Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat am 21.07.2009 entschieden, wegen der Ausstellung eines Gartenzwerges, der den Hitlergruß zeigt, kein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten.
Aufgrund der Berichterstattung Nürnberger Zeitungen vom 15.07.2009 wurden durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Vorermittlungen veranlasst. Nach den Zeitungsartikeln befand sich im Schaufenster einer Galerie in der Nürnberger Innenstadt ein goldfarbener, ca. 40 cm hoher Gartenzwerg, welcher den gestreckten rechten Arm zum sogenannten Hitlergruß hebt. Die veranlassten Abklärungen durch das Fachkommissariat der Kripo haben den Inhalt der Zeitungsartikel bestätigt. Der Zwerg wurde allerdings zwischenzeitlich aus dem Schaufenster genommen. Der Verantwortliche der Galerie wurde informatorisch befragt. An den Künstler, von dem der Zwerg stammt, wurde nicht herangetreten. Dieser hat sich öffentlich in der Zeitung dahingehend geäußert, der Zwerg sei Teil einer Kunstaktion gegen Rechts in Belgien gewesen. Er wies weiter darauf hin, „Es sollte doch klar sein, dass Gartenzwerge dämlich sind und dämliche Dinge tun. 1942 wäre ich dafür von den Nazis erschossen worden.“
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht veranlasst. Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB ist weder beim Künstler noch beim Galerieverantwortlichen in einer der dort genannten Tathandlungen belegt. Zwar stellt der Hitlergruß ein Kennzeichen der ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) dar. Jedoch wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation dann nicht erfasst, wenn dies in einer Darstellung geschieht, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt. Dies läuft dem Schutzzweck von § 86a StGB laut BGH ersichtlich nicht zuwider. Auch erstreckt sich der Tatbestandsausschluss grundsätzlich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen, sei es Herstellung, Vorrätighalten, Verbreiten und sonstiges Verwenden. Dem Tatbestandsausschluss steht auch der Umstand nicht entgegen, dass auch oder sogar vorrangig kommerzielle Ziele verfolgt werden. Eine Verletzung von § 86a StGB kommt lediglich dann in Frage, wenn der Aussagegehalt der Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar ist. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kommt bei dem Künstler, der sein Werk als Kunst verkauft und damit den Nationalsozialismus der Lächerlichkeit preisgeben wollte, eine Strafbarkeit nicht in Betracht. Bei der Gesamtschau wird die Gegnerschaft zur Ideologie hinreichend deutlich. Dem entsprechend ist die Entscheidung hinsichtlich des beteiligten Galeristen. Dieser ging davon aus, ein Kunstwerk gegen Rechts zu vertreiben. Von rechtem Gedankengut hat er sich bei seiner Befragung distanziert.
Diese Entscheidung über die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens bezieht sich ausdrücklich nur auf die konkrete Prüfung hinsichtlich des Künstlers sowie des Galeristen. Hinsichtlich der Verwendung der Gartenzwerge sieht die Staatsanwaltschaft im Übrigen ein gewisses Missbrauchspotential. Die zukünftige öffentliche Verwendung derartiger Zwerge wird in jedem Einzelfall hinsichtlich einer möglichen Strafbarkeit nach § 86a StGB zu prüfen sein.
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Dieser interessanten Verfügung sei folgendes Zitat aus einer Anklageschrift der StA Dresden gegenübergestellt; es geht um eine Grafik, bei der SS-Runen verwendet wurden, um auf die Tradition von Zapfenstreichen der Bundeswehr in allen Epochen der Geschichte – und damit auch (und insbesondere) in der NS-Zeit – kritisch aufmerksam zu machen.
„Die in der Darstellung enthaltenen Worte ‚Wider der Militarisierung des Alltags‘ enthalten keine erkennbare Distanzierung zu SS und NS-Gut. Zudem richtet sich der Text allgemein gegen eine Militarisierung des Alltags, insbesondere in Form eines Zapfenstreichs. Was dies mit der Waffen-SS zu haben soll, bleibt offen. Die Waffen-SS war eine paramilitärische Organisation – und als solche nicht an Zapfenstreichen beteiligt.“
Damit behauptet die StA Dresden, dass die inkriminierte Grafik nicht „in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt“. Gewagt.
Verhandelt wird am kommenden Montag in Dresden (ich verteidige in dem Verfahren), das gesamte Verfahren wird seit längerem ausführlich dokumentiert.
PS: Die Verfügung der Staatsanwaltschaft Nbg-Fürth ist rechtlich natürlich fehlerhaft, da – so sagt es die Verfügung ja gerade am Ende selbst – der Zwerg eben nicht „in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt“. Allerdings ist sie im Ergebnis richtig da „Kunst“, § 86a Abs. 3 iVM § 86 Abs. 3 StGB. Zugleich macht der Gartenzwerg-Fall das gesamte rechtspolitische Dilemma des 86a deutlich, da zwar wegen „Kunst“ nicht ermittelt werden kann, aber dennoch gegen fast alle Schutzzwecke des 86a verstoßen wird.
So, Nachtrag:
1.) Ich schrieb „Allerdings ist sie im Ergebnis richtig da “Kunst”, § 86a Abs. 3 iVM § 86 Abs. 3 StGB.“ Wenn man sich (potentiell) irrt, muss man sich korrigieren, was ich hiermit tue. Denn – eigentlich auch naheliegend – Abs. 3 stellt keinen Freibrief generell aus, die Rechtsprechung hat hier explizit die Schranken gesetzt, und zwar – ebenso wie bei der Frage des Reduktion des Straftatbestandes – orientiert an den Schutzzwecken des § 86a. In BGH 3 StR 89/79 heißt es entsprechend: „Bei der gegebenen Sachlage greift auch die gemäß § 86a Abs 3 StGB entsprechende anwendbare Klausel des § 86 Abs 3 StGB nicht ein. Denn aus dem Gesagten folgt, daß durch die massenhafte Verbreitung der Hakenkreuze auch unter den gegebenen besonderen Umständen der Schutzzweck der Vorschrift verletzt wird. Eine Kennzeichenverwendung, die diesen Schutzzweck verletzt, kann niemals die Voraussetzungen der Klausel erfüllen.“ Bleibt anzumerken, dass die Einstellungsverfügung der StA Nürnberg-Fürth somit als fehlerhaft zu bezeichnen ist.
2.) Das Verfahren in Dresden (s.o.) endete heute mit einem Freispruch.