Heute am Nikolaustag bringe ich dann drei AG-Entscheidungen, also mal von „ganz unten“, aber m.E. alle drei von Interesse.
Und ich beginne mit einem verkehrsrechtlichen Schmankerl, ich will nicht gleich schreiben „Knaller“, denn man muss mal sehen, was das OLG daraus macht, nämlich aus dem AG Schleiden, Urt. v, 02.09.2022 – 13 OWi-304 Js 802/22-179/22, das mir jetzt ein neuer Autor im VRR zugeleitet hat.
Es geht in dem Verfahren um eine Geschwindigkeitsmessung mit ESO Es 8.0. Dem Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 24 km/h vorgeworfen. Die Geschwindigkeit wurde mit einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage des Typs ESO ES 8.0 – nach den Feststellungen des Gerichts gültig geeicht sowie fachgerecht aufgestellt und bedient – ermittelt. Bereits mit Schriftsatz vom 03.05.2022 hatte der Verteidiger unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG vom 12.11.2020 (2 BvR 1616/18), die Übersendung der „Messdaten“ von der Bußgeldbehörde verlangt. Dieses Verlangen hatte er später im gerichtlichen Einspruchsverfahren wiederholt. Das AG hat daraufhin eine unmittelbare Stellungnahme der PtB eingeholt, die, so die Feststellungen des Urteils, mitteilte, „dass es offenbar nicht die Absicht des Herstellers sei, Geräte mit Rohmessdatenspeicherung auf den Markt zu bringen. Es entspräche auch nicht den „Wünschen des Herstellers“, dass Messdaten im Nachhinein zugänglich seien. Insoweit habe der Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik e.V. der PTB mitgeteilt, dass „für die bereits am Markt befindlichen Messgeräte […] seitens der PTB und seitens der betreffenden beiden Hersteller die Empfehlung der Umrüstung auf die aktuelle Software im Rahmen der nächsten Eichung [besteht]“.Weiter: „[…] Damit ist gewährleistet, dass es nunmehr bei keinem der nach neuem Eichrecht geregelten und neu in Verkehr gebrachten Messgeräte verwechslungsfähige „Rohmessdaten“ gibt.“
Das AG hat den Betroffenen freigesprochen, da die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit „aus rechtlichen Gründen nicht festgestellt werden“ könne:
„Zunächst geht das Gericht davon aus, dass die Tatsache, dass das Messgerät seit der 3. Revision keine Messdaten mehr speichert, einen Verstoß gegen den Grundsatz des „fair trial“ darstellen kann.
Insoweit ist zunächst anzumerken, dass das Gericht bei dem Messgerät Eso 8.0, wie auch bei dessen Vorgänger Eso 3.0 von einem sogenannten standardisierten Messverfahren ausgeht. Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Beschluss vom 30.10.1997, Az. 4 StR 24/97, mwN zitiert nach juris) gegeben, wenn es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren handelt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, wobei dies nicht bedeutet, dass die Messung in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfindet.
Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12.11.2020 (Az. 2 BvR 1616/18, zitiert nach juris) ausdrücklich ausgeführt, dass es von Verfassungswegen nicht zu beanstanden ist, dass die Fachgerichte von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht der Gerichte ausgehen.
Maßgeblich ist allerdings im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens und in Ansehung aller damit verbundenen Beweiserleichterungen nach den eindeutigen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 12.11.2020 (Az. 2 BvR 1616/18, zitiert nach juris) auch, dass der Betroffene seine Verfahrensrechte wirkungsvoll wahrnehmen kann. Insoweit ist es anerkannt, dass ein rechtsstaatliches und faires Verfahren „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits fordert. Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Betroffenen grundsätzlich auch ein Anspruch auf den Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen (hier: Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr) folgt.
Wird ihm dieser Zugriff erlaubt, ist dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, das Tatgericht ggf. auf Zweifel aufmerksam zu machen und entsprechende Beweisanträge zu stellen.
Aus der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgt demnach, dass die Figur des standardisierten Messverfahrens zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Gleichfalls wird aber auch mehr als deutlich, dass die Figur des standardisierten Messverfahrens nicht dazu führt, dass dem Betroffenen ohne Not Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten werden dürfen – zumal auch die Beweiserleichterungen des OWiG ein „kann“ für das Gericht darstellen und kein „muss“.
Nach Ansicht des Gerichts werden im vorliegenden Verfahren indes die vorausgeführten Rechte des Betroffenen verletzt, indem ihm nunmehr Daten, die bis Anfang 2020 noch zur Verfügung standen, nicht mehr zugänglich gemacht werden können. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die entsprechenden Daten auch den Behörden nicht mehr zur Verfügung stehen und man dementsprechend davon ausgehen könnte, dass eine „Waffengleichheit“ nach wie vor gegeben wäre (so: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.12.2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21, zitiert nach juris). Das Amtsgericht Schleiden steht jedoch auf dem Standpunkt, dass mit der neuen Zulassung der Software ohne Datenspeicherung dem Betroffenen gezielt durch den Herstellerverband eine Möglichkeit zur effektiven Verteidigung genommen wurde.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Schleiden steht nach seinem Verständnis auch der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 27.09.2019, Az. III-RBs 339/19, zitiert nach juris) nicht entgegen. Denn der Senat hat klargestellt, dass seine Entscheidung die Konstellation betrifft, in der von vornherein keine Messdaten gespeichert worden sind. In diesen Fällen geht das Amtsgericht mit dem Oberlandesgericht Köln dahingehend konform, dass bei Geräten, die nie Daten gespeichert haben, auch kein Anspruch darauf besteht, die Möglichkeit einer Datenspeicherung zu schaffen. Hier steht es jedoch anders.
Es ist nämlich nicht so, dass es sich bei dem Messgerät Eso 8.0 um ein solches handelt, dass noch nie Daten gespeichert hat. Vielmehr standen die Messdaten, unerheblich davon ob man sie als Rohmessdaten oder Hilfsgrößen bezeichnet, den Betroffenen, der Behörde und den Gerichten zur Verfügung. Dies führte in einigen Verfahren vor dem Amtsgericht Schleiden dazu, dass die Betroffenen aufgrund einer vorher durch sie selbst veranlassten gutachterlichen Prüfung der Daten mit Beweisanträgen durchzudringen vermochten, die eine Überprüfung durch einen gerichtlichen Sachverständigen nach sich zogen. Dabei ließ sich durch diese Sachverständigen nach ihrer eigenen Aussage durchaus die Messung nachvollziehen, wobei im Regelfall keinerlei Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion des Messgeräts aufgezeigt werden konnten.
Dementsprechend ist es aus Sicht des Amtsgerichts Schleiden nicht so, dass den Hilfsgrößen bzw. Rohmessdaten keinerlei Beweiswert zugemessen werden kann, so dass eine Entfernung der Datenspeicherung den Betroffenen in seinen verfahrensmäßigen Rechten verletzt. Dass den Daten ein Beweiswert durch die Gerichte zugemessen wird, musste dem Hersteller bewusst sein. Außerdem musste es ihm bewusst sein, dass eine Änderung in der Praxis der Datenspeicherung sich unter Umständen auf die Verfahren auswirken könnte. Diese Überzeugung hegt das Gericht unter anderem aufgrund der Urteile des Landgerichts Halle an der Saale vom 05.12.2013 (Az. 5 O 110/13) und des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 27.08.2014 (Az. 6 U 3/14, jeweils zitiert nach juris). Den Verfahren lag zu Grunde, dass die Beklagten, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Geschwindigkeitsgutachten erstatteten, Zugriff auf die Messdateien des Vorgängergerätes Eso 3.0 erhielten und die Daten auswerteten. In diesem Zusammenhang gelang es den Beklagten die damalige Verschlüsselung der Daten zu überwinden. Die Herstellerfirma Eso fühlte sich dadurch in ihren Rechten verletzt und hat die Ansicht vertreten, dass allein sie berechtigt sei, über die gesicherten Messrohdaten zu verfügen. Indem die Beklagten die Daten unter Überwindung der Verschlüsselung dennoch auslesen und auswerten bzw. eine solche Vorgangsweise anbieten würden, begründe dies einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog i. m. V. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 202a, 202c StGB. Dem haben die genannten Gerichte eine eindeutige Absage. Insoweit haben beide Gerichte übereinstimmend ausgeführt, dass der Hersteller jedenfalls nach dem Verkauf der Geräte nicht mehr Berechtigter bezüglich der von diesen Geräten erzeugten Daten ist. Vor diesem Hintergrund hat vor allem das Landgericht Halle (Urteil vom 05.12.2013, Az. 5 O 110/13, zitiert nach juris) zutreffend ausgeführt, dass die Herstellung eines Geschwindigkeitsmessgerätes ist kein Selbstzweck ist, sondern dass das Gerät ist für die Behörde ein Hilfsmittel ist, die Geschwindigkeit zu messen.
Diese Hilfeleistung führt aber nicht dazu, dass der Hersteller bestimmen darf, wer Zugang zu den Daten erhält. Weitergehend erklärt das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt im Urteil vom 27.08.2014 (Az. 6 U 3/14, zitiert nach juris), dass allein aus dem Umstand, dass der Hersteller ein Gerät zur Datenerzeugung verkauft hat, nicht die Berechtigung an den damit erzeugten Daten abgeleitet werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen war der Hersteller also nicht berechtigt, bei einem Gerät, dass vormals beweiserhebliche Daten zuverlässig gespeichert hat, diese mutwillig zu unterdrücken. Denn aus dem Umstand, dass das Gerät überhaupt einen Messwert aus den – angeblich wertlosen – Daten gewinnen kann, folgt, dass diese Daten vorhanden waren. Die Löschung einmal vorhandener beweiserheblicher Daten erfüllt indes den Tatbestand der Unterdrückung. Da diese Unterdrückung technisch flächendeckend und fortgesetzt mit Blick gerade auf rechtsstaatliche Gerichtsverfahren durchgeführt wird, ist ihr seitens des Gerichts eine strikte Absage zu erteilen.
Denn wie bereits ausgeführt, genügt es im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens nicht, wenn der Betroffene sich mit der pauschalen Behauptung, er sei nicht zu schnell gefahren oder die Messung sei fehlerhaft gewesen, verteidigt. Vielmehr muss er konkrete Anhaltspunkte benennen, die einen Fehler der Messung als möglich erscheinen lassen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Gericht gehalten, etwaigen Beweisanträgen nachzugehen. Das Aufzeigen von Auffälligkeiten in den Messdaten ist eine der wenigen Möglichkeiten eines Betroffenen konkrete Einwendungen gegen eine Messung vorzubringen. Nimmt man nun nachträglich, nach der ursprünglichen Zulassung mit Datenspeicherung diese Möglichkeit, hat dies zur Folge, dass pauschale Einwendungen von Betroffenen mit dem Hinweis auf ein standardisiertes Messverfahren zurückgewiesen werden, er aber faktisch außerstande gesetzt wird, von ihm geforderte konkrete Einwendungen vorzubringen, da ihm jede Prüfungsmöglichkeit, um solche Einwendungen zu ermitteln, nach der 3. Revision der Baumusterprüfbescheinigung genommen ist. Damit steht ihm zwar theoretisch eine Verteidigungsmöglichkeit offen, praktisch ist diese – zumindest im Hinblick auf die Datenauswertung – aber nicht gegeben. Folglich sind viele Fachgerichte in den letzten Jahren dazu übergegangen, auch schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Betroffenen ein Einsichtsrecht in die sogenannten Rohmessdaten zuzubilligen (vgl. nur die zahlreichen Hinweise in AG Hildesheim, Beschluss vom 20.11.2015, Az. 112 OWi 35 Js 26360/15, zitiert nach juris).
Dementsprechend ist das Gericht davon überzeugt, dass es zwar keinen Anspruch auf die Schaffung einer Möglichkeit zur Datenspeicherung durch einen Betroffenen gibt, wenn das Gerät ohne eine solche ursprünglich zugelassen und in den Verkehr gebracht wurde. Eine entsprechende Vorgabe dergestalt, dass die Verwaltungsbehörden durch entsprechende technische Maßnahmen (insbes. mittels Speichermedien) sicherzustellen haben, dass sämtliche Informationen und Daten, die aus Sicht eines Betroffenen in einem späteren Bußgeldverfahren möglicherweise relevant werden können, gespeichert und später reproduziert werden können, ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen. Im Gegenzug verstößt es jedoch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn ein Hersteller – ohne dazu berechtigt zu sein – bei einem ursprünglich mit Datenspeicherung zugelassenen Messgerät diese Möglichkeit nimmt (andere Ansicht: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.12.2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21, zitiert nach juris).
Weiterhin hat das Gericht beachtet, dass der Grundsatz des „fair trial“ keinen Selbstzweck bildet, sondern sich der Betroffene hierauf berufen muss. Das bedeutet, dass das Gericht bei einem Betroffenen, der die Messung gar nicht überprüfen lassen möchte und keine Einsicht in die betreffenden Daten begehrt, auch keinen Verstoß gegen das faire Verfahren annehmen muss, da er sich dieser „Waffe“ offensichtlich nicht bedienen möchte.
Vorliegend hat der Betroffene durch seinen Verteidiger jedoch explizit Einsicht in die Daten begehrt, um eine eigenständige Überprüfung des Messvorgangs vornehmen zu lassen, um bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme eines standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können. Eine entsprechende Prüfung war dem von der Verteidigung bestellten Gutachter aber aufgrund der fehlenden Daten gerade nicht möglich. Dem Betroffenen ist dadurch eine jedenfalls nicht abwegige Möglichkeit einer effektiven Verteidigung genommen.
Vor diesem Hintergrund konnte aus Sicht des Gerichts eine Verurteilung aus rechtlichen Gesichtspunkten nicht erfolgen.“
Ich bin gespannt, was das OLG Köln, bei dem die Rechtsbeschwerde anhängig ist, macht.
Endlich mal ein Gericht, dass die Problematik der Beweisunterdrückung sieht und auch der Ansicht ist, dass bei Messgeräten der vorstehenden Art der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt wurde.
Die gebotene Waffengleichheit kann zutreffenderweise nicht mehr hergestellt werden, weil eine Überprüfung der Messdaten, in deren Besitz die Verfolgungsbehörde als Betreiberin des Messgeräts zumindest für eine juristische Sekunde bis zur automatischen Löschung der Daten war, durch die Verteidigung bzw den Betroffenen unmöglich gemacht wurde.
Ich hoffe immer noch, dass das Bundesverfassungsgericht dies in der immer noch erwarteten Entscheidung über die bekannte Verfassungsbeschwerde genauso sehen wird und sich nicht von der Erwägung leiten lassen wird, das ja bei einer stattgebenden Entscheidung möglicherweise tausende von Bußgeldverfahren einstellungsreif sein werden, was man auch als Bundesverfassungsrichter sicherlich nicht gerne verursachen wird.
Das Urteil des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in der Sache Lv 7/17 pro Rohmessdaten ist zumindest technisch überzeugend und könnte vom BVerfG als Blaupause herangezogen werden, wenn es sich pro Rohmessdaten entscheiden will.
Hält das BVerfG s die Integration der Rohmessdaten in die Messdatensätze dagegen für nicht erforderlich, so muss es sich damit auseinandersetzen, aus welchem Grund es trotzdem von der Messrichtigkeit ausgeht. Und da ist man dann beim standardisierten Messverfahren.
Im Gegensatz zu den Oberlandesgerichten sieht das Bundesverfassungsgericht evtl. die Notwendigkeit, die objektiven technischen Gegebenheiten dabei nicht vollkommen außer Acht zu lassen. Die nachgewiesenen, in wenigen Einzelfällen zu beobachtenden, weit außerhalb der Verkehrsfehlergrenzen liegenden Messfehler bei den eso-Einseitensensoren infolge der Beeinflussung durch ED-Licht und die Situation bei Leiftec XV3 lassen es nämlich als unhaltbarerscheinen, das standardisierte Messverfahren als alleinigen Bewertungsmaßstab anzusehen.
Zehn Jahre lang wurden Einwände gegen Messungen mit dem Messsystem Leivtec XV3 unter Bezugnahme auf das standardisierte Messverfahren zurückgewiesen Dann wurden im Zuge von Untersuchungen von Gutachtern (die eigentlich die PTB bei ihrer Zulassung hätte durchführen müssen) solch erhebliche Messfehler festgestellt, dass jetzt keine standardisierte Messung mehr möglich und das Messgerät nicht mehr eichfähig ist.
