BeckOK GVG/Huber, 6. Ed. 1.2.2020, GVG § 142 Rn. 7).“

Der Amtsanwalt – in der Hauptverhandlung beim LG kein „kleiner Staatsanwalt“…

Der BGH, Beschl. v. 29.11.2011 – 3 StR 281/11 behandelt eine in der Praxis sicherlich nicht allzu häufige Konstellation, nämlich den Amtsanwalt in der Hauptverhandlung beim LG. Dort war einer Amtsanwältin ein umfassendes Fragerecht eingeräumt worden. Das ist unzulässig, sagt der BGH.

„-— Allerdings hat das Landgericht – wie durch das Protokoll belegt wird – der Oberamtsanwältin gesetzeswidrig in der Hauptverhandlung Verfahrensrechte eingeräumt, indem es sie umfassend hat Fragen an Beweispersonen stellen lassen. Nach § 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 145 Abs. 2 GVG dürfen Amtsanwälte das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten wahrnehmen. In Verhandlungen vor den Landgerichten dürfen ihnen – unabhängig von ihrer persönlichen Qualifikation – Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft nicht übertragen werden, auch nicht unter Aufsicht eines Staatsanwaltes (vgl. KK/Schmidt/Schoreit, StPO, 6. Aufl., § 145 GVG Rn. 6). Dies ergibt sich schon daraus, dass einem Rechtsreferendar gemäß § 142 Abs. 3 GVG im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht beim Landgericht übertragen werden kann, während eine entsprechende gesetzliche Regelung für Amtsanwälte fehlt.

Das gesetzliche Verbot für Amtsanwälte, Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft vor den Landgerichten wahrzunehmen, darf nicht durch die Einräumung eines umfassenden Fragerechts in der Hauptverhandlung nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO umgangen werden. Der Vorsitzende kann nicht prozessbeteiligten Personen lediglich gestatten, einzelne Fragen unmittelbar an den Angeklagten, einen Zeugen oder einen Sachverständigen zu richten, wenn er dies nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse der Wahrheitsfindung für zweckmäßig hält und dadurch die berechtigten Interessen anderer Verfahrensbeteiligter nicht beeinträchtigt werden (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 240 Rn. 9). Die Einräumung des Fragerechts bezieht sich dabei aber stets auf einzelne Fragen; sie darf nicht zu einer Übertragung von gesetzlich nicht vorgesehenen generellen Teilnahme- und Fragerechten an einen unzuständigen Amtsträger führen. Dem steht nicht entgegen, dass nach teilweise vertretener Ansicht Amtsanwälte in Verfahren, die sie nicht selbständig bearbeiten dürfen, als Ermittlungsassistenten zur Unterstützung des Staatsanwalts herangezogen werden können (LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 142 GVG Rn. 30). Denn im Falle einer solchen Zuarbeit verbleibt die Wahrnehmung der Rechte der Anklagebehörde bei dem sachbearbeitenden Staatsanwalt.“

Geholfen hat es dem Angeklagten allerdings nicht. Denn der BGH hat das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler ausgeschlossen.