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Aber fahren konnte er noch…

Gerade in der Tagespresse hier in Münster gelesen, vgl. z.B. aber auch hier: „Schlangenlinienfahrt mit 4,4 Promille„. Gehen und Sprechen ging bei dem Kraftfahrzeugführer nicht mehr, Pusten war kaum möglich, aber mit dem Auto fahren, das ging noch. Ich bin über solche „Glanzleistungen“ immer wieder überrascht. 4,4 Promille, das reicht ja für viermal absolut fahruntüchtig.

Tat unter Alkohol – deshalb Pflichtverteidiger?

Den Automatismus: Tat unter Alkohol,  deshalb Beiordnung eines Pflichtverteidigers, gibt es nicht. Darauf weist ein schon etwas älterer KG-Beschluss hin, auf den ich erst jetzt gestoßen bin (vgl. KG, Beschl. v.22.09.2009 – (3) 1 Ss 350/09 [130/09]). Wenn es diesen Automatismus gäbe, würde das sicherlich auch zu einer wahren Inflation von Beiordnungen führen. Deshalb (?) schränkt das KG ein und führt aus:

Allein der Umstand, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten unter Alkoholeinfluss stehend begangen haben soll, begründet für sich genommen noch keinen notwendigen Fall der Verteidigung. Etwas anderes gilt aber, wenn der bei dem zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisierten Angeklagten langjährige Alkoholabhängigkeit und ggf. eine Epilepsieerkrankung zusammentreffen. Dann ist der Angeklagte nach Auffassung des KG wohl unfähig, sich selbst zu verteidigen, und es liegt ein Beiordnungsgrund nach § 140 Abs. 2 StPO vor.

Absolutes Alkoholverbot (?), Verstoß aber erst bei mindestens 0,2 ‰

Seit einiger Zeit gibt es ja das sog. absolute Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen (§ 24c StVG), das das Zusichnehmen alkoholischer Getränke während der Fahrt verbietet und auch den Antritt der Fahrt „unter der Wirkung alkoholischer Getränke“. Zu letzterem ist man sich einig, dass dieses Tatbestandsmerkmal nur erfüllt ist bei Vorliegen einer Atemalkoholkonzentration von mindestens 1 mg/l bzw. einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,2 Promille.

So jetzt auch das AG Langenfeld/Rhld., Urt. v. 20. 4. 11 – 20 OWi 30 Js 1563/11(42/11). Ähnlich hatte in der Vergangenheit schon das AG Herne entschieden (vgl. VRR 2009, 114 = StRR 2009, 270 = VA 2009, 65). Verwiesen wird dazu auf die BT-Drucks. 16/5047, S. 9.

Ist ja schon eigenartig: Absolutes Alkoholverbot, aber es wird erst wirksam/sanktioniert ab mindestens 0,20 Promille.

Fahrer voll, Beifahrer Mitschuld?

Das OLG Naumburg, Urt. v. 20.02.2011 – 1 U 72/10 behandelt eine Fallgestaltung, die in der Praxis wahrscheinlich gar nicht so selten ist: Nämlich die Mitfahrt bei einem alkoholisierten Kraftfahrer und die Frage des Mitverschuldens des Mitfahrenden, wenn es zu einem Unfall kommt und der Beifahrer verletzt wird.

Dazu das OLG:

„Bei der Frage, ob einem Beifahrer unter dem Gesichtspunkt der Alkoholisierung des Fahrers ein Mitverschulden zuzurechnen ist, ist von folgenden Voraussetzungen auszugehen: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1989, 2365) kommt es für die Frage, ob der Geschädigte die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit kannte oder erkennen musste, darauf an, ob und in welchem Umfang der Fahrer in Gegenwart des Geschädigten alkoholische Getränke zu sich genommen hat oder welche Ausfälle in seinem Beisein der Fahrer gezeigt hat, die auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen lassen. Die Obergerichte haben sich diesem Ansatz dem Grunde nach angeschlossen (z.B. OLG Hamm OLGR 1998, 145; OLG München OLGR 1998, 107; OLG Hamm OLGR 1997, 243; OLG Köln VRS 90, 92; OLG Oldenburg 1998, 277). Hierbei wird davon ausgegangen, dass aus dem Grad der Blutalkoholkonzentration – jedenfalls im Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit – keine zwingenden Rückschlüsse auf erkennbare alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezogen werden können (OLG Naumburg Urteil vom 25.9.2001 – 9 U 121/00 – [z.B. NZV 2002, 459]).

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Endlich: Zahlen auf dem Tisch, oder: Wie besoffen muss ich sein,…

…damit eine Einwilligung in die Blutentnahme mit der Folge, dass die richterliche Anordnung (§ 81a Abs. 2 StPO) nicht erforderlich ist, nicht mehr wirksam ist. Zu der Frage hatte es bisher zwei Entscheidungen gegeben, die sich damit eingehender auseinandergesetzt hatten, nämlich OLG Bamberg und LG Saarbrücken. In beiden Entscheidungen waren aber konkrete Zahlen nicht genannt worden, so dass die Frage, ab wann denn nun erfolgversprechend die Unwirksamkeit einer Einwilligung wegen fehlender Einwilligungsfähigkeit geltend gemacht werden kann, offen war.

Dazu liegt aber jetzt die erste obergerichtliche Entscheidung vor. Das OLG Hamm hat in seinem Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10 ausgeführt, dass dann, wenn ein Beschuldigter in eine Blutprobenentnahme einwillige, es regelmäßig keiner Anordnung zu einer Entnahme derselben durch einen Richter bedürfe – insoweit nichts Neues. Auch nicht neu ist, dass die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklärt werden muss. Neu sind aber die Ausführungen zur Einwilligungsfähigkeit. Insoweit gilt: Liegt nur eine mittelmäßige Alkoholisierung (im entschiedenen Fall:  1,23 Promille) ohne deutliche Ausfallerscheinungen vor, sei von einer solchen auszugehen. Das OLG führt weiter aus:

„Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.“

Daraus wird man den Schluss ziehen können/Müssen: Ab 2 Promille war es das mit der Wirksamkeit der Einwilligung. Das entspricht in etwa der Grenze, ab der die Obergerichte im Urteil Ausführungen zu § 21 StGB erwarten.