Und dann auf in einen OWi-Tag, den ich mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.05.2024 – 1 (Ss) OWi Ws 12/24 – eröffne. Es geht u.a. um die Verlesung eines Messprotokolls ohne Unterschrift.
Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine Geldbuße in Höhe von 150 EUR festgesetzt. Dabei stützt sich das AG auf die Annahme einer mittels standardisiertem Messverfahren festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung.
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde verworfen. Ein Zulassungsgrund i.S.d. § 80 Abs. 1 OWiG liegt nach Auffassung des OLG nicht vor. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen einer vom Verteidiger des Betroffenen ausdrücklich geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) sei nicht geboten. Dazu führt das OLG u.a. aus:
„Soweit die Verteidigung vorbringt, das Messprotokoll enthalte keine Angaben zur Eichung des Messgerätes, ist dies, wie bereits dargelegt, unzutreffend.
Auch darin, dass die bei der Verfahrensakte befindliche Ausfertigung des Messprotokolls elektronisch erstellt wurde und keine eigenhändigen Unterschriften der mit Namenswiedergabe benannten Messbeamten trägt, liegt keine durchgreifende Abweichung von der Betriebsanleitung oder sonstigen, gar gesetzlichen Vorgaben, die die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens und der damit verbundenen Beweis- und Darlegungserleichterungen hätte entfallen lassen oder zur Vernehmung der Messbeamten hätte Anlass geben können.
Der Senat vermag dem mit der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen Inhalt der Betriebsanleitung bereits nicht sicher zu entnehmen, dass die danach zwingenden Angaben nicht bloß die in dem in der Betriebsanleitung abgedruckten Muster enthaltenen inhaltlichen Daten und Informationen umfassen. Zweifel daran, dass allein der Darstellung eines mit „Unterschrift“ unterschriebenen Platzhalters im Musterprotokoll der Betriebsanleitung zu entnehmen ist, dass die Betriebsanleitung zwingend eine eigenhändige Unterschrift auch bei elektronischer Erstellung des Messprotokolls fordert, sind bereits deshalb veranlasst, weil die Form des Protokolls ausweislich des von der Verteidigung zitierten Inhalts der Betriebsanleitung ausdrücklich freigestellt ist. Im Übrigen stellen Abweichungen von Vorgaben der Betriebsanleitung des Geräteherstellers das Vorliegen eines sog. standardisierten Messverfahrens jedenfalls dann nicht in Frage, wenn die Möglichkeit einer fehlerhaften Messung ausgeschlossen ist (vgl. BayObLG NZV 2023, 271). Inwieweit die elektronische Erstellung eines Messprotokolls ohne eigenhändige Unterzeichnung durch die Messbeamten die Korrektheit der Messung berühren soll, ist nicht ersichtlich.
Auch die für den hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung des Messbeamten maßgebliche Eignung des Messprotokolls zu seiner eine solche Vernehmung ersetzenden Verlesung ist allein dadurch, dass das Messprotokoll nicht unterschrieben, sondern elektronisch mit Wiedergabe der Namen der zuständigen Messbeamten erstellt ist, nicht in Zweifel gezogen. Ein Messprotokoll stellt eine Erklärung über eine Ermittlungshandlung dar, die gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden kann (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 OWi 6 SsRs 27/18 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Eine besondere (Unterschrifts-)Form erfordert § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 330/18 –, juris). Da aufgrund der Namenswiedergabe der zuständigen Messbeamten in dem elektronisch erstellten Protokoll erkennbar ist, auf wessen Erkenntnissen und Auswertungen die in dem Protokoll niedergelegten Daten und Erkenntnisse beruhen, bestehen keine Zweifel an der Urheberschaft und der Authentizität. Beweis-, Garantie- und Identifizierungsfunktion sind insoweit gewahrt, dass erkennbar ist, dass es sich um ein von dem nach der inneren Organisation der Behörde zuständigen Amtswalter mit Wissen und Wollen in den Rechtsverkehr gebrachtes Dokument handelt.
