In der Literatur besteht im Recht der Verständigung (§ 257c StPO) Streit, ob die Dauer einer Sperrfrist (§ 69a StGB) abgesprochen werden bzw. darüber eine Verständigung (§ 257c StPO) getroffen werden kann. Das wird, u.a. von Meyer-Goßner/Schmitt unter Hinweis darauf, dass es sich um eine Maßregel der Sicherung und Besserung handelt, verneint. Ich habe es in den Handbüchern EV und HV anders gesehen und die Frage bejaht, weil es nur um die Ausfüllung der Maßregel geht. So dann jetzt auch das OLG Nürnberg, im OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.08.2016 – 2 OLG 8 Ss 289/15:
„c) Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verständigung ergeben sich auch nicht aus der Ankündigung der Anordnung einer Sperrfrist von noch drei Monaten für den Fall des Entzugs der Fahrerlaubnis.
Gemäß § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO dürfen Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Hierzu rechnen nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht nicht nur die Anordnung der Maßregeln selbst (hier die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB), sondern auch die Folgeentscheidungen, also die Bestimmung einer Sperrfrist nach § 69a StGB (so Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg StPO aaO. § 257c Rdn. 29; hierzu tendiert auch Meyer-Goßner/Schmitt StPO aaO., § 257c Rdn. 9). Der Gesetzgeber führt hierzu aus (BT-Drucks. 16/12310, S. 14):
„Gegenstand einer Verständigung dürfen auch nicht Maßregeln der Besserung und Sicherung sein. Diese eröffnen – bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen – grundsätzlich keinen Entscheidungsspielraum des Gerichtes wie bei der Strafzumessung.“
Daraus folgt, dass lediglich die Anordnung der Maßregel selbst verständigungsfeindlich ist, nicht aber die einem Entscheidungsspielraum unterliegenden Folgeentscheidungen. Zu diesen gehört gerade die Festlegung einer Sperrfrist. Für eine Zulassung der Verständigung über die Sperrfrist spricht im Übrigen auch der Umstand, dass sich das Verbot der Verständigung über Maßregeln zwar ohne weiteres hinsichtlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung wegen ihres tiefen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten und – über die Wirkung einer Freiheitsstrafe hinaus – auch in dessen Freiheitsrecht wegen der unabsehbaren Dauer einer solchen Maßnahme erschließt, nicht jedoch hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und erst recht nicht hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist (vgl. Temming, in Gercke/Julius/Temming u.a. StPO, aaO. § 257c Rdn. 27; Eschelbach, in Beck-OK-StPO § 257c Rdn. 114).
Der Umstand, dass das Berufungsgericht eine feste Sperrfrist in Aussicht gestellt hat und nicht einen Rahmen, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Verständigung. § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO, der die Bekanntgabe der Unter- und Obergrenze der zu verhängenden Rechtsfolgen vorschriebt, gilt nur für die Strafe (vgl. BT-Drucks. 16/12310, S. 14), aber konsequenterweise nicht für die Maßregeln, da insoweit eine Verständigung unzulässig ist. Der Senat sieht insoweit kein Bedürfnis für die nach seiner Auffassung nicht verständigungsfeindlichen Folgeentscheidungen § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend anzuwenden. „
Freut einen dann ja, auch wenn man nicht zitiert wird 🙂 🙂 🙂 .
Der Beschluss ist darüber hinaus lesenswert wegen der Ausführungen des OLG zur Frage, ob Gegenstand einer Verständigung vor dem Berufungsgericht auch die nachträgliche Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch sein kann oder ob darin eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch oder über einen Rechtsmittelverzicht liegt. Das OLG hat die Frage bejaht, geht also von der Zulässigkeit der nachträglichen Beschränkung aus.
Lieber Kollege, mal ein Seitenhieb (lieb gemeint). Wer nicht auf den Beschluss zurückgreifet sondern sich nur bei Ihnen informiert, bekommt zum Schluss auf „Oder-Frage“ eine „Ja-Antwort“. 😉
Er wird sich fragen: Das Ja vor dem Oder oder hinter dem Oder. … Oder … oder … oder
Feine Grüße nach MS
Für die Faulen 🙂 habe ich es dann mal ergänzt. Im Übrigen: Man soll die Beschlüsse ja auch lesen 🙂
An der Erörterung gemäß § 212 StPO nach Unterbrechung der Berufungshauptverhandlung haben die Schöffen teilgenommen, die aber außerhalb der HV keine Mitglieder der Kammer sind. Das OLG geht mit keinem orbiter dictum auf diesen Verstoß ein.
Und was soll das für die Revision bringen, mal abgesehen davon, dass m.E. die Teilnahme nicht verboten ist.
Prof. Meyer-Goßner hat mir schriftlich bestätigt, dass Schöffen außerhalb der HV nicht Mitglieder der Kammer sind. – Spontanzeugen und Gutachter sind sie ebensowenig. Erörterungen nach Beginn der HV haben gemäß § 257b StPO in der Hv zu erfolgen.
Und was bringt das für das von Ihnen gesehene Problem? M.E. nichts.