Am Gebührenfreitag eröffne ich mit einer Entscheidung des LG Hanau, leider eine „zum Ärgern“. Das LG hat im LG Hanau, Beschl. v. 18.05.2020 – 7 Qs 38/20 – zur Frage der Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren Stellung genommen. Der Verteidiger hatte Gebühren in Höhe von 50 % über der Mittelgebühr geltend gemacht, die Bezirksrevisorin hatte Gebühren 30 % unter der Mittelgebühr als angemessen angesehen. Der Rechtspfleger folgt (natürlich) der Bezirksrevisorin. Und das LG meint dann auf das Rechtsmittel des Verteidigers dazu:
„Das Amtsgericht hat die Gebührenkürzungen zu Recht vorgenommen.
Es wird vorliegen auf die ständige Rechtsprechung des Landgerichts Hanau verwiesen. Danach lautet es wie folgt:
,,Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Verfahrens ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus anderen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Nach den Bewertungsmaßstäben der Kammer ist eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit keineswegs gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall aller Ordnungswidrigkeitenbereiche. Auf diesen Durchschnittsfall ist die Mittelgebühr zugeschnitten und nicht auf einen Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die weit überwiegende Anzahl der Verkehrsordnungswidrigkeiten beinhaltet alltägliche Verkehrsübertretungen, die in großer Zahl auftreten und zu deren Verfolgung und Ahndung in allen Verfahrensabschnitten überwiegend automatisiert bzw. standardisiert gearbeitet wird, auch auf Seiten der Verteidiger. Diese Massenverfahren weisen weder einen komplizierten Sachverhalt auf noch ist bei ihrer Bearbeitung ein umfangreicher Zeit- oder Begründungsaufwand erforderlich, Deshalb scheint es insbesondere mit Blick auf die Höhe der Verteidigergebühren in Strafsachen für die Kammer nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgebühr aller Ordnungswidrigkeitenverfahren anzusetzen. Auch die große Anzahl der Verfahren rechtfertigt dies nicht. Die Mittelgebühr ist auf den allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zu geschnitten (vgl. LG Landshut, Entscheidung v. 19.01.2017, Az.; 3 Os 1417, zitiert nach Juris; LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.05.2015, Az.: 5/9 Os OWi 26115).“
Der vorliegende Sachverhalt gibt keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Es handelte sich lediglich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einem Bußgeld von 160 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot geahndet wurde.
Aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung bedurfte es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, so dass das Verfahren mit einfachem Beschluss eingestellt werden musste. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, inwieweit Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit von einer durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeit abgewichen sein soll, Das bloße Verlangen ergänzender Akteneinsicht unter Vorlage der Dokumentationsfotos hinsichtlich eines längeren Messzeitraums führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Denn hieraus folgt keine andere Bewertung hinsichtlich der Durchschnittlichkeit der Verkehrsordnungswidrigkeit.
Mithin bleibt es auch im vorliegenden Fall bei der seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts.“
Wenn es in dem Beschluss in meinen Augen ein wenig „stolz“ anklingt: „Mithin bleibt es auch im vorliegenden Fall bei der seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts.“ kann ich dazu sagen: Darauf muss man nicht stolz sein. Denn siese Mithin bleibt „seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts“ ist dann seit Jahren falsch. Denn die Unterteilung, die das LG vornimmt ergibt sich nicht aus § 14 RVG. Aber: Das kann man predigen uns schreiben, so viel man will und Lust/Zeit hat. Die Landgerichte, die diese falsche Auffassung vertreten, sind in ihrer unerforschlichen Weisheit von diesem falschen Kurz nicht abzubringen. Zum Glück gibt aber auch welche, die es anders = richtig machen und von der Mittelgebühr auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ausgehen. Die Staatskasse freut natürlich diese falschen Entscheidungen.
Fazit: Es hätte die Mittelgebühr als Ausgangspunkt für die Gebührenbeechnung zugrunde gelegt werden müssen. Die wäre dann entspechend den vorliegenden Umständen angemessen zu erhöhen oder zu reduzieren gewesen. M.E. hätte man es hier bei der Mittelgebühr belassen müssen/können. Jedenfalls sehe ich nicht genügend Umstände, um die Mittelgebühr um 50% zu überschreiten. Allerdings auch keine, um sie um 30 % zu unterschreiten 🙂 .