Eine fachgesetzliche Regelung, die darüber hinaus eine eigenhändige Unterzeichnung verlangt, ist nicht ersichtlich. Ein Unterschrifterfordernis folgt insbesondere nicht aus dem Verwaltungsverfahrensrecht. Anderes folgt im vorliegenden Verfahren auch nicht daraus, dass das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ein Unterschrifterfordernis aus dem hessischen Verwaltungsverfahrensrecht abgeleitet und angenommen hat, dass Messprotokolle, die entgegen § 37 Abs. 3 Satz 1 HVwVfG nicht vom Messbeamten eigenhändig unterzeichnet sind, nicht geeignet sein sollen, die Vernehmung des Messbeamten zum Beweis der Tatsache eines den Vorgaben des Gesetzes, der Betriebsanleitung und den Verwendungsvorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entsprechenden Messvorgangs durch Verlesung des Messprotokolls zu ersetzen, ohne den Anspruch eines die fehlende Unterzeichnung rügenden Betroffenen auf rechtliches Gehör zu verletzten (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20. Dezember 2023 – 3 Orbs 289/23 –). Dem hessischen Landesrecht kommt keine Bedeutung für den vorliegenden Fall zu, weshalb weder der Einzelrichter zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung des § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG, noch der Senat zu einer Vorlage gem. § 121 GVG gehalten war.
Dabei kann dahinstehen, ob einem Messprotokoll inhaltlich überhaupt eine Regelungswirkung innewohnt und damit dem Grunde nach Verwaltungsaktcharakter zukommt (vgl. kritisch Kreiner, jurisPR-StrafR 6/2024 Anm. 3). Stellt sich die Erstellung des Messprotokolls bereits als Tätigkeit der Verwaltungsbehörde zur Ahndung und Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 35 OWiG dar, handelt es sich nicht um die verwaltungsmäßige Ausführung von Bundes- und Landesgesetzen, sondern um die Anwendung des Gesetzes auf einen „Unrechts- oder Pflichtwidrigkeitstatbestand“ (vgl. BVerfGE 4, 74, 92?f.; KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl. 2018, OWiG § 2 Rn. 5). Diese ist dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze von vornherein entzogen. In Übereinstimmung damit nimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG ebenso wie es § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG auch für den Bereich des Bundesrechts anordnet, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, mithin die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden nach § 35 OWiG deklaratorisch von der Anwendung des Saarländischen Verwaltungsverfahrensgesetzes aus; es gilt allein die Verfahrensordnung des Ordnungwidrigkeitengesetzes und der Strafprozessordnung (vgl. zum Bundesrecht Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 2 Rn. 78). Für diese gilt aber, wie bereits dargelegt, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei der Verlesung von Erklärungen über eine Ermittlungshandlung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO kein Unterschriftserfordernis (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 330/18 –, juris). Ist die Erstellung des Messprotokolls hingegen noch als Teil präventiv-polizeilicher Verkehrsüberwachung einzuordnen (zur Zuordnung der Einrichtung von Geschwindigkeitsmessstellen als Teil präventiv-polizeilicher Verkehrsüberwachung vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Februar 1992 – 2 Ws (B) 91/92 OWiG –, juris; OLG Stuttgart, NZV 1990, 439) und damit dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes bzw. des Landes unterworfen (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 2 Rn. 80 und 113), bedürfte ein solcher Verwaltungsakt nach hier maßgeblichem Landesrecht, für dessen Inhalt und Auslegung dem hessischen Landesrecht ebenfalls keine Bedeutung zukommt, einer eigenhändigen Unterschrift des Messbeamten gleichfalls nicht. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 SVwVfG muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Damit steht die bloße Namenswiedergabe, die typischerweise im Computerausdruck erfolgt und nicht mit Beglaubigungsvermerk oder Dienstsiegel versehen werden muss, der Unterschrift gleich, sofern das Fachrecht, was hier nicht der Fall ist, nicht ausdrücklich eine Unterschrift verlangt (vgl. U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 37 Rn. 104; Tiedemann, BeckOK VwVfG, 62. Ed. Stand 01.10.2023, § 37 Rn. 48). Einer elektronischen Signatur bedarf es gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 SVwVfG nur, wenn für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet wird. Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform besteht für ein im Ordnungswidrigkeitenverfahren erstelltes Messprotokoll nicht.
Die spezifisch landesrechtlich bestimmte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. kann in beiden Fällen keine rechtserhebliche Divergenz begründen. ….“
Den Rest dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen.