OWi III: Abwesenheitsverhandlung: Zuvor gestellte Anträge sind zu bescheiden

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Und die dritte Entscheidung des Tages stammt dann vom OLG Jena. Sie bterifft das Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG. Nein, es geht mal nicht um die Verwerfung des Einspruchs des (von der Anwesenheitspflicht entbundenen) Betroffenen, sondern um die Frage, wie in der Abwesenheitsverhandlung mit zuvor vom Betroffenen abgegebenen Erklärungen und (Beweis)Anträgen umzugehen ist.

Nun, das liegt auf der Hand. Diese Anträge/Erklärungen sind in die Hauptverhandlung einzuführen und zu bescheiden. Und da das AG das hier nicht getant hatte bzw. sich das nicht aus dem Hauptverhandlungsprotokoll bzw. dem Urteil ergeben hat, hat das OLG im OLG Jena, Beschl. v. 27.02.2020 – 1 OLG 151 SsRs 32/20 – wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiiG) die Rechtsbeschwerde zugelassen und das AG-Urteil aufgehoben:

„Da im Hauptverhandlungstermin vom 12.04.2018 weder der von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, verfuhr das Amtsgericht nach § 74 Abs. 1 OWiG. Wird das Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG durchgeführt, so ist der wesentliche Inhalt früherer Vernehmungen des Betroffenen und seine schriftlichen oder protokollierten Erklärungen durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen, § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG. Dadurch wird sichergestellt, dass zum Ausgleich für die weitgehende Durchbrechung des das Strafverfahren beherrschenden Mündlichkeitsprinzips alle wesentlichen Erklärungen, die der Betroffene in irgendeinem Stadium des Bußgeldverfahrens zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgegeben hat, bei der Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 03.01.1996, Az. 2 ObOWi 911/95; OLG Celle, Beschluss vom 28.06.2016, 2 Ss (OWi) 125116; jeweils bei juris). Die Verlesung bzw. Bekanntgabe gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung im Sinne des § 274 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG, deren Beobachtung nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (BayObLG, a.a.O., m.w.N.). Ausweislich des Protokolls ist somit davon auszugehen, dass auch die Beweisanträge gemäß Schriftsatz vom 10.04.2018 in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, da der Schriftsatz „dem wesentlichen Inhalt nach verlesen“ worden ist. Dass die gestellten Beweisanträge in der Hauptverhandlung nicht beschieden worden sind, ergibt sich aus dem Schweigen des Protokolls hierüber. Ob die Beweisanträge in der Hauptverhandlung hätte beschieden werden müssen, weil sie durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, oder, ob auch in einem derartigen Fall Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen zu behandeln sind, über die im Rahmen der Amtsaufklärung zu befinden ist, weshalb eine Ablehnung derartiger durch Beschluss in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil sich das Amtsgericht unter Zugrundelegung der letztgenannten Auffassung sich dann jedenfalls in den Urteilsgründen mit den Beweisanträgen hätte auseinandersetzen und in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise begründen müssen, weshalb es von der beantragten Beweiserhebung abgesehen hat (vgl. BayObLG, a.a.O.; Beschluss des Senats vorn 11.09.2019, 1 OLG 191 SsBs 119/18). Hierzu wird im angefochtenen Urteil jedoch nichts ausgeführt.

Durch diese Verfahrensweise wurde dem Betroffenen rechtliches Gehör versagt.

Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art.103 Abs. 1 GG) soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet daher das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BayObLG, a.a.O., m.w.N.). Der Umstand, dass das Amtsgericht ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung den Beweisantrag weder in der Hauptverhandlung beschieden noch in den Urteilsgründen sich mit ihm auseinandergesetzt hat, lässt besorgen, dass es bei seiner Entscheidung die Ausführungen des Verteidigers insoweit nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat; damit hat es das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt (vgl. BayObLG, a.a.O., m.w.N.).

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