Durchsuchung I: Geplanter Sturm auf den Bundestag, oder: Der BGH und die „Reichsbürger-Durchsuchung“

Bild von Thomas Ulrich auf Pixabay

Heute stelle ich drei Entscheidungen zur Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) vor. Darunter zwei BGH-Beschlüsse. Es kommt ja nicht so häufig vor, dass sich der BGH zu Durchsuchungsfragen äußert.

Und das hat er dann im BGH, Beschl. v. 30.03.2023 – StB 58/22 – getan. Ergangen ist der Beschluss in einem gegen zahlreiche Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten. Der Beschluss ist m.E. nicht so sehr wegen der Ausführungen des BGH zu den Durchsuchungsfragen von Bedeutung, insoweit enthält er nichts Neues. Sondern: Interessant und bedeutsam ist nämlich der der Durchsuchung zugrunde liegende Sachverhalt. Es handelt sich nämlich um die Durchsuchung in der Reichsbürger-Szene im Dezember 2022.

Der BGH hat den Sachverhalt, der ja nun auch ausführlich in der Presse behandelt worden ist, in dem 18 Seiten umfassenden Beschluss „sehr schön“ zusammengetragen. Wenn man das zusammengasst – wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext – hatten die (mutmaßlichen) Führungsmitglieder der Reichsbürger-Gruppierung, Pläne für einen gewaltsamen Sturm auf den Bundestag gehabt haben. Nach dem Beschluss wollte ein „Kommando“ Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Handschellen abführen, Man hatte bereits Kontakt zu mehreren Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte aufgenommen. zudme hatte man sich u.a. Munition, Gewehrmagazine und Nachtsichtgeräte besorgt und in Berlin Fotos von Absperrgittern am Paul-Löbe-Haus, vom Eingang der U-Bahn-Station „Bundestag“ und vom Schloss Bellevue gemacht. Außerdem soll ine Namensliste von Politikern, Journalisten und anderen Personen des öffentlichen Lebens existiert haben. haben.

Zum konkreten Stand der Vorbereitungen führt der BGH aus:

„Die Angehörigen der Gruppierung hatten ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, bereits fest gefasst. Dass der Willensprozess innerhalb der Gruppe abgeschlossen war, zeigt sich in den vielfältigen Vorbereitungshandlungen der Beschuldigten für den gewalttätigen Umsturz. So erwarben einzelne Mitglieder nicht nur Munition, zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände und Fesselungsmaterialien, sondern suchten darüber hinaus mehrere Waffengeschäfte zum Erwerb von Schusswaffen auf und führten Schießübungen durch. Daneben wurden durch die Gruppierung bereits drei Heimatschutzkompanien aufgebaut, denen polizeiliche und militärische Aufgaben im Fall der Realisierung der Umsturzpläne zukommen sollten. Für die Ausführung war gerade kein neuer Tatentschluss, sondern nur der Eintritt eines konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten Ereignisses erforderlich. Die Gruppierung behielt sich damit gerade nicht die Begehung von Straftaten für die Zukunft bloß vor.

Dies gilt umso mehr, als allein die Angehörigen der Gruppierung die Deutungshoheit darüber hatten, welches tagesaktuelle Ereignis der „Allianz“ zuzurechnen und als Startsignal zur Umsetzung ihrer Umsturzpläne zu werten sein sollte. Die Mitglieder der Vereinigung hatten mithin nur noch darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden. Dies zeigt sich insbesondere an den zahlreichen internen Diskussionen darüber, auf welches Geschehen insoweit abzustellen ist, wobei von den Mitgliedern der Gruppierung ein möglicher Börsencrash, das Ableben von Queen Elizabeth II., ein elektromagnetischer Impuls durch Wladimir Putin, Naturkatastrophen oder ein großflächiger Stromausfall als mögliches Startsignal diskutiert und in Betracht gezogen wurden. Es bestand daher die konkrete und sich potentiell jederzeit realisierende Gefahr, dass die Umsturzpläne vollzogen werden. Es mehrten sich zudem Anzeichen dafür, dass der Handlungsdruck innerhalb der Gruppierung immer weiter anstieg. Trotz des teilweise fernliegenden Gedankenguts war somit die spezifische Gefährlichkeit der Vereinigung gegeben (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 2 mwN).“

Das Übrige – wie gesagt – nichts wesentliche Neues. Aber sicherlich eine, wenn nicht „historisch“, aber zumindest doch zeitgeschichtlich interessante Entscheidung. Und wenn man das alles so liest, wird einem ja doch „ein wenig anders“.

Und zur Sache noch: Der BGH hat die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung des Ermittlungsrichters des BGH verworfen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert