Länger nichts gehört von der „Bearbeitungsgebühr“, die von dem Dieb/der Diebin nach einem Ladendiebstahl verlangt wird. Zu der Frage hat sich jetzt aber das AG Berlin-Spnadau mit dem AG Berlin-Spandau, Urt. v. 28.12.2015 – 6 C 444/15 – gemeldet. Im Vordergrund steht in der Entscheidung nicht die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen „Gebühr“, sondern die Frage der zulässigen Höhe. Und das AG meint: 100 € sind zu viel/zu hoch:
„Die von der Beklagten verwendete Klausel ist jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger wider Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche Benachteiligung kann darin liegen, dass die Vertragsstrafe unangemessen hoch ist (Grüneberg a. a. O. Rndr. 12; Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 23. Januar 2003 – VII ZR 210/01 [Rdnr. 56 bei juris]). So liegen die Dinge hier:
Eine Vertragsstrafe hat eine doppelten Zweck. Sie soll Druck auf den Vertragspartner im Sinne vertragsgerechten Verhaltens ausüben und eine erleichterte Schadloshaltung ohne Einzelnachweis ermöglichen (BGH a. a. O.; Grüneberg a. a. O. Rdnr. 1). Beide Funktionen rechtfertigen eine Vertragsstrafe in der in Rede stehenden Höhe nicht:
Da sich einerseits ein Ladendieb zur Minimierung des Risikos, entdeckt zu werden, auf die Entwendung weniger und von den Ausmaßen her nicht umfangreicher Waren beschränken wird, und andererseits das Sortiment von Supermärkten wie dem von der Beklagten betriebene durch Waren mit niedrigen Preisen gekennzeichnet ist, wird der Wert der entwendeten Waren in der Regel nur einen geringen Bruchteil der von der Beklagten ausbedungenen Vertragsstrafe ausmachen. So beträgt auch im vorliegenden Fall der Kaufpreis der entwendeten Teewurst lediglich 2,65% von € 75,- Diese Diskrepanz lässt sich nicht rechtfertigen. Für einen Teilbereich, in dem Kunden durch die Androhung von Vertragsstrafen zur Unterlassung von Manipulationen und Zahlung des Kaufpreises angehalten werden sollen, nämlich bei der Lieferung von Gas und Strom, sehen die §§ 10 GasGVV und 10 StromGVV jeweils an der Dauer des unbefugten Verbrauchs orientierte (Abs. 1) bzw. auf das Zweifache des geschuldeten Kaufpreises begrenzte (Abs. 2) Vertragsstrafen vor und ermöglichen auf diese Weise eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Demgegenüber lässt es der Festbetrag der hier zu beurteilenden Klausel nicht zu, den Besonderheiten des Einzelfalles und insbesondere der Geringfügigkeit des entwendeten Gegenstandes Rechnung zu tragen mit der Folge, dass – wie hier – ein grobes Ungleichgewicht entstehen kann.
Der weitere Gesichtspunkt der erleichterten Schadloshaltung tritt vorliegend ohnehin in den Hintergrund. So macht die Beklagte auch nur ihr Interesse daran geltend, sich vor Ladendiebstählen zu schützen. Auf einen mit der Vertragsstrafe abzugeltenden Vermögensschaden beruft sie sich selbst nicht. Ein mit einem Ladendiebstahl in Zusammenhang stehender Vermögensschaden dürfte auch – anders als etwa der Verzugsschaden bei Überschreitung von Fertigstellungsterminen im Baugewerbe (vgl. das Versäumnisurteil des BGH vom 23. Januar 2003 – VII ZR 210/01) unschwer zu beziffern sein. Im Übrigen gilt auch hier, dass die starre Festlegung auf € 75,- außer Verhältnis zu dem ersatzfähigen Schaden stehen kann und dies im vorliegenden Fall auch tut. Ein Sachschaden – in Höhe des Kaufpreises kann der Beklagten aufgrund des Diebstahls allenfalls dann entstehen, wenn das Diebesgut aufgrund von im Zusammenhang mit der Entwendung verursachten Beschädigungen nicht mehr zum Verkauf angeboten werden kann. Zusätzliche regelmäßig entstehende ersatzfähige Kosten sind darüber hinaus nicht ersichtlich. „Bearbeitungsgebühren“ sind – wie schon erwähnt – kein ersatzfähiger Schaden. Dies gilt auch für die Kosten der zur Verhinderung und Aufdeckung von Diebstählen installierten Kameras und Monitore (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. November 1979 – VI ZR 254/77 [unter II.2.a.aa]). Ob die Beklagte ihren Mitarbeitern für die Überführung eines Ladendiebes eine Fangprämie versprochen hat und zahlt, bedarf keiner Klärung. Eine solche Prämie kann zwar einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen (BGH a. a. O. unter II.2.). Sie kann aber bei der abstrakten Beurteilung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe keine Berücksichtigung finden. Denn ob eine Fangprämie zu dem durch einen Ladendiebstahl verursachten Vermögensschaden gehört, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a. a. O. unter II.2.b.bb) kann die Erhebung einer Pauschale in Bagatellfällen – die in Supermärkten nicht selten sein dürften – unzulässig sein.“
Aber: „Klauen“ sollte man trotzdem nicht 🙂