OWi I: Einmal entbunden, immer „frei“, so der BGH, oder: Unterschied Verlegung/Aussetzung

© momius – Fotolia.com

Heute dann OWi-Entscheidungen. Ein paar Entscheidungen habe ich, über die ich berichten kann.

Darunter  – und damit beginne ich – ist der BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – 4 StR 94/22. Das ist die Entscheidung des BGH in der noch offenen Vorlagefrage zur Reichweite der Entbindung nach § 73  Abs. 2 OWi von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen im Bußgeldverfahren.

Es geht um folgenden Sachverhalt: Das AG hatte den Betroffenen auf seinen Antrag vom persönlichen Erscheinen entbunden. Nach einer Terminsverlegung der geplanten Hauptverhandlung sind dann weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum neuen Termin erschienen. Das AG hat daraufhin den Einspruch durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.

Er bezieht sich auf einen Beschluss des OLG Bamberg, und zwar auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 30.03.2016 – 3 Ss OWi 1502/15 – dazu: Einmal entbunden, immer entbunden….. In dem hatte das OLG entschieden, dass die antragsgemäße Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG bei einer bloßen Verlegung des Hauptverhandlungstermins fortwirkt.

Das hatte das KG anders sehen wollen und die Frage daher mit dem KG, Beschl. v. 28.02.2022 – 3 Ws (B) 31/22 – dazu: OWi I: Einmal entbunden, immer entbunden….?, oder: Das KG fragt mit einer Vorlage den BGH –

zur Entscheidung vorgelegt und gefragt:

Führt die Verlegung eines Hauptverhandlungstermins dazu, dass die vorangegangene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens „verbraucht“ ist, so dass sie für den neuen Termin gegebenenfalls neu beantragt und angeordnet werden muss?

Der BGH hat nun für die Antwort ein wenig gebraucht, wohl auch, weil der GBA noch beim BayObLG angefragt hatte, ob man dort an der Rechtsprechung des OLG Bamberg festhält – die Antwort aus Bayern war klar: Natürlich – und dann hat der BGH, nachdem er die Vorlagefrage etwas enger gefasst hat, entschieden.

Und zwar hat er wie folgt geantwortet:

Die antragsgemäß nicht auf einen konkreten Termin bezogene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG wirkt bei Verlegung des Hauptverhandlungstermins fort, so dass ein Entbindungsbeschluss des Gerichts für den neuen Termin nicht erneut bean­tragt und erlassen werden muss.

Damit ist das Problem jetzt gelöst. Aber: Achtung! Beantwortet hat der BGH die Frage, wie es bei einer Terminsverlegung ist – da braucht man keinen neuen Antrag. Nicht beantwortet ist die Frage, wie es sich bei einer Aussetzung der Hauptverhandlung verhält, wo man wohl, wenn ich den BGH richtig verstehe, einen neuen Antrag braucht, die Entbindung also nicht fortwirkt. Daher als Verteidiger lieber in solchen Situationen den sicheren Weg gehen und immer einen neuen Antrag stellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert