Strafzumessung III: Mehrere Tatbestandsvarianten +, oder: Das ist bei der Zumessung zu berücksichtigen

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Im dritten Posting komme ich dann noch einmal auf eine Entscheidung zurück, die ich schon in anderem Zusammenhang vorgestellt habe, nämlich das KG, Urt. v. 25.07.2022 – (3) 161 Ss 93/21 (34/22). Das ist das  Urteil, in dem das KG ausgeführt hat, dasss auch eine Jacke ein gefährliches Werkzeug i.S. von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein kann (vgl. StGB II: Ist eine “Jacke” ggf. ein gefährliches Werkzeug?, oder: Yes, she can –> gefährliche Körperverletzung).

Heute geht es um die Ausführungen des KG zur Strafzumessung. Das AG hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Berlin Berufung eingelegt und diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Berufung hat das LG  verworfen und in dem Berufungsurteil u.a.  ausgeführt:

„Der Angeklagte hat sich der gefährlichen Körperverletzung in zwei, zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehenden Fällen schuldig gemacht (§ 224 Abs. 1 Nr. 5, 53 StGB).“

Im Rahmen der Erörterung eines minderschweren Falls hat es zu den aus seiner Sicht zumessungsrelevanten Tatsachen u.a. ausgeführt, straferschwerend sei zu bewerten, dass der Angeklagte die Geschädigte jeweils in die konkrete Gefahr des Todes gebracht habe.

Dagegen dann die Revision der StA, die hinsichtlich der Strafzumessung erfolg hatte:

„Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH StraFo 2017, 242). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ nach § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (vgl. für viele BGHSt 34, 345). Dabei ist der Tatrichter gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO nicht nur verfahrensrechtlich, sondern auch materiell-rechtlich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2022 – 3 StR 322/21 -). Die Bewertungsrichtung und das Gewicht der Strafzumessungstatsachen bestimmt zwar in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls eröffnet ist (std. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 – 5 StR 545/20, juris; Senat, Urteil vom 25. Mai 2021 – (3) 121 Ss 53/21 (24/21) -; KG, Urteil vom 24. April 2017 – (5) 161 Ss 3/17 (10/17) -). Jedoch müssen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen in den Urteilsgründen so dargestellt werden, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung in dem vorstehend dargelegten Umfang möglich ist.

Auf der Grundlage dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Strafzumessung des Landgerichts der Revision nicht stand. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich in zwei tatmehrheitlichen Fällen nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig gemacht, unvollständig ist. Denn das Amtsgericht hat zumindest die erste Tat erkennbar auch als gefährliche Körperverletzung mittels Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bewertet. Daran war auch das Landgericht gebunden, denn die (Teil-) Rechtskraft erstreckt sich nicht nur auf die getroffenen Feststellungen, sondern auch auf ihre rechtliche Einordnung (vgl. Senat, Urteil vom 30. Juni 2021 – (3) 161 Ss 61/21 (28/21) -, juris; KG StV 2021, 290; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Aufl., § 318 Rdn. 31 m.w.N.; Paul in KK-StPO 8. Aufl., § 318 Rdn. 9 m.w.N.).

Dieser Fehler wirkt sich auf die Strafzumessung aus. Das Tatgericht hat, wenn der Täter mehrere Tatbestandsvarianten erfüllt hat (vgl. BGHSt 1, 152; 30, 166; 44, 361; Grünewald in Leipziger Kommentar zum StGB 12. Aufl., § 224 Rdn. 44 m.w.N.; Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl., § 46 Rdn. 45 m.w.N. und 224 Rdn. 12), dies zu berücksichtigen. Dass das Landgericht diesen Umstand in seine Würdigung einbezogen hat, kann nicht festgestellt werden. Die im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falls von § 224 Abs. 1 StGB aufgeführten Gesichtspunkte, die das Landgericht in seine Abwägung eingestellt hat, lassen lediglich erkennen, dass es sich mit dem Merkmal einer das Leben gefährdenden Behandlung auseinandergesetzt hat, nicht aber mit (strafschärfenden) Gesichtspunkten, die sich aus der Verwendung (auch) eines gefährlichen Werkzeugs ergeben haben, weswegen der Senat ein bloßes Fassungsversehen ausschließt.

Zudem lassen die getroffenen Feststellungen besorgen, dass das Landgericht bei seiner Strafzumessung nicht ausreichend zwischen den beiden Taten differenziert hat, sondern seine Erwägungen zur Strafzumessung zu pauschal auf beide Taten angewendet hat.

c) Auf dem dargelegten Fehler beruht das Urteil. Daher kommt es auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr an. Der Rechtsfehler bedingt die Aufhebung des gesamten Strafanspruches.“

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