Die Auslegung und Anwendung des § 345 Abs. 2 StPO durch die OLG bei der Unterzeichnung der Revisionsbegründung ist seit einiger Zeit immer wieder in der Diskussion. Die OLG sind/waren in der Frage der Wirksamkeit der Unterzeichnung streng, wenn der die Revisionsbegründung unterzeichnende Rechtsanwalt noch nicht für den Angeklagten tätig war und es so aussieht, dass er nur „i.V.“ unterzeichnet. Ein wenig Entspannung kann da jetzt der BVerfG, Beschl. v. 07.12. 2015 – 2 BvR 767/15 – bringen.
Zu entscheiden hatte das BVerfG über einen Beschluss des OLG Zweibrücken. Das hatte in einem Verfahren nach § 346 Abs. 2 StPO einen landgerichtlichen Beschluss „abgesegnet“, durch den das LG die Revision eines Angeklagten als unzulässig verworfen hat. Das LG war davon ausgegangen, dass die Revisionsbegründung nicht wirksam war. Die war zwar fristgemäß beim LG eingegangen, war jedoch handschriftlich mit „i.V. R. “ unterzeichnet, beigefügt war der Zusatz „S. K. Rechtsanwalt (nach Diktat verreist)“. Aus dem Aus dem Briefkopf der Revisionsbegründung ergab sich, dass Rechtsanwalt R. mit Rechtsanwalt K. in Bürogemeinschaft tätig ist. Das BVerfG hat in der Revisionsverwerfung als unzulässig eine Verletzung des Anspruchs auf wirkungsvollen Rechtsschutz gesehen.
Der Beschluss lässt sich dann in etwa in folgendem Leitsatz zusammenfassen:
Zweifel an der Verantwortungsübernahme für eine Rechtsmittelbegründung dürfen nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt zuvor nicht für den Beschuldigten tätig geworden ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Unterzeichner sich im Schriftsatz oder auch an anderer Stelle vom Inhalt distanziert oder sich sonst aus dem Inhalt der Schrift ergibt, dass der Anwalt die Verantwortung dafür nicht übernehmen kann oder will. Der Zusatz „i.V.“ bei der handschriftlichen Unterzeichnung steht dabei einer solchen Verantwortungsübernahme nicht entgegen und rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme, dass der in Vertretung für einen anderen Rechtsanwalt Unterzeichnende eine Revisionsbegründungsschrift ungeprüft unterschrieben hat. Auch ein weiterer Zusatz „nach Diktat verreist“ lässt sich nicht als Distanzierung von dem Inhalt des Revisionsbegründungsschriftsatzes auffassen.
Es hatte bereits im Jahr 2014 der 2. Strafsenat des BGH darauf hingewiesen, dass die Verantwortungsübernahme des unterzeichnenden Rechtsanwalts entgegen der Tendenz in der Rechtsprechung der OLG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG nicht zu hoch geschraubt werden dürfe (vgl. BVerfG NJW 1996, 713). Jedenfalls dann, wenn die Revisionsbegründung von einem Rechtsanwalt ausgearbeitet wurde und der handelnde Unterzeichner sich nicht durch weitere Formulierungen von dessen Schriftsatz distanziere, werde die Begründung – so der BGH – den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO gerecht (vgl. BGH, Beschl. v. 13. 8. 14 – 2 StR 573/13). Die OLG haben das in der Vergangenheit durchweg anders/strenger gesehen (vgl. z.B. z.B. OLG Hamm StraFo 1998, 317; NStZ-RR 2009, 381; StRR 2012, 227). Sie haben aus Formulierungen wie „i.V.“ oder „für“ oder „nach Diktat verreist“ darauf geschlossen, dass der Unterzeichnende nicht die Verantwortung für die Revisionsbegründung übernimmt. Diese Rechtsprechung wird sich nun kaum noch aufrechterhalten lassen (schon früher anders OLG Köln NStZ-RR 2007, 57, 58).
Aber dennoch: Der Verteidiger/Rechtsanwalt sollte trotz der günstigen Rechtsprechung des BVerfG alles vermeiden, aus dem der Schluss gezogen werden könnte, dass er gegebenenfalls nicht die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernimmt. Denn eine Heilung dieses Mangels nach Ablauf der Frist ist ausgeschlossen (BayObLG VRS 50, 298).