Man muss die technische Realität schon ausblenden, um das standardisierte Messverfahren vor diesem Hintergrund immer noch als pauschalen Beleg für die ordnungsgemäße Funktion eines Messgeräts anzusehen.
In diesem Zusammenhang ist es zudem kritisch zu sehen, dass der Zulassungsprozess maßgeblich von der physikalisch technischen Bundesanstalt (PTB) geprägt ist und deren Stellungnahmen In der Regel ungeprüft Eingang in die Urteile finden.
Dies ist vor dem Hintergrund einer gerade erst veröffentlichten Untersuchungen kritisch zu sehen. In dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass die PTB für die eso-Einseitensensoren eine Auswertesoftware zugelassen hat, die mithilfe der Rohmessdaten potentielle LED-Fehlmessungen ausfiltert.
Für die Bewertung dieses Sachverhalts muss man wissen, dass die PTB bisher einerseits die LED-Fehlmessungen immer wieder in Abrede gestellt und andererseits regelmäßig behauptet hat, Rohmessdaten könnten nicht zur effektiven Prüfung einer Messung herangezogen werden. Diese Statements ergeben sich aus den noch zum jetzigen Zeitpunkt auf der Website der PTB verlinkten Dokumenten.
Es stellt sich da die Frage, wie eine objektive, neutrale Institution eine Software zulassen kann, die ihrer Meinung nach gar nicht mögliche Fehlmessungen mithilfe von Daten ausfiltert, die nach der veröffentlichten Meinung dieser Institution hierzu nicht geeignet sind.
Ob man sich uneingeschränkt auf das Urteil einer so handelnden Istitution verlassen kann, ist zumindest aus technischer Sicht fraglich.
Die Unterscheidung zwischen Geräten, die noch nie Rohmessdaten gespeichert haben, und solchen, bei denen dies nachträglich geändert wurde, leuchtet mir allerdings nicht ein. Womöglich könnte man differenzieren, ob bei dem konkreten Gerät eine Speicherung technisch möglich ist. Da aber auch bei (digitalen) Messgeräten, welche noch nie Rohmessdaten gespeichert haben, diese Daten während der Messung in einer Art „Zwischenspeicher“ vorübergehend vorliegen, macht es zumindest aus Sicht des Grundrechtsträgers wenig Unterschied, ob diese Daten in früheren Software-Versionen einmal gespeichert wurden oder nicht.
Die im Urteil genannte Mitteilung der PTB, „dass es offenbar nicht die Absicht des Herstellers sei, Geräte mit Rohmessdatenspeicherung auf den Markt zu bringen“, überrascht ebenfalls. In der Vergangenheit hatten mehrere Quellen (OLG Frankfurt, Jenoptik, Vitronic) bestätigt, dass die PTB diese Speicherung als Verstoß gegen MessEG/MessEV sowie die PTB-Anforderungn sieht und entsprechenden Geräten daher die Konformitätsbewertung verweigert.
Die Mitteilung der PTB ist eine Nebelkerze.
Die Fa. Jenoptik hatte der PTB nach dem Urteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs zu ihrem Messgerät S350 der PTB eine ganze Reihe verschiedener Softwareversionen mit unterschiedlicher Tiefe von in die Datensätze integrierten Messdaten vorgelegt, um das sich aus dem Urteil ergebende Einsatzverbot der S350 im Saarland von Tisch zu bekommen.
Die PTB hat die Zulassung all dieser Varianten abgelehnt. Ebenso wie den Vorschlag des Einsatzes einer Sequenzkamera, die zur unabhängigen Prüfung einer Messung eingesetzt werden kann und bei stationären Systemen in anderen Ländern wie z.B. in der Schweiz sogar vorgeschrieben ist.
Wie die in den letzten Jahrzehnten zugelassenen Messgeräte zeigen, haben die Hersteller von sich aus tatsächlich kaum Interesse daran, die Messungen transparent zu gestalten. Das Interesse besteht erst dann, wenn sie durch die Rechtssprechung dazu gezwungen sind.
Letztendlich ist es allerdings allein die PTB, die die Integration der Rohmessdaten verhindert. Die PTB lässt nämlich auf Basis wenig überzeugender Argumente grundsätzlich keine Messgeräte zu, wenn deren Messdatensätze eine Nachvollziehbarkeit der Messung erlauben.