Und dann noch die RVG-Frage. Sie kommt heute wieder aus der FB-Gruppe Strafverteidiger und ist dort vor längerer Zeit gestellt worden:
„MeinMandant war unter laufender Bewährung. Kam nach Anklage zu mir.
In der Verhandlung wurden drei Zeugen vernommen. Mandant wird freigesprochen.
Nun wird Grundgebühr unter Mittelgebühr bei Wahlanwaltsgebühren gekürzt.
Hier ist Erinnerung Rechtsbehelf, da Beschwer unter 200 €.
Wie sind bei euch da die Erfahrungen?
Mich ärgert, dass man sich immer um sowas streiten muss.
Die Gründe unten im Bild.
Grundgebühr soll alle denkbaren Strafverfahren erfassen……“
Die Diskussion um Gebührenkürzungen ist ein bekanntes und leidiges Thema. Meiner Erfahrung nach fokussieren sich Bezirksrevisoren nicht immer auf die spezifische Angelegenheit, sondern nehmen eine ganzheitliche Perspektive im Bezug auf alle denkbaren Strafverfahren ein. Die Kürzungen erfolgen m.E. oft ohne eine genaue Prüfung des Einzelfalls, sondern eher pauschal mit dem Argument die Grundgebühr soll alle (denkbaren) Strafverfahren abdecken. Das steht m.E. im Kontrast zu §14 RVG, der es dem Anwalt erlaubt, die Gebühr im (konkreten) Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren (eben in diesem Einzelfall) festzulegen. Dabei sind u.a. die Bedeutung der Angelegenheit für den Angeklagten sowie seine finanzielle Situation zu berücksichtigen, was oft vernachlässigt wird. Beispielsweise kann die Komplexität und der Umfang des Falls variieren, von eher einfacheren Verfahren, wo der Beschuldigte geständig ist bis hin zu komplizierten Verfahren mit einer Vielzahl von Zeugen oder Beweisen. Es sollte nicht sein, dass das obere Ende des Gebührenrahmens nur für Straftaten von erheblichem Ausmaß reserviert ist. Ich meine zur Gebührenbestimmung sollte das jeweilige Delikt als Ausgangspunkt genommen werden. Wenn wir zum Beispiel den Fall von Körperverletzung betrachten, wird deutlich, dass bereits hier die Bandbreite der Verfahren sehr vielfältig sein kann. Pauschal das Spektrum aller möglichen Strafverfahren zu Grunde zu legen, ist m.E. nicht überzeugend.
Beim Umfang der Angelegenheit wird häufig pauschal mit der Seitenzahl der Akte argumentiert, ohne deren Inhalt zu werten. Eine möglicherweise umfangreiche Recherche durch den Anwalt, um rechtliche Fragen zu klären oder Beweise zu sammeln, kann den Arbeitsaufwand und die Komplexität der Angelegenheit erhöhen und ergibt sich nicht immer aus der Verfahrensakte. Auch der Zeitpunkt der Beauftragung kein die Angelegenheit gewichtiger machen. Erfolgt die Beauftragung sehr kurzfristig z.B. vor einem Fristablauf, muss dies auch gebührenerhöhend berücksichtigt werden können.
Es gibt definitiv einen Unterschied in der Bedeutung und dem Umfang eines Strafverfahrens, abhängig davon, ob es sich um das erste Verfahren gegen eine Person handelt oder ob der Täter bereits mehrfach vorbestraft ist. Ersttäter könnten beispielsweise besonders besorgt über den Ruf oder die potenziellen Auswirkungen auf ihr Leben sein, während Wiederholungstäter möglicherweise mit zusätzlichen rechtlichen und sozialen Konsequenzen rechnen müssen. Dieser Unterschied wird ebenfalls oft vernachlässigt, hat aber einen durchaus einen Einfluss auf die Bedeutung des Verfahrens für den Angeklagten.
Selbst bei vermeintlich „kleineren“ Delikten können höhere Gebühren gerechtfertigt sein. Zum Beispiel könnten scheinbar kleine Vergehen wie Diebstahl oder Sachbeschädigung eine unerwartete Komplexität aufweisen, die eine gründliche rechtliche Verteidigung erfordert. Darüber hinaus können selbst kleinere Straftaten erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten haben, insbesondere wenn sie zu einer Vorstrafe führen oder das soziale Ansehen beeinträchtigen.
Moin, was Sie anführen, passt nicht unbedingt für die Grundgebühr, sondern dürfte über die „erste Einarbeitung“ hinausgehen und dager von der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten werden.